Haidhausen:Unter sich

Wiener Platz in München, 2015

Bald Vergangenheit: die alten Marktbuden auf dem Wiener Platz.

(Foto: Barth)

In einer nichtöffentlichen Konsensrunde fällt die Entscheidung gegen den bisherigen "Wiener Markt"

Von Julian Raff, Haidhausen

Bis zum Wochenende konnten Freunde der alten Marktstandl am Wiener Platz noch auf technische Erneuerung hinter den alten Fassaden hoffen, aber nun steht fest: Die ineinander geschachtelten Buden werden bald einem modernen Ensemble weichen. Eine sogenannte Konsensrunde - Händler, Anwohner, Kunden, benachbarte Geschäftsleute und Vertreter des Betreibers "Markthallen München" (MHM) - fand keine Lösung dafür, die knapp 70 Jahre alten Stände mit aktuellen Hygiene- und Brandschutzvorschriften unter einen Hut zu bringen und damit zu erhalten; nur das "Fisch-Häusl" bleibt bestehen. Der von der Inneren Wiener Straße gesehen am rechten Eck gelegene Stand soll auch künftig "Fixpunkt" und "Entree" des Marktes bilden und wurde deshalb unter Bestandsschutz gestellt.

Das Eck-Standl gibt Baulinien vor, die ebenso erhalten bleiben sollen wie die vorhandenen Sichtachsen, erklärt Bernd Plank, Sprecher des Kommunalreferates. Wie Plank einräumt, hätten manche Teilnehmer im zwölfköpfigen "Innenkreis", den das Referat zur Schlussberatung geladen hatte, dem Abriss nur zähneknirschend zugestimmt. Allerdings habe am Ende die Entstehungsgeschichte des "Wiener Marktes" und sein charmant-provisorisches Ambiente den Erhalt unmöglich gemacht. Was heute wie ein historisch wertvolles Ensemble wirkt, wurde in der frühen Nachkriegszeit ohne Rücksicht auf den Brandschutz erbaut, teils aus Trümmern und Holzresten umgebender Kriegsruinen. Wegen der Platznot seien die Händler seither gezwungen gewesen, Kühlung und Lagerflächen auszulagern, was bei Fleischwaren und erst recht beim Handel mit Fisch nicht mit Hygiene-Vorschriften und anderen Standards vereinbar sei. Die Händler müssten ihre Fläche deshalb um rund 90 Prozent vergrößern, so Plank.

Stadt und MHM würden sich aber um verträgliche Mieterhöhungen bemühen. Schließlich, so Plank, "definiert sich der Markt nicht über die Buden, sondern über seine Händler". Es gehe bei all dem nicht darum, irgendwelche neuen EU-Vorschriften "sklavisch" umzusetzen, sondern um nationales Lebensmittelrecht, das auch für die benachbarte Gastronomie Gültigkeit hat. Hinzu komme, dass sechs von neun Händlern einen Ausschank- oder Imbiss betreiben; der kleinste Münchner Stadtteilmarkt verfügt damit zugleich über den größten Gastro-Anteil. Zusätzliche Gästetoiletten, darunter eine barrierefreie, seien also unausweichlich.

Vor allem über diesem Punkt wundert sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger, der sich wiederholt für den Erhalt des in seinem Wahlkreis gelegenen Marktes eingesetzt hatte und, wie er sagt, nur mit Mühe als Beobachter Zutritt zur nichtöffentlichen Runde bekam. Die MHM hätten eine E-Mail vom vergangenen Freitagabend präsentiert, in der das Kreisverwaltungsreferat einen deutlich größeren Müll-Platz gefordert habe - vor allem aber statt der genannten 17,5 Quadratmeter großen Toilettenfläche nun plötzlich 60. Das zitierte Bundesgesetz gilt laut Stefinger nicht mehr, der Freistaat habe die Materie noch nicht geregelt.

Die von Anwohnern und Kunden abgelehnte Bündelung der Standl in einem Dreier-Ensemble sei dennoch mit der Planung der "Luxusklos" aus Platzgründen als alternativlos serviert worden, was Stefinger nicht als sein "Verständnis eines ernst gemeinten Bürgerdialogs" bezeichnet; andere Teilnehmer hätten schlicht von einer "Farce" gesprochen. Der Bundestagsabgeordnete will das Thema nun über seine Parteikollegen in den Landesdenkmalrat bringen und hofft, dass dieser die Planung stoppt, indem er das gesamte Marktensemble am 29. April unter Schutz stellt.

Kommunalreferent Axel Markwardt betont Stefingers Darstellung gegenüber, das Konsensgespräch habe eine von allen Teilnehmern getragene Anregung für weitere Planungen erbracht. Diese sei, was Gebäudezahl und Anordnung betrifft, nach wie vor offen.

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