Großgastronomen:Wie die Wiesnwirte die Münchner Gastronomie beherrschen

Lokal "Paulaner-Wirtshaus am Nockherberg" in München, 2015

Von einem Wiesnwirt zum anderen: Peter Pongratz hört als Wirt des Paulaner am Nockherberg auf, dafür übernimmt Christian Schottenhamel, der seinen Löwenbräukeller an den Kollegen Edi Reinbold abgibt.

(Foto: Florian Peljak)

Auf dem Oktoberfest verdienen 14 Wirte mit den großen Zelten gutes Geld, doch auch jenseits der Theresienwiese mischen die meisten mit ihren Familien kräftig mit.

Von Franz Kotteder

Helle Aufregung scheint sieben Monate lang in München geherrscht zu haben, wenn man der Berichterstattung mancher Medien glauben kann. Ende April hatte die SZ berichtet, dass der Bierkeller am Nockherberg umgebaut und von Mai 2017 an saniert wird. Und auch, dass sich sein Wirt Peter Pongratz, der auf der Wiesn das große Paulanerzelt "Winzerer Fähndl" betreibt, dann zurückziehen wird. Ebenfalls erwähnt wurde, dass das terminlich dem Wiesnwirt Christian Schottenhamel sehr entgegenkommt, weil der den Nockherberg dann praktisch nahtlos übernehmen kann. Derzeit führt er noch den Löwenbräukeller am Stiglmaierplatz, aber den muss er 2017 räumen.

Ein anderer Wiesnwirt, Edi Reinbold, hat den nämlich gekauft und möchte ihn danach selbst bespielen. Die Abendzeitung schaffte es dann, im August und Oktober jeweils "exklusiv" zu melden, dass Schottenhamel den Nockherberg übernimmt. Bis Paulaner am Dienstag dieser Woche endlich ein Einsehen hatte und bekanntgab, dass er und sein Geschäftspartner Florian Lechner tatsächlich den Zuschlag bekommen. Exklusiv war die Nachricht dann nicht mehr, aber immerhin.

Man sieht daran zweierlei: Wiesnwirte sind offenbar nicht die kleinsten Lichter in der Münchner Gastronomie, sondern von allergrößtem öffentlichen Interesse, und bei allen bedeutenderen Objekten haben sie meist ein Wörtchen mitzureden. Das nährt natürlich den Mythos von den steinreichen Strippenziehern. Ein Ruf, den sie in weiten Teilen der Münchner Bevölkerung bis heute haben, man glaubt halt gerne an ein Kartell der Zeltbarone, die angeblich den Bierpreis rein nach ihrer Raffgier bemessen und sonst den Rest des Jahres damit beschäftigt sind, darauf zu achten, dass der heimische Geldspeicher immer schön bis zum obersten Rand gefüllt bleibt.

Wahr ist, dass die wenigsten Wiesnwirte bislang bei der Armenspeisung im Kapuzinerkloster beim Alten Südfriedhof vorstellig wurden. Höchstens als Spender milder Gaben. Darüber hinaus handelt es sich bei ihnen aber um vergleichsweise normale, alteingesessene Wirtsfamilien und Vollblutgastronomen, die es im Kreuz haben, auch einen komplexen Betrieb erfolgreich zu führen. Ganz so einfach ist das nämlich keineswegs.

Nicht umsonst überleben viele Lokale, Kneipen, Bars und Restaurants ihr erstes Jahr nach der Eröffnung gar nicht. Man muss also schon was draufhaben in diesem Job. Und so verweist der Wiesnwirtesprecher Toni Roiderer, wenn es ums Geld geht, gerne auf die Bundesliga: "Ein Fußballer vom FC Bayern spielt ja schließlich auch nicht für ein Drittligagehalt."

Dabei ist Roiderer ein eher untypischer Wiesnwirt. Er betreibt neben dem Hackerzelt nur noch die Gaststätte Zum Wildpark in Straßlach. Sonst gehört ihm zwar auch noch so allerhand, aber eben kein Wirtshaus in München. Das verbindet ihn wiederum mit Georg und Renate Heide.

Die Heides sind die zweitälteste Wiesn-Dynastie, ihre Familie ist seit 80 Jahren mit dem Bräuroslzelt auf dem Oktoberfest, aber ihre Großgaststätte Heide-Volm liegt draußen vor den Toren der Stadt in Planegg. Vergleichsweise zurückhaltend sind auch Vater Manfred und Sohn Thomas Vollmer vom Augustinerzelt. In München sind sie vor allem als Wirte der Augustiner Großgaststätten in der Fußgängerzone und der Augustiner Bräustuben am Stammsitz der Brauerei bekannt.

Eine Ausnahme stellt auch Wiesnwirte-Neuling Siegfried Able (Marstallzelt, seit 2014) dar. Er wird von den meisten Wiesnwirten immer noch geschnitten und ist kein klassischer Wirt, weil er kein Wirtshaus betreibt. Dafür aber einen großen Catering- und Eventservice, im Sommer den See-Biergarten Lerchenau und im Winter den Eiszauber am Stachus, die Gastronomie im Tierpark Hellabrunn sowie verschiedene Bonbonstände am Hauptbahnhof. Alter Gastronomen-Adel ist das natürlich nicht, und dann hat Able auch nicht Koch, Metzger oder Hotelkaufmann gelernt wie viele seiner Kollegen, sondern Schreiner.

Wie kommt es, dass Wiesnwirte die Bierkeller unter sich aufteilen?

Abgesehen von Able aber gibt es schon immer wieder Verbindungen zwischen den 14 Wirten der großen Zelte. Schließlich vertritt man gemeinsam seine Interessen in der Vereinigung der Wiesnwirte, legt für wohltätige Zwecke zusammen und jedes Jahr einen gemeinsamen Festkrug der Wiesnwirte auf. Die Familien kennen sich seit Jahrzehnten. Manche verstehen sich besser, manche etwas schlechter - wie das halt so ist unter Kollegen, die normalerweise kein großes Problem mit Konkurrenz haben, weil ohnehin genug für jeden da ist.

Was wiederum nicht heißen muss, dass man als Wiesnwirt allzu leicht genügsam wird. Die meisten sind nach wie vor recht rührig, wenn es um die Ausweitung und Erweiterung ihrer Geschäftsfelder geht. Schließlich wollen die jedes Jahr auf dem Oktoberfest umgesetzten Millionen wieder investiert und angelegt werden. Und die Fähigkeiten, die man braucht, um eine derart anspruchsvolle Gastronomie wie ein Wiesnzelt zu führen, mit all seiner komplizierten Logistik und den vielen Beschäftigten in Küche, Service und beim Wachdienst, kann man ja durchaus auch das Jahr über gut nutzen.

So ist es kein Wunder, dass die Wirte und ihre Familien große Gaststätten und Restaurants betreiben, gelegentlich auch Hotels führen und Cateringfirmen. Und wenn noch etwas übrig bleibt für weitere Investitionen, dann wird es gerne in Betongold angelegt, in Immobilien oder im Baugewerbe sowie in diversen Beteiligungen.

Wie kommt es also, dass am Ende Wiesnwirte die großen Bierkeller unter sich aufteilen? Im Fall von Löwenbräukeller und Nockherberg beantwortet sich die Frage fast von selbst. Schützenzeltwirt Edi Reinbold, der mit seinen Söhnen Mathias und Ludwig auch noch das Hotel Drei Löwen und den berühmten Franziskaner betreibt, soll den Löwenbräukeller vergleichsweise günstig bekommen haben. Er gehörte zuvor - wie der Franziskaner heute noch - der Vermögensverwaltung des Barons von Finck, der mit Reinbold gut bekannt ist und der einst einen erheblichen Anteil von Löwenbräu und Spaten besaß. Und wie kam Schottenhamel an den Nockherberg von Paulaner, wo er doch sonst mit seiner Wiesn-Festhalle und seinem Biergarten Menterschwaige an den Konkurrenten Spaten/Löwenbräu gebunden ist?

Es reicht da wohl die ganz banale Erklärung: weil er es kann. Paulaner-Chef Andreas Steinfatt kennt ihn natürlich gut und weiß, dass er es ihm zutrauen kann, so einen großen Gaststättenbetrieb erfolgreich zu führen. Vergleichbare Referenzen haben sonst ja auch nur 13 andere in München. Die meisten von ihnen sind aber, wie gesagt, schon ganz gut ausgelastet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: