Haidhausen:Ohne Durchstich kommt das Chaos

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Die südwestliche Unterführung unterm Ostbahnhof endet an Gleis 8. Die Bahn findet, das reicht. Doch schon heute drängen sich hier viele Menschen. (Foto: Robert Haas)

Die künftigen Bewohner des Werksviertels brauchen mehr als den vorhandenen engen Zugang zum Ostbahnhof. Dafür kämpfen Haidhauser Lokalpolitiker trotz Absage der Stadt. Doch auch Bahn sieht keinen Bedarf

Von Franziska Gerlach, Haidhausen

Man muss ihn schon gut kennen, um sich in seinen Gängen zurechtzufinden, manche sagen sogar, der Ostbahnhof habe etwas von einem Fuchsbau. Wo war noch gleich die Apotheke? Ist es die linke oder die rechte Treppe, die vom darüber liegenden Busbahnhof zum Backshop führt? Nach Angaben der Deutschen Bahn steigen an der Gleisanlage im Münchner Osten an jedem Werktag 122 000 Menschen in S-Bahnen oder Züge ein, aus- oder um. Weitere 20 000 Personen besuchen den Ostbahnhof, ohne verreisen zu wollen. Sie holen sich in der Mittagspause eine Kleinigkeit zum Essen, erledigen dort ihre Einkäufe oder kaufen eine Fahrkarte für eine spätere Reise. In der Summe macht das 142 000 Menschen, die täglich auf irgendeine Art und Weise am Ostbahnhof zu tun haben.

Fakt ist also: Es kann voll werden am Ostbahnhof. Und Fakt ist auch: Es befinden sich unter der Gleisanlage zwei Fußgängerunterführungen, doch wer den südwestlichen Tunnel wählt, der steht auf der Höhe von Gleis 8 vor einer rot gekachelten Wand. Nur der östliche, schon jetzt zu Stoßzeiten stark frequentierte Tunnel führt bis zur Friedenstraße auf der anderen Seite des Ostbahnhofs in Berg am Laim. Wie wird das erst werden, wenn dort das neue Werksviertel steht? Immerhin bringt das geplante Quartier nicht nur neue Wohnungen, Büros, Hotels und eine Grundschule mit sich, sondern auch etwa 3000 Neubürger und 7000 Arbeitsplätze - und nach Auffassung des Bezirksausschusses Au-Haidhausen werden viele von ihnen regelmäßig den Ostbahnhof passieren. Bereits im Juli 2013 hatte die CSU-Fraktion den Ausbau des zweiten Tunnels gefordert. Als die Stadtteilpolitiker im Frühjahr 2015 die Absage des Referates für Stadtplanung und Bauordnung auf den Tisch bekamen, ärgerten sie sich fraktionsübergreifend. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hatte argumentiert, eine Verlängerung sei nicht erforderlich, da sich das Werksviertel aktuellen Planungen zufolge stark auf sich konzentrieren werde und weniger als "Brückenschlag" gedacht sei. Selbst eine eigene Grundschule sei für das neue Quartier vorgesehen.

Das mit der neuen Grundschule sei ja sehr erfreulich, finden die Haidhauser Stadtteilpolitiker. Um aber die Menschenmengen zu bewältigen, die das Werksviertel dem Ostbahnhof bescheren wird, muss das Wegenetz trotzdem ausgebaut werden. Das ist dem Antrag zu entnehmen, mit dem die Fraktionen die Stadt nun im Schulterschluss ein weiteres Mal zum "Durchstich" des Tunnelstumpfes auffordern. "Eine gute Erschließung durch den öffentlichen Nahverkehr ist hier zwingend notwendig, um die Menschen zur Arbeit, zum Einkaufen oder nach Hause zu bringen", schreiben die Stadtteilpolitiker.

Der neue Zugang zum Bahnhof von Osten her solle im Querschnitt großzügiger geplant werden als der vorhandene, ebenso seien die Anforderungen an die Inklusion zu beachten, auch Menschen mit Gehhilfe oder Kinderwagen sollten barrierefrei Zugang haben. Zugleich sei die "Zugangssituation" von der Friedensstraße aus zu optimieren und auszubauen; auch jene Flächen, die frei werden, weil die Bahn das Angebot des "Autoreisezuges" eingestellt hat, wollen die Stadtteilpolitiker in die Planungen einbezogen wissen; ebenso solle an Stellplätze für Fahrräder gedacht werden. Überdies solle "sinnvollerweise" geprüft werden, ob der Tunnel nicht bis auf die Südostseite der Friedenstraße oder sogar bis in das Werksviertel hinein verlängert werden könne.

Damit sich Einheimische, vor allem aber Touristen künftig besser in den Gängen zu den Gleisen zurechtfinden, fordert die CSU-Fraktion außerdem deren alphabetische Kennzeichnung - und zwar nicht nur am Ostbahnhof, sondern auch an anderen S- und U-Bahnhöfen wie etwa dem Rosenheimer Platz und dem Max-Weber- Platz. Diese Orientierungshilfe, die die Antragsteller aus Singapur kennen, soll auch in die Orientierungspläne übernommen werden, auf Schildern am Bahnsteig und den Ausgängen wiederzufinden sein und dabei auch auf die diversen Sehenswürdigkeiten im Stadtteil verweisen.

Was den Durchstich des Tunnelstumpfes am Ostbahnhof anbelangt, verweist die Deutsche Bahn auf die Zuständigkeit der Stadt: Die gewünschte Unterführung habe "den Charakter einer stadtteilverbindenden Passage", sagt Bahn-Sprecher Bernd Honerkamp. Und da der Zugang zu den Gleisen bereits gegeben ist, sei ein Ausbau des Unterführung aus Sicht der Bahn nicht erforderlich. Gegebenenfalls würde man aber den "Bahnsteiganschluss" übernehmen, sagt Honerkamp und meint damit nur Treppen, denn im östlichen Gang sei bereits ein Fahrstuhl vorhanden.

© SZ vom 05.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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