Gründer unter sich:Einfach machen, egal was

Im Werk 1 am Ostbahnhof trifft sich die Start-up-Szene

Von Alice Hasters

Gründer unter sich: Im Gründerzentrum Werk 1 kümmert sich Florian Bergmann um so ziemlich alles.

Im Gründerzentrum Werk 1 kümmert sich Florian Bergmann um so ziemlich alles.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wer es in der Start-up-Szene zu etwas bringen will, der braucht auf jeden Fall eines: Visitenkarten. Die werden auf dem "BBQ" hinter dem Werk 1 in Berg am Laim fleißig hin und her getauscht. Dazu ist diese Veranstaltung ja auch gedacht: zum Netzwerken. Einmal im Jahr treffen sich Münchner Gründer auf diesem Grillfest, einem sogenannten Casual Event, finanziert vom Freistaat. Für manche Jungunternehmer heißt das: weißes Hemd und Lackschuhe. Andere tragen T-Shirt und Shorts. Mit Porzellantellern in der Hand reihen sie sich vor der Grillstation auf, um ein Stück Fleisch zu ergattern - und ein paar Kontakte.

Es ist einer der wenigen heißen Tage im Juni, mittags um zwölf. Das Werk 1 wirft keinen Schatten auf den Hinterhof. Drinnen haben 37 Start-ups ihren Sitz. Jedes Unternehmen, das hier residiert, darf ein kleines Büro mit Glastür sein Eigen nennen. Jedoch nicht für lange. Zwei Jahre haben die Gründer Zeit, ihr Start-up zu einem richtigen Unternehmen hochzuziehen, dann müssen sie den Platz räumen. Für neue Menschen mit neuen Ideen.

Im Haifischbecken der Gründer geht es ganz schön zahm zu

Nur einer bleibt: Florian Bergmann. Der 28-Jährige leitet das Werk 1 und hält neben Geschäftsführer Franz Glatz die Stellung. "COO" ist seine offizielle Bezeichnung. "Das bedeutet übersetzt: Mensch für alles", sagt er. So stolz wie routiniert läuft er durch die weiß verputzten Flure der alten Fabrikhalle, die 3000 Quadratmeter groß ist. Die schmale Treppe hoch, zum Eventspace. In diesem großen Raum ist Platz für Workshops und Präsentationen. Wohin man schaut: Sofas und Sitzwürfel, in den Büros, im Co-Workingspace ganz oben, im Café ganz unten. Jeder darf diese Orte für sich nutzen, um zu arbeiten, oder für Meetings. Darauf wird in der Start-up-Szene Wert gelegt: Es geht um Austausch, um ein Miteinander. Jeder darf, jeder soll über die Schulter des anderen schauen. Offenheit statt Geheimniskrämerei, Sharing statt Ego-Trip. Im Haifischbecken der Gründer geht es ganz schön zahm zu.

Das mag daran liegen, dass München es der Start-up-Szene möglichst leicht machen möchte. Das Werk 1 wird staatlich gefördert, zusammen mit dem "Media Lab Bayern" und "invest bavaria", zwei weiteren Einrichtungen, die sich der Start-up-Förderung verschrieben haben. Die Stadt und der Freistaat setzen viel daran, Berlin Konkurrenz zu machen. Der Vorteil hier: München ist Heimat vieler Großindustrien, das macht es leichter, Expertise und Investoren zu finden. "Business Angels" heißen sie in der Start-up-Szene.

Ganz selbstlos sind diese Engel natürlich nicht. Große Firmen haben Start-ups als Geldanlage entdeckt. Sie unterstützen sie in ihren Anfängen und werden dafür später am Gewinn beteiligt - falls der irgendwann kommt. Wenn nicht, fängt man einfach wieder von Neuem an. So macht es zumindest Florian, der nicht nur für das Werk 1 zuständig ist, sondern auch selbst Gründer ist. Momentan ist er an drei Startups beteiligt: einer Firma für Klebefolie, einer Unternehmensberatung und einer "Social-Travel-App" names "desimate". Damit können sich Menschen kennenlernen, die den gleichen Reiseweg haben. Eine Mischung aus Tinder, Mitfahrgelegenheit.de und Facebook.

Obwohl er so viele verschiedene Jobs hat, wirkt Florian erstaunlich entspannt: "Ich empfinde das alles nicht als Arbeit." An so einem Tag mit Grillen und Biertrinken ist das nachvollziehbar. Aber ihm gefallen genauso die langen und mühsamen Nächte, wie er sagt. Die Phasen, in denen man wenig Schlaf bekommt und dauergestresst ist. Das sei die Zeit, in der man am kreativsten sein könne, findet Florian. Am liebsten möchte er für immer Gründer bleiben und rechnet vor: Noch wird er etwa 40 Jahre arbeiten, also bleibt ihm noch Zeit für circa zehn Start-ups. Was er gründen möchte, das ist für ihn zweitrangig. Ihm geht es nicht so sehr um das "Was", sondern um das "Wie". Vielleicht irgendwann in einem Co-Workingspace auf Bali oder mit einem Laptop in Lima.

Wer nicht überzeugt ist, hält nicht durch

Einfach machen, einfach anfangen, egal womit - diese Einstellung haben viele im Werk 1. Auch Nikolaj Klebert sagt, er habe schon Gründer werden wollen, bevor er gewusst habe, was er gründen wollte. Nach seinem Studium an der Technischen Universität half Nikolaj, das Start-up "Parce" aufzubauen. Es hat sich dem "Internet der Dinge" verschrieben. Dieser Begriff umfasst Alltagsgegenstände, die alle mit dem Netz verbunden sind; das Thema steht derzeit hoch im Kurs in der Szene.

"Parce" zum Beispiel entwickelt intelligente Steckdosen, die man mit seinem Smartphone steuern kann. "In der Gründungsphase geht es auf und ab, wenn man da nicht von seinem Produkt überzeugt ist, hält man nicht durch", sagt Nikolaj. Mit "Parce" habe es schon öfter Phasen gegeben, in denen es nicht weiter zu gehen schien. Jetzt werde man von Apple unterstützt und haben einen Business Angel gefunden. Bei Nikolaj läuft es gut. Man erkennt es an seiner Visitenkarte: dicke Pappe, doppelseitiger Farbdruck.

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