Start-ups in München:Brokkoli ins Haar, Eisenkraut in den Bart

Start-ups in München: Markus Peetz und Lisa Sobotta sind in Asien auf die Idee gekommen, Kunden ihr Shampoo aus Bio-Zutaten selbst mixen zu lassen.

Markus Peetz und Lisa Sobotta sind in Asien auf die Idee gekommen, Kunden ihr Shampoo aus Bio-Zutaten selbst mixen zu lassen.

(Foto: Natalie Neomi Isser)
  • In München haben sich kleine Firmen angesiedelt, die Naturkosmetik herstellen und vertreiben.
  • Die Produkte reichen vom selbstgemischten Shampoo bis zum Bartöl.
  • Nicht nur der Inhalt muss stimmen, auch das Design spielt eine wichtige Rolle.

Von Franziska Gerlach

Es ist noch nicht allzu lange her, da dachte der Großstädter beim Stichwort Naturkosmetik vielleicht an Gurken, die auf Augen ruhen, recht viel mehr konnte er sich nicht darunter vorstellen. Dass sich Argumente wie der Verzicht auf Chemie oder Tierversuche auch vermarkten lassen, wussten die Geschäftsleute zwar, seit der englische Kosmetikhersteller "Body Shop" Deutschland mit einem flächendeckenden Filialnetz überzogen hatte.

Trotzdem - es dauerte seine Zeit, bis sich die grüne Kosmetik ihres Klischees von Klümpchen und Grauschleier entledigt hatte. Heute ist der Verzicht auf umstrittene Substanzen wie Mineralöle und Silikone quasi Pflicht - auch in München. In den meisten Fällen steht hinter einer ansprechenden Verpackung sogar ein stimmiges Konzept. Drei Geschäftsideen aus der Stadt im Überblick.

Shampoo, gemixt

Auch Haare haben Bedürfnisse, eine Einsicht, die nicht erst Hipster erlangt haben. Salbeiextrakt etwa befreit Haare von Fett, sind sie trocken und spröde, helfen Kokosöl und Kakaobutter, mit Brokkolisamenöl ziept es beim Kämmen nicht, Walnuss wiederum intensiviert den Glanz brünetter Schöpfe.

Im Online-Shop von "Mix My Shampoo" ist das individuelle Haarwaschmittel nur ein paar Klicks entfernt. Selbst ob das Haar-Waschmittel nach Zitronengras aus Sri Lanka oder madagassischer Nelke duften soll, kann der Kunde bestimmen. "Bei unseren derzeit 50 Bio-Zutaten ergeben sich mehr als zwei Milliarden Kombinationsmöglichkeiten", wirbt die junge Münchner Firma auf ihrer Homepage.

Die Umsetzung hat ihre Tücken

Die Idee zu einem Shampoo in Bio-Qualität kam Markus Peetz und Lisa Sobotta, beide Ende 20 und auch privat ein Paar, während eines Auslandssemesters im Sommer 2014 im koreanischen Seoul. Dort sei man aus europäischer Sicht vergleichsweise verrückt nach Naturkosmetik. "Von kleinen Nischenläden bis hin zu großen Ketten gibt es da wirklich alles", sagt Peetz. Das Interesse der Münchner war geweckt, paketweise schickten Peetz und Sobotta Haarwaschmittel asiatischer Hersteller in die Heimat. Als sie zurück und die Vorräte aufgebraucht waren, machten sie sich ans Nachahmen - und an die Entwicklung einer Geschäftsidee.

Doch bis das Shampoo angemessen schäumte, musste die Rezeptur diverse Male überarbeitet werden. Ein weiteres Problem: Die Kosmetikrichtlinien der EU schreiben vor, dass jedes Produkt durch einen externes Gutachter lizenziert werden muss, bei Mix My Shampoo ergeben sich aber durch die zahllosen Kombinationsmöglichkeiten der Inhaltstoffe auch zahllose Produkte. "Wir haben aber einen Sicherheitsbewerter gefunden, der mit uns zusammen ein neues Verfahren entwickelt hat", sagen die Münchner Unternehmer.

Anderthalb Jahre lang nahmen sie Hürde um Hürde zum eigenen Kosmetikunternehmen. Inzwischen wirken Kokosfettsäuren und Zuckerrüben als natürliche Schaumverstärker. Einen Produzenten und Geschäftspartner fanden sie in Hicham Najjari, der in Giesing eine Kosmetikfirma mit angegliedertem Labor betreibt. Pläne für die Zukunft? Einige. Zum Beispiel die Suche nach Mangoextrakt in Bioqualität. Das fehlt nämlich noch.

Bartpflege, nicht nur für Hipster

Bartöl, zitronig

Start-ups in München: Bastian Beyer hat ein Bartöl entwickelt, das Schuppen verhindern soll.

Bastian Beyer hat ein Bartöl entwickelt, das Schuppen verhindern soll.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

In einer Münchner Küche sitzen zehn Bartträger, sie schnuppern an Reagenzgläsern, zwischendrin machen sie sich Notizen. Die Geburtsstunde von "Beyer´s Oil" vor einem Jahr darf man sich als Geruchstest vorstellen - schließlich sollte ein Bartöl ansprechend duften, findet Bastian Beyer, der eigentlich als selbstständiger Digitalberater tätig ist. Inzwischen sind seine braunen Fläschchen mit dem Konterfei des Firmengründers auf dem Etikett nicht nur in einigen Läden im Glockenbachviertel zu haben, sondern auch in Barber Shops in Düsseldorf, Nürnberg und Karlsruhe.

Das Öl kommt an, obwohl Beyer seine eigenen olfaktorischen Vorlieben letztlich gar nicht durchsetzen konnte. "Ich selbst mag süßliche Düfte wie Ylang Ylang." Seine Freunde jedoch, aber auch die von Beyer befragten Barbiere, waren eher für eine zitronig-frische Note. Herausgekommen ist ein Pflegeöl, das nach Bergamotte, Eisenkraut und Lavendel duftet. Alles Bio, versteht sich, auch wenn Beyer sich ein teures Biosiegel noch nicht leisten möchte.

Ein Phänomen des Zeitgeists pflegen

Alle paar Monate fährt er in ein Kosmetikunternehmen nach Berchtesgaden und mischt seine Öle. Die Basis ist ein Jojobaöl aus Peru. Das befeuchtet die Haut, und soll verhindern, dass der Bart schuppt. Beyer selbst trägt seit zehn Jahren Bart, er pflegt ihn mit Hingabe, föhnt ihn sogar.

Wie weich ein spezielles Öl den Bart macht, merkte Beyer, als er im Herbst 2014 einen Gutschein für einen Barbierbesuch geschenkt bekommt. Während der Elternzeit recherchiert er wochenlang nach Inhaltsstoffen, vom Etikett bis zur Homepage gestaltet er alles selbst, macht sich viel Mühe mit einem Produkt, das ein Phänomen des Zeitgeistes pflegen soll. Angst, dass es bald vorbei sein könnte mit dem Hype um den Bart, hat Beyer aber nicht. "Das wird schon noch ein paar Jahre anhalten", sagt er.

Anti-Aging-Creme für Männer - und Frauen

Start-ups in München: Alexander Scholz hat der Hautalterung den Kampf angesagt, auch der des Mannes - was einer ganz besonderen Marketingformel bedarf.

Alexander Scholz hat der Hautalterung den Kampf angesagt, auch der des Mannes - was einer ganz besonderen Marketingformel bedarf.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Hautcreme, unisex

Es gab eine Zeit, da hat sich Alexander Scholz nicht darum geschert, womit er sich eincremte. Dass Seren Wirkstoffe tief in die Haut befördern können, wusste er nicht. Und heute? Sitzt der Macher der Anti-Aging-Pflegeserie "Muti" (Modern Unique True Intelligent) mit frischem Teint in seinem Büro an der Auenstraße und sagt: "Die natürliche Hautalterung setzt beim Mann später ein, dafür massiver."

Die Ursachen aber seien dieselben wie bei Frauen. Im Laufe des Lebens verliert die Haut an Elastizität, ab Mitte 30 zeigen sich erste Fältchen, insbesondere, wenn man sich in jüngeren Jahren Zigaretten oder übermäßige Sonnenbäder nicht verkneifen konnte.

Der ehemalige Berater einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat 2011 mit individualisierten Sonnenschutzmitteln in der Branche angefangen, die Herstellung allerdings erwies sich als kompliziert. Vor einem guten Jahr brachte er stattdessen mit seinem Geschäftspartner, dem Chemiker Lutz Lautenbacher, eine Unisex-Pflegeserie gegen Hautalterung heraus. Und wer in letzter Zeit in Hochglanzmagazinen wie Vogue oder Madame geblättert hat, dem dürfte die Münchner Creme schon aufgefallen sein.

Schönheitspflege muss einfach sein

Das schnörkellose Design des Tiegels ist ebenfalls an der Isar entstanden. Es stammt von Grafikdesigner Mirko Borsche, der für die Staatsoper Programme gestaltet und Kreativ-Direktor des Zeit Magazins ist. Damit man im Bad nicht durcheinander kommt, sind die Deckel von Tages-, Augen- und Nachtcreme in unterschiedlichen Pastelltönen gehalten. Zeit ist im Leben des modernen Städters ein rares Gut. Schönheitspflege muss einfach sein, lautet daher die Marketingformel hinter Muti.

Effektiv aber muss ein Produkt auch sein, wenn es ankommen soll: Der wichtigste Inhaltsstoff heißt "fragmentierte Hyaluronsäure", und kann Scholz zufolge das bis zu 6000-fache seines Eigengewichts an Wasser in der Haut binden - die dadurch praller aussieht. Auf Substanzen wie Silikone, Parabene oder Paraffine, die Allergien verursachen können, wird freilich verzichtet. "Das sollte heute zum guten Ton gehören", sagt Scholz. Selbst in einem Unternehmen, in dem einer der Geschäftspartner Chemiker ist.

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