Grüne in München:Neustart nötig

Sabine Nallinger wird OB-Kandidatin der Münchner Grünen, 2012

Bilder aus guten Tagen: Die Grünen-Chefs Katharina Schulze (r.) und Sebastian Weisenburger (l.) freuen sich 2012 über den Neuanfang mit Sabine Nallinger als OB-Kandidatin.

(Foto: Stephan Rumpf)

OB-Kandidatin Nallinger demontiert, der Vorsitzende Weisenburger zurückgetreten, Chefin Schulze will aufhören: Als Oppositionspartei müssen sich die Münchner Grünen wohl oder übel neu erfinden.

Von Dominik Hutter

Einst saßen sie in verschwörerischer Runde am Kneipentisch zusammen: Katharina Schulze war dabei, Sabine Nallinger, Gülseren Demirel und auch Florian Roth. Es war der Trupp, der sich schließlich aufmachen sollte, die Münchner Grünen in eine neue Ära zu führen - auf Augenhöhe mit der SPD, vielleicht sogar ins Büro des Oberbürgermeisters am Marienplatz.

Die Dynamik dieses Aufbruchs fegte den langjährigen Bürgermeister Hep Monatzeder und die Fraktionschefin Lydia Dietrich hinweg. Stattdessen tourte Nallinger mit einem grünen Sofa durch die Stadtviertel und erklärte, was sie als erste grüne Oberbürgermeisterin einer deutschen Millionenstadt alles anstellen würde. Gut möglich, dass sie wirklich daran glaubte - ohne eine gehörige Portion Optimismus tut man sich die Strapazen eines solchen Wahlkampfes nicht an.

Inzwischen sind die Grünen trotz eines guten Wahlergebnisses in der Opposition gelandet. Nallinger ist nicht einmal Zweite oder Dritte Bürgermeisterin geworden, und die einstige Führungsspitze wirkt arg gerupft. Die heutige Landtagsabgeordnete Katharina Schulze wird wohl bei den Vorstandswahlen 2015 nicht mehr antreten und könnte damit aus der ersten Reihe verschwinden. Und ihr Co-Chef Sebastian Weisenburger, auch er ein fester Baustein im Projekt Grünes München, hat in dieser Woche das Handtuch geworfen, weil er sich auf Familie und Beruf konzentrieren will.

Am tiefsten aber ist ausgerechnet die Spitzenkandidatin Nallinger gefallen. Sie findet sich als einfache Stadträtin auf der Oppositionsbank wieder. In der Fraktion haben sich die Machtverhältnisse verschoben, zugunsten von Florian Roth und vor allem von Gülseren Demirel. Die beiden Fraktionschefs müssen die Grünen nun durch eine Phase führen, die man sich doch eigentlich ganz anders vorgestellt hatte. Glanzvoller und vor allem effektiver - denn ob man als Opposition im Rathaus irgendetwas gestalten kann, hängt in erster Linie vom Wohlwollen der Mehrheitsfraktionen ab. Bislang ist trotz vieler Lippenbekenntnisse von einer Beteiligung der vielen kleineren Parteien nichts zu bemerken.

Um Nallinger ist es still geworden

Um Nallinger, die einst in den Stadtversammlungen so viel Applaus auf sich zog, ist es still geworden. Es ist schwer festzumachen, wann eigentlich die Entfremdung zwischen Teilen der Partei und ihrer einstigen Vorzeigefrau begonnen hat. Nallinger selbst glaubt, dass es ihr einige Parteifreunde übel genommen haben, schon ziemlich früh über mehr Eigenständigkeit der Grünen jenseits des Bündnisses mit der SPD sinniert zu haben. Mit der "Offenheit gegenüber anderen Konstellationen", gemeint ist vor allem die CSU, hätten einige Grüne damals nichts anfangen können.

Gut möglich aber auch, dass jener Besuch im Büro des damaligen Bürgermeisters Hep Monatzeder eine Rolle gespielt hat, der im Rathaus wie in der Partei für gehörigen Missmut gesorgt hat. Damals liefen die Dreier-Gespräche zwischen CSU, SPD und Grünen noch - und Nallinger besichtigte schon einmal die Zimmer. Dabei soll sie, so berichten mehrere Insider übereinstimmend, Furcht und Schrecken bei Monatzeders Mitarbeitern verbreitet haben. Man könne vermutlich nicht jeden weiterbeschäftigen, soll sie angekündigt haben - und beim Büropersonal entstand das ungute Gefühl einer Auslese.

Nallinger selbst beschreibt die Situation völlig anders: Die Mitarbeiter, deren Verträge teilweise kurz vor dem Auslaufen standen, hätten selbst bei ihr nachgefragt, da zum damaligen Zeitpunkt ein Einzug Nallingers ins Bürgermeisterbüro als wahrscheinlich gegolten habe. "Ich habe mit allen gesprochen", berichtet sie. Aber eben keinem etwas versprochen. "Ich habe gesagt, dass ich noch nichts zu vergeben habe." Und dass das Personaltableau im Bürgermeisterbüro von der Themenpalette abhängt. Dass Nallinger - wie Rathauskreise berichten - vorgefühlt habe, ob das Bürgermeisterbüro in den ruhigeren, rückwärtigen Trakt des Rathauses verlegt werden könnte, bezeichnete die Politikerin selbst als "Kokolores".

Motto: Da muss was passieren

Es gebe ganz allgemein einen "Vertrauensverlust", berichtet ein Grüner. Weshalb Nallinger dann nicht, was eigentlich naheliegend gewesen wäre, den Fraktionsvorsitz übernehmen durfte. Allerdings scheint die Fraktion mit Demirel und Roth auch sehr zufrieden zu sein - und wollte deshalb keinen der beiden absägen, nur um Nallinger unterzubringen. Die hat dann gar nicht erst kandidiert.

Derzeit spielen Demirel und Roth eine besonders exponierte Rolle im Stadtrat, was womöglich auch daran liegt, dass sich die Neuen erst noch einarbeiten müssen. Beide wirken so, als hätten sie sich bereits an die Oppositionsbank gewöhnt. Sie wollen den Vorteil nutzen, der den Grünen aus den gescheiterten Koalitionsgesprächen erwachsen ist: ein nunmehr nur noch schwarz-rotes Bündnispapier, das unter Mitwirkung der Grünen entstanden ist.

Die darin verwendeten, oftmals sehr schwammigen Formulierungen könnten es den Grünen ermöglichen, vor allem den einstigen Koalitionspartner SPD am Nasenring durch die Arena zu führen - immer dann, wenn sich die beiden "Großen" doch nicht so einig sind wie sie immer behaupten. Das Thema bliebe dann unerledigt - und kann von den Grünen eingefordert werden. Motto: Da muss was passieren, steht schließlich im Koalitionspapier.

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