Gründer:Lunch-App: Jeden Mittag 6,20 Euro vom Chef

Gründer: Ralph Meyer und Florian Gottschaller setzen auf digitale Gutscheine.

Ralph Meyer und Florian Gottschaller setzen auf digitale Gutscheine.

(Foto: Robert Haas)

In jedem Restaurant essen statt nur in der Kantine: Mit einer App wollen zwei Gründer klassische Essensgutscheine ersetzen.

Von Pia Ratzesberger

Ihre Jobs seien ganz okay gewesen, sagen die beiden Herren am Tisch, aber das ist ziemlich untertrieben. Der rechte, Florian Gottschaller, der sich mit Flo vorstellt, wie man das unter Gründern so macht, war früher Investmentbanker in London. Morgan Stanley, Bear Stearns, diese Liga. Der linke, Dr. Ralph Meyer, also einfach nur Ralph, war Unternehmensberater bei Roland Berger, Aviation Expert, selbst viel im Flieger. Beides Jobs, bei denen man sich viele Gedanken um das Geld anderer machen muss, wenig um sein eigenes. Bei denen man allerdings auch nicht vor Finanzkrisen gefeit ist oder, vielleicht noch schlimmer: vor Langeweile.

Halb eins, die beiden Herren sitzen am Tisch in der Pescheria an der Fraunhoferstraße, sie verdienen ihr Geld nun mit Mittagessen, wo also könnte man besser über ihr neues Geschäft reden. "Wir machen jetzt work hard, play hard", sagt Meyer und lehnt sich zurück, Gottschaller legt die Stirn in Falten und streckt abwehrend die Hand aus: "Komm, das ist viel zu abgedroschen, das sagen doch alle Gründer."

Chefs können mit der App Geld für's Mittagessen schenken

Wie alle Gründer wollen sie nicht sein, mit ihren 42 Jahren, doch genau wie bei den jungen Unternehmern geht es bei ihnen erst einmal um eine App. Gottschaller und Meyer haben die Anwendung Lunchit entwickelt, die es den Münchnern und allen anderen Deutschen ermöglichen soll, an einem Arbeitstag günstig essen zu gehen, auch jenseits der Kantinen. Gottschaller blickt auf die Tageskarte, Pasta al Ragu, Garnelen, er checkt die Preise. Etwas mehr als sechs Euro könnte er schon einmal abziehen.

Denn Vorgesetzte können ihren Mitarbeitern mit seiner App bis zu 6,20 Euro für jedes Mittagessen schenken, steuerfrei. Gutscheine zum Essen oder andere sogenannte Sachzuwendungen begünstigt der Gesetzgeber, die Idee diese Steuervorteile zu nutzen ist nicht neu. Gottschaller schiebt ein ledernes Mäppchen über den Tisch, darin ein verblichener Essensgutschein. Solche Gutscheinsysteme verkaufen Firmen wie zum Beispiel Edenred aus Frankreich seit Jahren an Konzerne, deren Mitarbeiter können die Tickets in Partner-Restaurants einlösen.

Bei manchem Münchner Lokal geben Kunden in einem Monat mehrere Tausend solcher Essensgutscheine ab, die Restaurants allerdings müssen diese erst bei der Firma einreichen, die Kunden können nur zu registrierten Läden. Gottschaller und Meyer finden: viel zu viel Bürokratie.

Sie verkaufen Firmen bereits ein ähnliches Gutscheinsystem, nur da geht es nicht ums Essen, sondern um Kreditkarten, mit denen ein Chef seine Mitarbeiter belohnen kann. Spendit nennt sich das, um die 32 Mitarbeiter, Sitz im Glockenbachviertel. Mit Spendit machen die Gründer bereits Gewinn, mit Lunchit nicht. Mehr als 250 Firmen hätten Gottschaller und Meyer in vier Monaten gewonnen, sagen sie selbst - die App nutzen auch viele Mitarbeiter von Restaurants, von Hans im Glück zum Beispiel, wenn sie mittags den eigenen Laden verlassen, um woanders zu essen.

Warum die App Steuerhinterziehung erschweren soll

Meyer bestellt einen Teller Pasta, 9,90 Euro, Gottschaller das Fischgericht aus dem Mittagsangebot, 12,50 Euro, später scannt er die Rechnung mit der App auf seinem Smartphone. Wäre er ein Mitarbeiter und nicht sein eigener Boss, könnte sich eben dieser Boss sicher sein, dass er auch wirklich Mittagessen war und den Gutschein nicht gegen Zahnpasta oder Zeitschriften eingelöst hat, denn die Gutscheine gelten auch für Supermärkte.

Auch Alkohol und Zigaretten sind tabu, die App dokumentiert, wenn der Mitarbeiter das Geld für anderes verprasst. Gottschaller erzählt vom bayerischen Finanzministerium, vom Münchner Finanzamt, die Leuten dort hätten sie unterstützt, sagt er, weil die App es schwerer mache, Steuern zu hinterziehen.

Das digitale System entlaste die Gastwirte

Beim bayerischen Landesamt für Steuern heißt es, man begrüße jeden Beitrag zur Vermeidung von Steuerbetrug, zu Einzelfällen wie der neuen App könne man aufgrund des Steuergeheimnisses allerdings keine Auskunft geben. Beim bayerischen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga sieht man die Anwendung als logische Entwicklung, die Welt sei schließlich digitalisiert und "die App entlastet die Gastwirte, weil die keine Gutscheine mehr sammeln und abrechnen müssen". Dass der Gast überall essen gehen kann, die Restaurants keine offiziellen Partner mehr sind, sei kein Nachteil, sagt ein Sprecher: "In den klassischen Ticketsystemen konkurrieren auch viele Partnerbetriebe untereinander, sodass schon immer der Gast entschieden hat."

Der Kellner räumt den Fisch ab, dass der 12,50 Euro gekostet hat, weiß Lunchit jetzt, die App sammelt mit jedem Mittagessen sensible Daten, sie weiß, wer was wann wo verzehrt hat. Diese Daten aber wollen Gottschaller und Meyer nicht verwenden, sagen sie selbst, nicken sich zu, "weißt du noch", sagt Gottschaller, "als ich dich damals vom Strand von Pampelonne anrief und dich fragte, ob wir zusammen was hochziehen wollen?" "Ich stand da gerade am Postamt in Solln", sagt Meyer, "und das sagt eigentlich schon alles über uns aus", schiebt er nach. Er grinst. Die beiden erinnern an Dirk Stermann und Christoph Grissemann aus der Talkshow "Willkommen Österreich", sie nehmen den anderen nicht allzu ernst, aber sich selbst eben auch nicht.

Warum nicht einfach eine Gehaltserhöhung?

Hatten sie schon nach dem Studium die Jobs, die alle wollten, haben Gottschaller und Meyer die auch heute wieder. Wollten früher die Jungen mit Zeugnis zu den Investmentbanken und Unternehmensberatungen, klingt es heute besser, selbst zu gründen; auch für Florian Gottschaller und Ralph Meyer, also für Flo und Ralph. Die Finanzkrise brachte Gottschaller vom Investmentbanking ab. Die Langeweile Meyer vom Beraterdasein.

Bleibt die Frage, warum Vorgesetzte ihren Mitarbeitern überhaupt 6,20 Euro je Mittagessen zuzahlen sollten, selbst wenn die Summe steuerfrei ist? Das mag eine nette Geste sein, die anspornt, das würde aber wohl auch eine Gehaltserhöhung tun. Florian Gottschaller ordert noch einen Espresso, die Frage kennt er, aber was gebe es schon für eine bessere Belohnung für die Mitarbeiter als ein gutes Essen? "Ist ja auch Lifestyle, sich bewusst zu ernähren." Und dann noch die Steuern.

Wenn man einem Mitarbeiter 250 Euro mehr Gehalt zahle, kriege der nach Abzug vielleicht nur 100 bis 150 Euro davon, mit den Gutscheinen allerdings kommt man auf ungefähr 558 steuerfreie Euro im Jahr. Er hebt die Hand, bestellt die Rechnung. Es sei aber doch etwas anderes, mit 40 zu gründen als mit 20, sagt er noch. "Wir sind jetzt aus dem Alter raus, in dem wir in Berlin an der Bar abhängen müssen und erzählen, was für coole Gründer wir sind." Er erzählt es dann aber doch noch einmal.

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