Flüchtlinge in München:München will trotz Planungsstopps weiter Asylheime bauen

"Young Refugee Center" in München, 2016

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter sieht sich im "Young Refugee Center" um, einer Unterkunft der Stadt für minderjährige Flüchtlinge.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Unter Zeitdruck hatten die Kommunen in der Region Tausende Plätze geschaffen, um die neu ankommenden Asylbewerber unterzubringen.
  • Jetzt hat die Regierung von Oberbayern die Bemühungen gestoppt.
  • Die Stadt München zum Beispiel will ihre geplanten Unterkünfte dennoch bauen - denn sie werden auch künftig gebraucht.

Von Sven Loerzer

Es war ein enormer Kraftakt. "Wir haben alles in Bewegung gesetzt, um Unterkünfte zu schaffen", sagt der Münchner Sozialreferatssprecher Frank Boos. Rund 9200 Flüchtlinge sind derzeit in staatlichen und städtischen Unterkünften untergebracht, nicht eingerechnet die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Für das laufende und das nächste Jahr hatte der Stadtrat bereits beschlossen, die Kapazitäten auf 12 300 Plätze auszubauen. Nun wiederum stellt der drastische Rückgang der Ankunftszahlen die Stadt vor ein ganz anderes Problem.

Der Freistaat, der für die Unterbringung von Asylbewerbern bezahlt, hat im April vorläufig die Bremse gezogen: Kommunen müssen sich jetzt mit der Bezirksregierung zuvor abstimmen und eine Freigabe einholen, bevor sie weitergehende finanzielle Verpflichtungen für Unterkünfte eingehen. Sonst könnten sie auf den daraus entstehenden Kosten sitzenbleiben.

In der Landeshauptstadt sind davon 25 bereits vom Stadtrat beschlossene Objekte mit 7200 Plätzen betroffen, die sich schon in der konkreten Umsetzung befinden. "Teilweise wurden Mietverträge bereits durch das Kommunalreferat abgeschlossen, das Baureferat hat zum Teil schon Aufträge an Generalunternehmer vergeben oder es wurden in vielen Fällen auch schon Zuschläge für den Betrieb erteilt oder die Asylsozialbetreuung durch die Träger zugesichert", fasst ein Bericht des Sozialreferats zusammen, der eigentlich schon dem Stadtrat vorgelegt werden sollte. Weil aber das Gespräch mit der Regierung von Oberbayern erst an diesem Freitag stattfindet, wurde die Vorlage "Strategie Flüchtlingsunterbringung" wieder von der Tagesordnung des Ausschusses für Standortangelegenheiten für Flüchtlinge abgesetzt.

Durch die bislang geschlossenen Verträge seien bereits Gelder in Millionenhöhe gebunden oder für erbrachte Leistungen ausbezahlt, heißt es in dem Papier. So seien bei sechs Objekten schon Mietverträge abgeschlossen, in drei weiteren Fällen sind die Verhandlungen soweit fortgeschritten, dass eine vorvertragliche Bindung bestehe. In einigen Fällen sei vereinbart, dass der Vermieter den Umbau übernimmt und diese Kosten abrechnet. Das könnte zu Schadenersatzforderungen in sechsstelliger Höhe führen.

Für zwei Unterkünfte sei der Zuschlag für den Betrieb erteilt, für 23 Unterkünfte ist die Asylsozialbetreuung vereinbart. So seien dafür wegen der Vorlaufzeiten auch die Wohlfahrtsverbände schon vertragliche Bindungen eingegangen. In fünf Fällen ist die Vergabe der Planung erfolgt, in 13 Fällen ist ein Generalunternehmer mit den Bauarbeiten beauftragt. "Insgesamt wird deutlich, dass bei einem Stopp dieser Planungen Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe zu erwarten sind", befürchtet das Sozialreferat.

Die Flüchtlinge müssen auch weiterhin untergebracht werden

Auch wenn die weitere Entwicklung der Flüchtlingszahlen schwer abzuschätzen sei, will das Sozialreferat an seiner Planung festhalten. Auf zwei neue Leichtbauhallen habe man jetzt verzichtet, erklärt Boos, nun sollten die sechs bestehenden mit knapp 1200 Plätzen ersetzt werden. "Leichtbau- und Gewerbehallen waren ohnehin nur befristet als Notreserve gedacht." Ein oder zwei Leichtbauhallen werden wohl zu diesem Zweck stehen bleiben.

Die 25 Objekte, die derzeit dem Vorbehalt der Freigabe durch die Regierung unterliegen, werden aber vor allem als Ersatz für wegfallende Standorte benötigt: Allein in diesem Jahr sind davon 1650 Plätze aus unterschiedlichen Gründen betroffen, etwa weil Verträge für Zwischennutzungen auslaufen, im nächsten Jahr fallen sogar 4200 Plätze weg. So benötigt die Stadt allein rund 7000 Plätze und damit alle 25 Objekte, selbst wenn ihr die Regierung keine weiteren Flüchtlinge mehr zur Unterbringung zuweisen sollte.

Außerdem dürften 3700 Menschen aus Syrien, Afghanistan und Irak, die in Unterkünften leben, ihre Anerkennung als Flüchtlinge erhalten. Bis sie eine Wohnung finden, muss die Stadt für ihre Unterbringung sorgen. Die Suche nach Quartieren wird also weitergehen.

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