Guntram Kühbeck:Der Mann, der die Beatles entdeckte

Guntram Kühbeck, 2016

Malerei und Musik: Kühbecks Wohnung in Schwabing ist voll mit Bildern, sie hängen im Bad, in der Küche, im Wohnzimmer.

(Foto: Robert Haas)

Guntram Kühbeck war einst als Sänger Tommy Kent berühmt und verschaffte der Band aus Liverpool einen Produzenten. Heute lebt er in Schwabing - und ist Maler.

Von Gerhard Fischer

Guntram Kühbeck alias Tommy Kent kommt mit einem Beatles-Buch an den Tisch. In diesem Buch ist ein Brief abgebildet, den Paul McCartney 1961 von Hamburg aus an seine Freundin geschickt hat - und in dem Kent erwähnt wird. "Am anderen Abend", schrieb McCartney, "kam einer der größten Rock 'n' Roll-Stars Deutschlands in den Club (er ist hier so bekannt wie Cliff Richard in England). Tommy Kent ist sein Name, und er sagte, wir seien die beste Band, die er je gehört hätte. Hoffe, er hat es ernst gemeint." Die Beatles waren damals noch unbekannt. Tommy Kent verschaffte ihnen einen Produzenten.

Guntram Kühbeck lebt heute in Schwabing, nur ein paar Meter vom Englischen Garten entfernt. Auf dem Türschild steht Kühbeck-Kent, als wäre es ein Doppelname. Er ist jetzt Maler. Die Wohnung ist voll mit Bildern, überall hängen Gemälde und Zeichnungen. In der Küche. Im Bad. Im Wohnzimmer, das auch sein Malzimmer ist. "In einem Lager habe ich noch einmal zwischen 300 und 400 Bilder", sagt er. Man könnte sagen: Er war fleißig. Man könnte aber auch sagen: Was er in seinem Leben machte, tat er intensiv und leidenschaftlich. Und es hatte stets mit Kreativität zu tun.

Kühbeck ist ein freundlicher Mann. Er ist achtsam, aber unaufdringlich; er bietet dem Gast ein Getränk an und setzt sich schließlich auf sein Sofa. Neben ihm hängen zwei Gitarren an der Wand, die ältere hat er schon in den Fünfzigerjahren gekauft. Über dem Sofa ist ein Bild angebracht. Es ist ein sehr farbiges, abstraktes Gemälde, aber links unten ist eine Kuh zu erkennen. "Ich male mittlerweile vorwiegend impressionistisch, aber auf den meisten Bildern ist auch etwas Gegenständliches", sagt er. "Ich finde, Maler sollten auch zeichnen können."

Kühbeck ist - vermutlich in den Dreißigerjahren - in Schwabing geboren

Kühbeck hatte mehrere Berufe. Er war Sänger (da hieß er Tommy Kent), Schauspieler, Architekt und Maler. Alte Menschen haben viele Geschichten zu erzählen. Kühbeck hat viele Geschichten mit vielen bekannten Namen zu erzählen: Er sang mit den Beatles auf einer Bühne und stand mit Senta Berger vor der Kamera; seine Ex-Frau ist liiert mit dem Journalisten Carl Bernstein, der den Watergate-Skandal aufgedeckt hat; und seine Schwester war mit Klaus Kinski verheiratet.

Während er von seinem Leben erzählt, kokettiert er ein wenig mit seinem Alter, aber er nennt es nicht. "Ich mag mein Alter nicht verraten", sagt er, "Sie müssen schätzen - aber wenn Sie 100 sagen, bin ich beleidigt." Es ist sicher eine Sieben davor, vielleicht sogar eine Acht - das ergibt sich aus seinem Lebenslauf. Aber der schlanke Mann sieht jünger aus.

Guntram Kühbeck ist - vermutlich in den Dreißigerjahren - in Schwabing geboren, der Vater war Arzt. Kühbeck studierte Architektur und arbeitete im Baubüro seines Bruders. Mit seinem ersten selbst verdienten Geld kaufte er sich eine Gitarre - es ist die ältere, die in seinem Wohnzimmer an der Wand hängt. "Ich habe damals Musiker wie Elvis Presley geliebt - und ich liebe sie heute noch", sagt Kühbeck.

Er ist dann in Münchner Kneipen aufgetreten - und einmal vor mehr als 200 Leuten beim Künstlerverein am Marienplatz. "Das war so ein uriger Raum mit Biertischen unter dem Rathaus - ich weiß gar nicht mehr, ob es den noch gibt", erzählt Kühbeck. Es ist öfter so an diesem Vormittag: Der alte Herr redet von einem München, das Vergangenheit ist; das liegt in der Natur der Sache. Man hört sie gerne, diese Geschichten, weil sie illustrieren, wie lebendig München einmal gewesen ist. Wie Karrieren hier entstanden sind. Wie sehr man an die Zukunft glaubte.

"Ich sang Mary Ann, wie so oft", erzählt er weiter, "und die Künstler, die da waren, haben geschrien und getrampelt." Unter den Zuhörern waren auch ein paar Leute, die später als Manager und Verleger bekannt geworden sind, Heinz R. Beierlein, Klaus Netzle und Stefan von Baranski. Kühbeck erinnert sich: "Die haben gesagt: Wir verschaffen dir einen Termin in Hamburg." Hamburg hieß: Polydor, die Plattenfirma. "Ich war dann dort im Hotel und die haben mir einen Stoß amerikanische Platten hingelegt und gesagt: Such dir eine aus, die du auf deutsch singst", erzählt Kühbeck.

Guntram Kühbeck wählte "Susie darlin'" von Robin Luke.

Kühbeck setzt sich in seinem Sofa aufrechter hin, um etwas vorzumachen. "Damals hat man immer so mit Schluckauf gesungen", sagt er, "a-a, a-a, a-a." So hat er dann "Susie darlin'" auf deutsch gesungen - und ist durchgefallen. "Ich bin todtraurig nach München zurückgefahren", erzählt er, "aber um drei Uhr nachts hat Bert Kaempfert bei mir angerufen." Kaempfert war damals Produzent bei Polydor. Er sagte, dass er die Aufnahme gehört habe und etwas in der Stimme sei, das ihm gefalle. Und dass man es noch mal probieren wolle.

Es klappte beim zweiten Versuch. Polydor wollte ihn. Nur der Name musste geändert werden. Guntram Kühbeck war nicht sexy genug für einen Sänger. Kaempfert schlug "Kent" vor, wie die Zigarettenmarke. "Und da passt doch Tommy gut dazu", sagte Kühbeck. Rasch hatte Tommy Kent mit "Susie darlin'" Erfolg. Er wurde viel im Radio gespielt, stand an der Spitze von einigen Hitlisten, machte Platten, auf denen er brav gescheitelt und korrekt gekleidet zu sehen war. Die Musikagentin Toni Netzle sagte einmal zu ihm: "Rock 'n' Roll in Nietenhosen ist nichts Besonderes. Sei anders als die anderen: Sing im Smoking, Junge, das überrascht!"

"I bin a sturer Kopf"

Die Beatles

1966 traten die Beatles im Circus Krone in München auf.

(Foto: dpa)

Kühbeck steht auf und holt eine Platte an den Tisch. Auf dem Cover steht "Susie darlin'" und "Tommy Kent", und man sieht den Säger mit Gitarre. Kühbeck war damals sehr attraktiv und sah zugleich brav aus - er wirkte wie der große, blonde, hübsche Bruder von Timmy aus der Fernsehsendung "Lassie". Kühbeck sang auf dieser Platte nicht nur "Susie darlin'", sondern auch "Donna", "Irgendwer" oder den Presley-Hit "I need your love tonight", der bei ihm "Ich brauche dich dazu" heißt.

Guntram Kühbeck bringt jetzt auch noch einen Leitz-Ordner. "Ich habe drei davon - sie sind voll mit Zeitungsartikeln über meine Musiker-Karriere." In einem Text heißt es, Kent wirke eher einsam und etwas verloren - aber gerade das mache ihn bei jungen Leuten sympathisch. Sein Vater, der Arzt, halte nicht viel von dem "Unsinn", Schlager zu singen. Immerhin habe Tommy sein Diplom als Hochbauingenieur und Architekt in der Tasche. Doch Tommy Kent habe gemeint: "I bin a sturer Kopf. Im Büro hocken mag i net."

Kühbecks Schlager-Phase dauerte etwa fünf Jahre, er produzierte nach eigenen Angaben 40 Schallplatten und sagt, dass er vier Millionen Tonträger verkauft hat - von "Ich brauche dich dazu" alleine 180 000 Singles. Er ging mit Max Gregers Orchester auf Tour und machte in ein paar Filmen mit, zum Beispiel in "O sole mio" mit Senta Berger und "Der Schleier fiel" mit Vera Tschechowa. Es waren kleine Rollen, aber Kühbeck konnte in den Filmen seine Lieder spielen.

Eines Tages, es war im April 1961, fuhr er nach Hamburg und ging auf der Reeperbahn in den Top Ten Club. "Dort, in einem verrauchten Keller, spielten die Beatles, die damals noch überhaupt nicht bekannt waren", erzählt Kühbeck. Er rückt auf dem Sofa ein Stück nach vorne. Er lächelt. Es ist so ein Begeisterungslächeln. "Ich war so fasziniert von dieser Musik", sagt er.

Die Beatles wurden wenig später weltberühmt

In dieser Stimmung fuhr er zu seinem Produzenten Bert Kaempfert. "Die sind toll", sagte er, "die musst du sehen." Kaempfert kam mit in den Club, am nächsten Tag schon. "Ich bin dann an diesem Abend auf die Bühne, habe gesungen und die Beatles haben mich begleitet", erzählt Kühbeck. "Kansas City und Be-Bop-A-Lula." Und Bert Kaempfert nahm die Beatles unter Vertrag.

Das hatte zur Folge, dass er sich weniger um Kühbeck kümmerte. "Für mich ging es dann langsam bergab", sagt er. "Vorher war ich sein Ein und Alles, aber am Ende wollte mich Kaempfert Sachen singen lassen, die sein Nachbar komponiert hatte - das wollte ich nicht." Bert Kaempfert kann man dazu nicht mehr befragen. Er starb 1980.

Aber auch mit den Beatles klappte es nicht. "Kaempfert hat die Qualität der Beatles nicht erkannt", sagt Kühbeck. Bert Kaempfert löste den Vertrag nach einem Jahr. Die Beatles wurden wenig später weltberühmt, mit Brian Epstein als Manager. Das wird Kaempfert lange geärgert haben.

Guntram Kühbeck wollte es nicht wahrhaben, dass seine Schlager-Karriere am Ende war; er tingelte über die Dörfer. "Aber es war nicht mehr so toll." Es muss ihn getroffen haben.

Malerei und Musik

Er arbeitete als Architekt, heiratete eine Amerikanerin (die später Carl Bernsteins Frau wurde), bekam einen Sohn, ging mit der kleinen Familie nach Los Angeles, besuchte dort die Akademie der Kunst, kehrte nach der Trennung nach München zurück, arbeitete wieder als Architekt. Er gestaltete unter anderem das Spanische Konsulat in München und gewann drei Fassadenpreise der Stadt - und malte, ganz viel. "Ich habe mindestens 30 Ausstellungen gemacht", sagt er. Momentan sind seine Bilder im Klinikum rechts der Isar zu sehen. Manchmal hat er bei den Ausstellungen auch gesungen.

Er trifft sich jetzt einmal pro Woche mit einem Freund, um Musik zu machen. Aber ansonsten malt er. "Wir haben viel über Musik geredet", sagt er am Ende des Gesprächs, "aber mir ist wichtig, das mit der Malerei herauszuheben."

Der Watergate-Enthüller Carl Bernstein hat übrigens auch einen Brief geschrieben. An Guntram Kühbeck. Er dankte für ein Bild, das Kühbeck ihm und seiner Frau gemalt hat: "Das Bild ist nun wunderbar gerahmt - in schwarz - und beherrscht die zentrale Wand in unserem Wohnzimmer."

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