Großhadern:Freiheit im Klassenzimmer

Großhadern: Lernen nach Lust und Laune: Nach dem Konzept von Maria Montessori dürfen die Schüler ihre Unterrichtsmaterialien eigenverantwortlich aussuchen.

Lernen nach Lust und Laune: Nach dem Konzept von Maria Montessori dürfen die Schüler ihre Unterrichtsmaterialien eigenverantwortlich aussuchen.

(Foto: Hess)

In der Montessori-Schule an der Heiglhofstraße bestimmt nicht der Schulgong den Wechsel der Fächer, sondern die Schüler selbst. Von Herbst an wird die Einrichtung Zuwachs von bis zu 80 Kindern bekommen

Von Johannes Korsche, Großhadern

Dass der Unterricht in Elke Pleschs Klasse anders abläuft als in einer staatlichen oder städtischen Grundschule, sieht man auf den ersten Blick. Die Schulbänke sind nicht in den üblichen Reihen angeordnet, sondern in Gruppen zusammengestellt. Sie sind wie Farbtupfer in dem Raum verteilt. Das Lehrerpult steht nicht direkt vor der Klasse oder der Tafel, sondern etwas zur Seite verschoben. Schon die Raumgestaltung verhindert Frontalunterricht. Plesch sitzt auch nicht an ihrem Pult oder schreibt an der Tafel. Sie geht von einer Tischgruppe zur nächsten. Plesch ist Lehrerin der Klasse 1 c an der Montessori-Schule an der Heiglhofstraße, betrieben von der Stiftung Aktion Sonnenschein.

In Pleschs Klasse bestimmt nicht der Schulgong den Wechsel des Unterrichtsfaches, das läuft hier anders, zum Beispiel so: Ein Schüler meldet sich, Plesch kommt zu seinem Platz und beugt sich zu ihm herunter, guckt prüfend in sein Heft und nickt. Der Junge steht auf, geht zu einem Regal an der Wand des Klassenzimmers und räumt sein Schulheft auf. Anschließend zieht er ein kleines Kästchen aus dem Regal. "Jetzt beginnt für ihn die Freiarbeit", erklärt Annekatrin Rittmeyer-Breu. Sie ist stellvertretende Schulleiterin und besonders für die ersten vier Jahrgangsstufen zuständig; die Ausbildung an der Großhaderner Montessori-Schule geht bis zum sogenannten M-Zug. Wer die Aufgaben des "gebundenen Unterrichts" abgeschlossen hat, "wählt seine Lernmaterialien selbst aus", sagt Rittmeyer-Breu. Etwa eine Art Memory-Spiel, um den Wortschatz zu erweitern oder kleine, farbige Kügelchen an einem Band zum Rechnen üben. Die Regale bieten eine große Auswahl - alle sind sie einst von Maria Montessori und ihrem Sohn Mario entwickelt worden.

Die "Freiarbeit" ist ein Herzstück des Stundenplans. Die Wahlfreiheit steht zwar im Vordergrund, aber der "Lehrer begleitet und steuert die Freiarbeit", sagt Rittmeyer-Breu. "Wenn ein Kind seit beispielsweise sechs Wochen keine Mathematik-Materialien angefasst hat, dann soll der Lehrer ihm auch mal was Neues zeigen", sagt Schulleiter Heribert Riedhammer, der seit 27 Jahren an der Montessori-Schule unterrichtet.

Das Konzept scheint aufzugehen. Obwohl inzwischen die meisten Schüler in Pleschs Klasse ihren Platz verlassen haben und manche sich zu zweit beschäftigen, herrscht eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre in dem Klassenzimmer.

Zwei Mädchen gehen sogar aus dem Klassenzimmer auf den "Dorfplatz", um dort zu arbeiten. "Das ist unsere Spezialität", sagt Riedhammer. Jede Jahrgangsstufe bewohnt ein so genanntes Bildungsdorf. Durch eine Glastür vom Rest des Schulhauses abgetrennt, kommen die Schüler auf ein als Dorfplatz ausgewiesenes Areal. Von ihm gehen die Klassenräume der Jahrgangsstufe weg. Der zentrale Platz soll ein Treffpunkt für die Schüler sein, etwa mit Schülern der "A-Klassen", in denen Kinder mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung speziell unterrichtet werden. Die anderen beiden Klassen sind inklusiv zusammengesetzt. Etwa die Hälfte der Schüler in der Grundschule hat einen Förderbedarf. Die Kinder sollen "Inklusion erleben", sagt Rittmeyer-Breu.

Daran erinnert auch ein großer Schriftzug auf dem Pausenhof. "Vielfalt", ist da mit bunten Handabdrücken auf den Boden geschrieben. Eine Idee der Schüler, bei deren Umsetzung sich alle - bis hin zur Geschäftsführung - beteiligten. Anders als in der Montessori-Grundschule an der Reutberger Straße in Sendling, die zum Schuljahresende schließen muss, sind die Klassen in Großhadern nicht jahrgangsübergreifend zusammengesetzt. "Die Klassen sind so schon sehr heterogen. Das wäre dann zu viel Durchmischung", sagt Riedhammer.

Daran wird auch der Umzug von circa 80 Grundschülern aus Sendling nach Großhadern nichts ändern. Sie werden im kommenden Schuljahr auf die bestehenden Klassen aufgeteilt, insgesamt wird es dann vier Klassen pro Jahrgang geben. "Wir wünschen uns und hoffen, dass alle kommen", sagt Riedhammer. Bis Ende Juli können die Eltern entscheiden, ob ihr Kind weiterhin eine Montessori-Schule besuchen soll oder eine Schule in der Sendlinger Nachbarschaft. Schüler mit Förderbedarf haben einen Anspruch darauf, zur Schule gebracht und abgeholt zu werden. Wie der Schulweg der anderen Schulkinder aussehen könnte, steht allerdings noch nicht fest. Insgesamt rechnet Riedhammer im kommenden Schuljahr mit circa 570 Schülern, die die Großhaderner Montessori-Schule besuchen. Er freut sich auf noch mehr Vielfalt an der Heiglhofstraße.

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