Halloween:Horror-Clowns sind Tagesgespräch an Münchner Schulen

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Vor solch gruseligen Fratzen fürchten sich manche Kinder.

(Foto: Scott Olson/Getty Images)
  • In Münchens Schulen sind die Horror-Clowns ein großes Thema. Viele Kinder sind verängstigt.
  • Manche Schulen haben deswegen ihre Halloween-Partys abgesagt oder eingeschränkt.
  • Experten raten mit den Kindern über ihre Ängste zu sprechen, wenn sie welche äußern und die Horror-Clowns zu entmystifizieren.

Von Heiner Effern, Ulrike Heidenreich, Anna Hoben und Melanie Staudinger

Da draußen lauern sie irgendwo, so viel ist sicher. "Besonders zwischen sieben und elf Uhr. An dunklen Stellen, da springen sie aus Gebüschen", sagt der Älteste der Runde, mit dem überlegenen Wissen eines Zwölfjährigen. "In Berlin haben sie schon einen umgebracht, mit dem Messer. Bei uns haben sie Baseballschläger. Oder eine Axt, wie der im Park", sagt der Mittlere, 10. "Mach die Balkontür zu, die können auch klettern", sagt der Kleine, 7. Um was geht's hier bitte? "Checkst du's nicht? Die Horror-Clowns!"

Egal ob am Abendbrottisch daheim, auf dem Spielplatz oder in der Pause: Die immer neuen Nachrichten von Horror-Clowns beschäftigen viele Kinder - und damit auch ihre Eltern, Erzieherinnen und Lehrer. Fiktion und Fakten verschwimmen, die einen Kinder sind fasziniert von der Kombination aus lustig und gruselig, andere haben Angst, nach der Dämmerung aus dem Haus zu gehen. Dass in Berlin ein Clown niedergestochen worden ist und nicht sein vermeintliches Opfer, das geht leicht unter.

Fest steht: Etwas Dramatisches ist in München bisher nicht passiert. Vereinzelt aufgetreten sind Horror-Clowns aber sehr wohl, etwa vor einer Woche, als ein Junge auf seinem Fahrrad von einem verkleideten Angreifer mit Axt im Westpark verfolgt wurde. Insgesamt gingen bisher bei der Polizei 28 Meldungen über Clown-Sichtungen in der Stadt ein.

Ein Blick in die Grundschule an der Königswieser Straße in Fürstenried zeigt, wie präsent die Clowns sind. Dort haben in den vergangenen Tagen Kinder aller Jahrgangsstufen das Thema angesprochen, wie Schulleiterin Regina Beckmann-Kimpfbeck berichtet, nur in den ersten Klassen spielte es keine Rolle. Die einen fürchteten sich vor den Verkleideten, teilweise glaubten die Schüler, dass die Clowns aus Horrorfilmen stammten, die sie mit ihren älteren Geschwistern gesehen hätten.

Andere Mädchen und Jungen hingegen behaupteten, sie seien bereits einer solchen Schreckensgestalt begegnet, was sich als unwahr herausgestellt habe, sagt Beckmann-Kimpfbeck. Ein paar der Viertklässler hätten gar versucht, den jüngeren Schülern Angst einzujagen, indem sie drohten, dass die Clowns an die Schule kämen und die Kleinen tyrannisierten. "Auf diese Weise wird das Thema aufgeputscht", sagt Beckmann-Kimpfbeck.

Wenn so etwas geschieht, werden die Lehrer aktiv. Sie erklären, dass bisher in der Gegend keine "schlimmen Clowns" gesichtet worden seien. Und sie üben mit den Kindern, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie auf verkleidete Bösewichte treffen: wegrennen, bei Bedrohung laut schreien, sich bei Erwachsenen Hilfe suchen, den Eltern von einem Vorfall erzählen.

Das soll keine Panik schüren, sondern Sicherheit geben. Genau dieses Gefühl bräuchten Kinder nämlich, da sind Schulpsychologen sich einig. "Man sollte den Kindern die Möglichkeit geben, über das Thema zu reden", sagt Barbara Schweiger-Gruber, die den schulpsychologischen Dienst der Stadt leitet. Allerdings nur, wenn tatsächlich Bedarf besteht, Eltern sollten nicht von sich aus über Horror-Clowns sprechen. Das berge die Gefahr, dass die Kinder auf Ängste gebracht werden, die sie von sich aus gar nicht gehabt hätten. Dasselbe gelte auch für die Arbeit in Schulen. Hier könne es sinnvoll sein, zunächst mit einzelnen Kindern oder nur Teilen der Klasse zu reden.

Mit Spaß hat die Clown-Nummer schon lange nichts mehr zu tun

Stadtschulrätin Beatrix Zurek ärgert sich, dass wegen "des verantwortungslosen Verhaltens" einzelner die Gefahr bestehe, "dass Kinder traumatisiert werden. Da hört der Spaß auf". Sie findet es wichtig, dass bei Bedarf neben den Lehrern auch die Eltern zu Hause mit den Kindern über die Horror-Clowns sprechen. Aufklären, beruhigen, bei den Ängstlichen. Doch was tun, wenn nun Halloween-Partys zum Thema werden? Wenn der ältere Sohn zielsicher die Clownsmaske aus der Verkleidungskiste herauszieht? Wie wohl Mama reagiert? Können Eltern ernsthaft verbieten, mit einer lustigen Maske durch die Straßen zu laufen, sobald es dunkel ist und die ausgehöhlten Kürbisse leuchten?

Sie können zumindest ihren Kindern erklären, dass auch an ihnen der Spuk um die Clowns nicht spurlos vorbeigegangen ist und dass sie sich nicht wohlfühlen, wenn ihre Kinder in dieser Verkleidung losziehen. Die Grundschule an der Königswieser Straße hat ihr Halloween-Fest heuer abgesagt. An der Giesinger Icho-Schule fällt es zumindest zahmer aus: Die Geisterbahn, die im vergangenen Jahr im Keller aufgebaut wurde, wird es heuer nicht geben. "Wir setzen eher auf Spaß als auf Horror", sagt Schulleiter Martin Rothenaicher. Außerdem hielten sich die Lehrer beim Erzählen von Gruselgeschichten zurück.

Auch hinter den Horror-Clowns stecken nur Menschen

Dass man aber wegen der Angst den Alltag ändert, davon hält Reinhold Wehner nicht viel. Der 45-Jährige ist Diplompsychologe und Psychotherapeut. Zurzeit kommt es vor, dass das Thema Horror-Clowns in seiner Praxis dreimal täglich von älteren Kindern, aber auch von Eltern kleinerer Kinder angesprochen wird. Es handle sich bei dem Phänomen um eine perfide Angelegenheit, so Wehner, weil der Clown an sich ein Wesen sei, das Kindern von Anfang an sympathisch sei. "Wenn sich Gut und Böse vermischen, ist das für Kinder, aber auch für Erwachsene, wie ein wahrgewordener Albtraum."

Eltern sollten, rät Wehner, zunächst erfragen, von wem das Kind was gehört habe, und welche Gefühle das bei ihm auslöse. Dann gehe es darum herauszufinden, welche Konsequenzen das Kind für sich daraus ziehe. "Manche sagen zum Beispiel, sie wollen nicht mehr rausgehen." Dann müsse man aufklären, dass böse Menschen nicht an jeder Ecke lauern. Oder auch den Wirklichkeitstest machen: rausgehen und feststellen, dass die Realität nicht den Erzählungen entspricht. Es helfe zudem, das Phänomen zu entmystifizieren, sagt Wehner: klarmachen, dass Horror-Clowns nicht dem Gruselkabinett entstiegen sind, dass es sich um echte Menschen handelt. Dass es keinen Horror gibt, nur kriminelles Verhalten. Und dass die Polizei etwas dagegen unternimmt.

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