Güterzuglinie:Teures Gutachten

Güterzuglinie: Die Eisenbahnstrecke 5560, "Güterumgehungsbahnlinie Trudering-Daglfing". Rechts oben steht das Haus der Familie Jais.

Die Eisenbahnstrecke 5560, "Güterumgehungsbahnlinie Trudering-Daglfing". Rechts oben steht das Haus der Familie Jais.

(Foto: Claus Schunk)

Gericht legt lärmgeplagter Familie Vergleich mit der Bahn nahe

Von Stephan Handel

Dort Zug, hier Lärm - so simpel stellt sich die Situation meistens dar, wenn sich Bürger durch die Eisenbahn in ihrer Nachbarschaft belästigt fühlen. Manchmal aber ist es dann doch komplizierter, wie jetzt wieder einmal ein Fall zeigte, der seit 2010 die Anwälte beschäftigt und mittlerweile vor dem Oberlandesgericht gelandet ist.

Es geht um ein Haus in Trudering, dessen Bewohner das Pech haben, dass ihnen die Bahn ein Gleis vor die Nase gebaut hat. Das war zwar schon 1930, dennoch beruft sich die Familie Jais darauf, dass "wir zuerst da waren". Das Gleis ist die so genannte Güterumgehungsbahnlinie Trudering-Daglfing, in der bahneigenen Nomenklatur: Eisenbahnstrecke 5560. Diese führt circa 40 Meter am Haus der Familie Jais vorbei, zudem wird sie nur von Güterzügen befahren, die von Haus aus lauter sind als Personenzüge.

Jetzt reicht's, fand deshalb die Familie Jais, und klagte. Dazu bediente sie sich des Frankfurter Fachanwalts Matthias Möller-Meinecke - der gleich eine Sensation zu verkünden hatte: Die Bahn konnte nämlich für die Strecke keine Betriebsgenehmigung vorlegen - sie wäre also quasi ein Schwarzbau gewesen. Der Konzern rechtfertigte sich damit, dass diese Genehmigung wohl "in den Kriegswirren" verloren gegangen sei. Matthias Möller-Meinecke jedoch fand, dass die Bahn sich bei dieser Sachlage nicht auf den Bestandschutz berufen könne, sondern dass die Strecke wie ein Neubau zu behandeln sei - auch immissionsrechtlich.

Am Landgericht war er damit zumindest teilweise erfolgreich. In der Berufung jedoch sah der 13. Senat des Oberlandesgerichts die Sache nicht so tragisch - ein bald 90 Jahre alter Schwarzbau, das wäre ja komisch gewesen. Stattdessen wurde ein Gutachter befragt, wie denn die Lärmbelästigung eingedämmt werden könnte.

Antwort: Nicht so einfach. Schallschutzwände nützen nichts oder müssten so hoch sein, dass sie nie genehmigt werden würden. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung ist kaum zu machen, weil die Züge in einen europäischen Fahrplan eingebunden sind. Und eine besondere Pflege des Gleises wäre auch nicht besonders nützlich, weil wenige Meter von dem Haus der Familie Jais entfernt eine Straße das Gleis überquert - der Autoverkehr würde die Pflegemaßnahmen schnell ungeschehen machen.

Und außerdem: Die Autobahn ist nicht weit entfernt, ebenso wenig die Bahnstrecken nach Mühldorf und nach Rosenheim - was, wenn jede einzelne der Lärmquellen unter dem Grenzwert läge, die Summe aber darüber? Kann man das messen? Ja, sagt der Sachverständige. Was das kostet? 20 000 bis 50 000 Euro. Und dauern wird's leicht drei Jahre, bis alles auch noch beim Bundesgerichtshof durch ist.

Da diktiert der Vorsitzende Richter ins Protokoll, die Parteien sollten doch dringend über einen Vergleich nachdenken, zum Beispiel Schallschutzfenster, die die Bahn dann zumindest teilweise finanzieren würde. Zwar schüttelt die Klägerin heftig mit dem Kopf, da werden die Anwälte noch einiges an Überzeugungskraft brauchen. Bis Ende Juli haben sie dafür Zeit, Ende August tritt der Senat zusammen. "Wenn wir da einen Vergleich protokollieren können", sagt der Beisitzer, "können Sie unserem Vorsitzenden seinen letzten Sitzungstag versüßen." Denn dann geht er in Pension.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: