Gründungen:Platz für Ideen

Fünf neue Genossenschaften in einem Jahr, das hat es lange nicht gegeben. Dass die Gemeinschaftsprojekte wieder boomen, liegt vor allem an der Politik der Stadt

Von Silke Lode

Genossenschaften sind schon lange kein Geheimtipp mehr, wenn es darum geht, eine Alternative zum teuren Münchner Mietmarkt zu finden. Viele Jahre lang war das mit den Genossenschaften eine einfache Sache: Entweder man war einer der Glücklichen, die - vielleicht schon in zweiter oder dritter Generation - einer der alteingesessenen Genossenschaften angehörten, die ansonsten aber eine geschlossene Gesellschaft sind. Oder man versuchte sein Glück bei Wogeno, Wagnis oder Frauenwohnen, die sich in den letzten Jahrzehnten gegründet haben, offen für neue Mitglieder sind und regelmäßig neue Wohnprojekte stemmen.

Doch nun ist Bewegung in die Genossenschaftswelt gekommen, 2015 haben sich zum ersten Mal seit vielen Jahren gleich fünf neue Genossenschaften gegründet. Christian Stupka, der für die Münchner Mitbauzentrale gemeinschaftliche Wohnprojekte berät, macht dafür die Politik der Stadt München verantwortlich: "Die Stadt weist inzwischen beträchtliche Flächen für Genossenschaften aus. Mit dem neuen Programm Wohnen in München VI werden 30 Prozent aller Flächen in Neubaugebieten an Genossenschaften gehen." Zu den Neuen gehört die "Kooperative Großstadt" (siehe oben) genauso wie "Bellevue di Monaco", eine Sozialgenossenschaft, deren Schwerpunkt auf der Arbeit mit Flüchtlingen liegt. Ihr größtes Projekt ist momentan der Umbau eines Hauses an der Müllerstraße für fast 2,5 Millionen Euro, in dem ein Kultur- und Wohnzentrum für junge Flüchtlinge entstehen soll.

Wer mittelfristig eine Wohnung für sich selbst in einem genossenschaftlichen Haus sucht, kann sein Glück auch bei einer der folgenden drei Neugründungen versuchen:

Progeno

Die Progeno war die schnellste im Kreis der neuen Genossenschaften: Im März 2015 wurde sie "von ein paar Leuten gegründet, die es sinnvoll fanden, gemeinsam zu wohnen und das auch noch bezahlen zu können", wie Vorstand Philipp Terhorst sich erinnert. Kurz darauf hat sich die Progeno um ein Baufeld im Prinz-Eugen-Park beworben, dem Gelände der gleichnamigen ehemaligen Kaserne im Münchner Osten - und im Oktober 2015 den Zuschlag bekommen. Inzwischen ist das Grundstück gekauft, 90 Prozent der 48 geplanten Wohnungen sind bereits vergeben, und "die Bagger baggern", wie Terhorst sagt. Im Herbst nächsten Jahres sollen dann die neuen Genossen einziehen. Im Prinz-Eugen-Park kooperiert die Progeno mit Wagnis, einer Genossenschaft, die bereits Erfahrung mitbringt. Mitten in dem gemeinsamen Baufeld ist ein großer Gemeinschaftsraum mit Küche und Lager geplant, viele der Wohnungen sind für Familien gedacht.

Für neue Mitglieder ist die Progeno weiter offen, auch wenn sie nicht schon das nächste Bauprojekt in der Warteschleife hat. "Was wir vermeiden wollen, sind lange Wartelisten", sagt Vorstand Terhorst. "Wir wollen nicht, dass Hausgemeinschaften sich nur aufgrund jahrelanger Wartezeiten bilden, sondern aus Interesse an einem Projekt." Als Auslöser für die neue Gründungswelle nennt auch er die Politik der Stadt München: "Natürlich hat unser Projekt strenge Auflagen und lange Bindungen, aber auf dem freien Markt könnten wir kein Grundstück kaufen. Es gibt in Deutschland nicht viele Städte, die so offensiv versuchen, sozialen Wohnraum anzubieten, wie München." Infos unter www.progeno.de.

Bürgerbauverein

Beim Bürgerbauverein rollen zwar die Bagger noch nicht, dafür hat er sich ein besonders ambitioniertes Projekt vorgenommen: 80 Wohnungen als Teil einer ökologischen Mustersiedlung, ebenfalls im Prinz-Eugen-Park. Die Häuser müssen in Holzbauweise errichtet werden, das höchste soll sieben Stockwerke haben und würde damit zu den höchsten Holzhäusern im ganzen Land gehören. Ein ziemlicher Sprung für ein Projekt, das zunächst nur als kleine Baugemeinschaft gedacht war. "Unser Ziel war es, ein Grundstück im Prinz-Eugen-Park zu bekommen", erzählt Günther Bartl, der inzwischen zum Vorstand des Bürgerbauvereins gehört. "Aber die juristische Konstruktion hat sich als schwierig herausgestellt, eine Genossenschaft ist stabiler." Aus dem ersten Team blieben zwei Leute übrig, später waren es sieben, die die Genossenschaft gründeten - und inzwischen hat der Bürgerbauverein 87 Mitglieder. Ihr Konzept für die Ökosiedlung musste sich in einem Wettbewerb durchsetzen, am Ende hat das Los entschieden. Statiker und Architekt für die drei besonderen Häuser sind ausgewählt, die Planung läuft, im Juni kaufen die Genossen das Grundstück von der Stadt, Anfang 2019 soll Einzug gefeiert werden. Die Auflagen sind strikt, erzählt Bartl: "20 Prozent der Wohnungen müssen für Menschen mit wenig Geld im Rahmen der einkommensorientierten Förderung entstehen, 40 Prozent nach den Einkommensstufen des München Modells und 40 Prozent frei finanziert." Die Zuteilung an diese Einkommensschichten muss die Genossenschaft 60 Jahre lang garantieren - dafür bekommt sie den Grund erheblich günstiger als private Investoren. Wer Interesse hat, kann beim Bürgerbauverein Mitglied werden - eine Garantie für eine Wohnung im Prinz-Eugen-Park gibt es aber nicht mehr. "Wer später kommt, landet eventuell auf einer Warteliste", sagt Bartl. Dann kann es dauern - denn das nächste Projekt hat der Bürgerbauverein noch nicht angestoßen. (www.buergerbauverein-muenchen.de)

WoproM

Auch die Aktiven hinter der WoproM hatten eigentlich eine andere Rechtsform für ihr erhofftes Wohnprojekt im Kopf. Zunächst hatten sie eine Kooperation mit dem Miethäuser Syndikat angestrebt. "Das ist eine Initiative aus Freiburg, die ähnlich wie Genossenschaften darauf setzt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen", sagt Dorothea Leonhardt von WoproM. "Allerdings ist diese Idee noch stärker politisch motiviert, da man den Wohnraum dauerhaft vom Kapitalmarkt nimmt." In München gibt es in der Ligsalzstraße ein solches Syndikatshaus. Leonhardt und ihre Mitstreiter haben sich im Dezember 2015 aus pragmatischen Gründen doch für das Genossenschaftsmodell entschieden: "Die Chancen, von der Stadt ein Grundstück zu bekommen, sind für eine Genossenschaft einfach viel größer." Im Augenblick hat die WoproM zehn Mitglieder und ist auf Grundstückssuche, neue Mitglieder sind willkommen. Sie will etwas anderes sein als die Genossenschaften, die sonst in München aktiv sind, die Wogeno zum Beispiel. "Wir wollen eher im kleinen Stil bauen, unsere Idee geht stärker von einer Gemeinschaft aus", sagt Leonhardt. Sie träumt von eigenen Wohnungen mit kleinen Küchen und großen Gemeinschaftsräumen - möglichst nah an der Innenstadt. "Aber Riem wäre auch okay", so Leonhardt. (www.woprom.de)

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