Haidhausen:Chronisches Lampenfieber

Proben der Haidhauser Volksbühne St. Wolfgang. Jubiläum,  Pfarrsaal St. Wolfgang, St. Wolfgangs-Platz 9

Heiß begehrt: In Ralph Wallners Theaterstück der "Schmuggler Bazi" reißen sich die Frauen um den Basti (Ludwig Bruckmeier, links).

(Foto: Florian Peljak)

Die Volksbühne Haidhausen feiert heuer ihr 35-jähriges Bestehen. Mundart und Lokalkolorit zeichnen die Aufführungen der von Pater Reinhard Heberle gegründeten Laientheatergruppe aus

Von Franziska Gerlach, Haidhausen

Dass sie ein Herz und eine Seele sind, wäre übertrieben. Doch im Grunde kommen Hanna und Paula, die beiden Schwestern aus Ralph Wallners Mundart-Stück "Schmuggler Bazi", recht gut miteinander aus. Eigentlich. Doch wenn es um Männer geht, dann ist es vorbei mit der Eintracht. Daran lässt die Art und Weise, wie Karla Unterkreuter im 35. Jahr der Volksbühne Haidhausen - auch als "Woifgangla" bekannt - auf der Bühne die Lebenskünstlerin Paula gibt, keinen Zweifel. Energisch reckt sie das Kinn, blickt zur Decke im Pfarrsaal von St. Wolfgang, als ob dort jemand Rat wüsste im Disput um das Objekt der Begierde. Als nichts kommt von oben, besinnt sie sich auf ihre irdischen Qualitäten. Mit einer ausladenden Geste fährt sie sich durch das blonde Haar, atmet hörbar ein, ehe sie sagt: "Ich hab in meinem Leben nie g'scheit sein müssen, es hat gereicht, wenn ich schön war."

Am Fuß der Bühne nickt Regisseur Karl Heinz Pantke zufrieden und schlägt eine Seite in seinem Manuskript um. Zu bemängeln hat er kaum etwas an diesem Tag. Wenige Tage vor der Premiere sitzt der Text. Hier und da hat er die Dialoge mit Anweisungen versehen, oft handelt es dabei um Bewegungen, mit denen der Schauspieler betonen soll, was er auf der Bühne sagt. Anregungen für die Inszenierung holt sich Pantke aus Zeichentrickfilmen. "Da kann man sich viel abschauen", sagt er. Wenn einem zum Beispiel "der Buckel jucke", so Pantke, dann könne der Schauspieler sich diesen durchaus an einem Holzpfosten kratzen - wie Balu, der Bär, im Disneyfilm "Das Dschungelbuch". Es geht also dementsprechend lebhaft zu, wenn die von Pater Reinhard Heberle gegründete Laientheatergruppe spielt: Da werden Tische verschoben und Türen geknallt, und wenn sich ein Kronkorken von der Flasche fliegt, zischt es auf der Bühne sogar.

Seit mehr als 20 Jahren führt Pantke Regie, zudem hat er auch in diesem Jahr eine Rolle übernommen: In Wallners Stück mimt der Regisseur den "Bockerer", einen zweilichtigen Schleuser, mit dem der Schmuggler Basti regelmäßig Geschäfte macht. Die Handlung des Dreiakters ist an sich simpel: Gemeinsam mit der fidelen Fini schlägt sich der Basti mehr schlecht als recht durch, eine einfache Berghütte ist für sie Unterschlupf, Zwischenlager und Tauschversteck in einem - bis eines Tages die ungleichen Schwestern Hanna und Paula, die ebenfalls ein Gaunerleben führen, hier aufkreuzen und den unbedarften Basti gehörig durcheinander bringen. Und auch der "Bockerer" ist derweil natürlich nicht untätig und versteckt heimlich einen schönen Batzen Geld in der Schmugglerhütte.

Ein wenig Krimi, ein wenig Romanze, auf jeden Fall ist der Stoff unterhaltsam, für den sich die "Woifgangla" in diesem Jahr entschieden haben. "Die Liebesgeschichte ist aber Nebensache", sagt Unterkreuter, während sich die Schauspieler zurecht machen. Und wer anschließend die Probe verfolgt, der versteht, dass der Zwist um den Basti in dem ländlichen Schwank nur den Rahmen bildet, in dem sich Mundart und Lokalkolorit entfalten können. Zwingend erforderlich sind Baierisch-Kenntnisse allerdings nicht, wenn der Vorhang an diesem Freitag das erste Mal aufgeht. Denn es ist die für Zugereiste gut verständliche "Münchner Mundart", die da auf vor der selbst gestalteten Kulisse gesprochen wird. "Was will i denn jetzt mit am Mo?", ruft die Fini anfangs von der Bühne. Und tatsächlich kommt die junge Gehilfin mit ihren rußgeschwärzten Wangen und den Lederhosen wenig damenhaft daher. Doch einen Akt später sieht die Sache schon anders aus: "Ich schau' mir den Schwan jetzt mal an", äußert sie sich geringschätzig über die Herzdame des Schmugglers, die Hanna. "Wahrscheinlich ist es doch bloß eine blöde Gans."

Bis zur Pause bleibt offen, ob es neben den Schwestern nun auch noch die Fini auf den Basti abgesehen hat. Als Darstellerin Christina Förg von der Bühne kommt, beantwortet sie diese Frage mit einer abwiegelnden Handbewegung. Sie spielt das erste Mal mit und ist über ihre Großtante zur Theatergruppe gestoßen. Mit ihren 18 Jahren ist Förg das jüngste Mitglied des Ensembles - und zwar mit Abstand. Wie andere Laientheatergruppen in München, so Unterkreuter, litten auch die "Woifgangla" unter Nachwuchssorgen. Die 53-jährige Arzthelferin selbst ist praktisch von Anfang an dabei, seit 1982. Das macht 34 Jahre Texte lernen, Proben, Aufbau des Bühnenbildes, Nervenflattern und Lampenfieber - aber auch ganz viel Freude auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

Aufführungen am 10., 11., 17., 18., 24. und 25. April, St. Wolfgangs-Platz 9, 19.30 Uhr. Die Karten kosten 10 Euro, die Einnahmen kommen einem wohltätigen Zweck zugute.

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