Hadern:Hat ja keiner gefragt

Hadern: Leben mit der Nachverdichtung: Am Stiftsbogen in Hadern entstehen 32 neue Wohnungen auf dem Dach und in einem Hochhaus (links).

Leben mit der Nachverdichtung: Am Stiftsbogen in Hadern entstehen 32 neue Wohnungen auf dem Dach und in einem Hochhaus (links).

(Foto: Robert Haas)

Anwohner berichten über teils lebensgefährliche Situationen auf der Baustelle am Stiftsbogen. Bezirksausschuss-Chef Stadler hört sich alles an - erwähnt aber nicht, dass seine Familie selbst involviert ist

Von Berthold Neff, Hadern

Der Schock bei den Anwohnern war groß, als Anfang Januar am Stiftsbogen die Motorsäge kreischte und 40 stattlichen Linden und Robinien den Garaus machte. Fast der komplette Baumbestand vor ihrer Haustür wurde für ein Bauprojekt der F.M.S. Immobilienbeteiligungsgesellschaft mbH Co. Grundbesitz KG geopfert. Die Mieter der Häuser 152 bis 166 trugen ihren Protest gegen den Kahlschlag und gegen das Bauprojekt sofort in den Haderner Bezirksausschuss (BA), und eine Anwohnerin sagte: "Wir haben die Hoffnung, hier etwas zu erfahren." Was sie damals nicht erfuhren und was ihnen auch in dieser Woche, als sie in der BA-Sitzung am Montagabend erneut protestierten, der BA-Vorsitzende Johann Stadler (CSU) nicht sagte, war Folgendes: Seiner Frau Marianne gehört ein Viertel dieser Mietwohnungsanlage, und sein Bruder Christian Stadler ist als Architekt für den Aus- und Neubau verantwortlich, bei dem 32 Wohnungen und ein Haus für Kinder entstehen.

"Nach den Eigentümern hat ja keiner gefragt", rechtfertigte Johann Stadler am Dienstag sein zweimaliges Schweigen in dieser Sache. Im Januar hatte er die besorgten Mieter an die Lokalbaukommission verwiesen, dort könnten sie Details zu dem Vorhaben erfahren. Der CSU-Fraktionssprecher Peter Winklmeier, der meistens die Baumschutzfälle vorträgt, sagte den Mietern lediglich, dass man bereits im September 2016 den beantragten Fällungen zugestimmt habe. Diese werden meist blockweise abgestimmt, und Stadler hat, obwohl er eigentlich als befangen hätte gelten müssen, mit Ja gestimmt. "Das war ja für das Ergebnis nicht entscheidend", sagte der 63 Jahre alte Rechtsanwalt, der seit 2002 auch für die CSU dem Stadtrat angehört, auf Anfrage der SZ: "Was hätte denn eine Stimme mehr oder weniger bewirkt?"

Auch am Montagabend, als etwa ein Dutzend Mieter erneut Aufklärung und Unterstützung im Stadtviertel-Gremium suchten und von zum Teil lebensgefährlichen Situationen auf der Baustelle berichteten, sagte Stadler nicht, dass Familienangehörige an diesem Vorhaben beteiligt sind oder daran mitwirken. Stattdessen hörte er sich kommentarlos an, was zum Beispiel Birgit König, Stiftsbogen 162, schilderte. "Plötzlich knallte ein Container, der am Kran hing an meinen Balkon, ich war unter Schock." Der Betrieb auf der Baustelle, "vor allem der Lärmpegel ist für die Bewohner nicht mal annähernd erträglich". Immer wieder werde kurzfristig und auch ohne Ankündigung der Strom abgeschaltet. Feuerwehrzufahrten seien nicht mehr wie vorgeschrieben zugänglich, Teile der Baustelle seien nicht ordnungsgemäß gesichert. Immer wieder habe man die Polizei einschalten müssen. Wolfgang Dausses, Erster Polizeihauptkommissar von der zuständigen Polizeiinspektion 41, schränkte jedoch ein, dass die Polizei nur bei unmittelbaren Gefahren einschreite, ansonsten aber das Gewerbeaufsichtsamt oder die Berufsgenossenschaft zuständig seien.

Angesichts der von den Mietern geschilderten Missstände sagte Michael Behr (CSU), der den Unterausschuss Bau leitet, man werde sich an Ort und Stelle umsehen, "mit denen muss man Fraktur reden". Irmgard Hofmann (SPD) sprach von "unhaltbaren Zuständen". Johann Stadlers einziger Rat blieb, die Bürger sollten die städtische Behörden-Hotline anrufen, wovon Franz Rudrich (CSU) abriet: "Das hat keinen Sinn, dort sitzen nur ein paar Halbtagskräfte und wissen nicht Bescheid."

Auf SZ-Anfrage räumte Stadler am Dienstag ein, "ich hätte was sagen müssen". Seine Frau, eine geborene Stürzer, halte zwar an der Firma, die als Bauherrin auftritt, ein Viertel, sei aber an dem aktuellen Vorhaben "völlig unbeteiligt". Er selbst sei bei der Genehmigung des Vorhabens "nicht involviert" gewesen. Stadler sagte, die Mietwohnanlage in Neuhadern gehöre der Firma der vier Stürzer-Geschwister, Geschäftsführer sei Maximilian Stürzer. Stadler lebt mit seiner Frau bis heute auf dem Stürzer-Hof an der Großhaderner Straße und kommt deshalb auf dem Weg zur U-Bahn direkt an der Baustelle vorbei. Stadler sagte, falls es dort Probleme gebe, könne man dies nicht der Bauherrin zum Vorwurf machen, verantwortlich sei die Baufirma. Für den Fall, dass das Projekt erneut Thema im Bezirksausschuss werden sollte, kündigte Stadler an, die Sitzungsleitung dann abzugeben.

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