Großhadern:"Ich liebe jene Momente der Stille"

Großhadern: Runterkommen und loslassen: Klaus Harder genießt vor allem die frühen Morgenstunden auf dem Waldfriedhof.

Runterkommen und loslassen: Klaus Harder genießt vor allem die frühen Morgenstunden auf dem Waldfriedhof.

(Foto: Catherina Hess)

Klaus Harder schließt jeden Morgen die Friedhofstore auf

Von Nicole Graner

Jeden Tag um halbsechs Uhr früh ist es soweit: Klaus Harder schwingt sich auf sein Fahrrad und fährt von Friedhofstür zu Friedhoftür, elf Tore muss er aufschließen. Jeden Tag. Der 62-Jährige liebt diese Zeit am Morgen, und er lässt sich Zeit. "Warum hetzen?", sagt er. Zeit, die er auch schon mal auf einer Bank verbringt, Rehe mit ihren Jungtieren beobachtet und den Geräuschen lauscht: dem Wind in den Blättern der Bäume, dem Gesang der Vögel. Da er neben den Friedhofsführungen auch für den Natur- und Artenschutz auf dem Waldfriedhof zuständig ist, kann er die Vogelstimmen alle unterscheiden. Er lauscht, genießt die Stille in den frühen Morgenstunden - und fühlt sich wunderbar: "Ich bin in diesem Moment zufrieden. Das Runterkommen, das Loslassen - "eigentlich nur hier kann man das begreifen."

Geht man mit ihm über den Friedhof, auf kleinen Wegen, auf großen, ist er ruhig und gelassen - mit großer Achtsamkeit für die Natur in "seinem" Waldfriedhof. "Diese Weißtanne ist bestimmt 90 bis 100 Jahre alt." Sagt es und fügt dann leise an, dass diesem Baum nichts passieren dürfe. Er spricht von Hainbuchen, vom Feldahorn. Bleibt plötzlich stehen und entdeckt ein Rotkehlchen. Und dann geht er zu den Fledermäusen, die in den Silberweiden im südlichen Teil des Friedhofs hausen.

Beginnen Beerdigungen, hört Harder auch das - am Geläut der Glocken während des Trauerzuges. Und er weiß, wann viele Besucher unterwegs sind; viele leise Stimmen verraten ihm das. Besonders an den heißen Tagen sei viel los auf dem Friedhof: "Da kommen alle und wollen gießen." Das Klappern der Gießkannen sei dann auch ein besonderer Ton des Friedhofes. Harder kennt die Gräber. Er weiß, welches schon lange nicht mehr gepflegt worden ist. Dann klebt er einen gelben Zettel an die Grabstätte mit dem Hinweis, dass sich die Besitzer dringend bei der Friedhofsverwaltung melden sollen. Dreimal wird geklebt, dann werden Briefe geschrieben. Meldet sich keiner, wird das Grab eingeebnet.

"Ich liebe meine Arbeit" sagt der 62-Jährige, "ich liebe jene Momente der Stille. Die Vögel und ich. Ein wunderbarer Klang." Und die tägliche Berührung mit dem Tod? Sie hat nichts Schlimmes für ihn. Der Tod gehört zu seinem Leben dazu.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: