Große Gefühle:Spannung gibt es bei Rosamunde Pilcher, aber nie das große Drama

Große Gefühle: Solche Bilder lieben die Pilcher-Fans: Grandiose Schlossgärten in Cornwall wie hier im Park des Edgecumb House in Plymouth.

Solche Bilder lieben die Pilcher-Fans: Grandiose Schlossgärten in Cornwall wie hier im Park des Edgecumb House in Plymouth.

(Foto: Günther Lenz/Mauritius)

Heidi Ulmke produziert die Filme seit 23 Jahren. Ihr Credo: keine Drogen, keine Gewalt, keine Schimpfworte. Sex in Maßen ist aber okay.

Von Anne Kathrin Koophamel

Heidi nennen sie ihre Enkel. Nie Oma, nie Großmutter, nie Oma-Heidi. Und auch am Film-Set wird dieser Name, dieses sonst lässig besetzte "Heidi" mit Respekt, fast Ehrfurcht ausgesprochen. Schultern straffen sich. Schauspieler Francis Fulton-Smith neigt leicht den Kopf, als er Produzentin Heidi Ulmke begrüßt, Regisseur Marco Serafini unterbricht die Szene am Pier in Cornwall. Ganz klar: Diese kleine, zierliche Münchnerin ist eine Grande Dame.

Eine Grande Dame der leichten Unterhaltung. Alle 103 Filme der ZDF-Erfolgsreihe "Rosamunde Pilcher" hat Heidi Ulmke produziert. Sie hat einstigen Jungschauspielern wie Maria Furtwängler, Elmar Wepper, Axel Milberg oder Michaela May zur Beginn ihrer Karriere zu großen Rollen verholfen. Sie hat aus der armen Gegend Cornwall einen Sehnsuchtsort der Deutschen gemacht, so dass ganze Busladungen heute nach Südengland reisen. Und vor allem: Sie unterhält mit ihren Filmen seit 23 Jahren kontinuierlich 6,5 Millionen TV-Zuschauer pro Folge in Deutschland. "Es war harte Arbeit. Ich habe nie an das Glück allein geglaubt", sagt Heidi Ulmke selbst.

Wenn an diesem Sonntag in der 99. "Pilcher"-Ausstrahlung der Helikopter wieder über die Klippen Cornwalls schwenkt, dann glauben die Deutschen aber genau daran: An das Glück, die große Liebe, die Tradition der Familie. An die heile Welt. Nur für die in Schwabing lebende Produzentin ist der Sonntagabend Stress pur. "Die Filme sind für mich wie Kinder, die man versucht hat, gut groß zu ziehen. Aber wenn ich sie sehe, rege ich mich über Fehler auf, über was wir anders, besser hätten machen können. Am Ende ist es mir nie perfekt genug und ich zittere morgens nach der Sendung, bis ich die Quoten gesehen habe."

Große Gefühle: In die Pilcher-Filme steckt Heidi Ulmke ihre ganze Energie. Die Zuseher lieben die romantischen Schauplätze in Cornwall.

In die Pilcher-Filme steckt Heidi Ulmke ihre ganze Energie. Die Zuseher lieben die romantischen Schauplätze in Cornwall.

(Foto: Catherina Hess)

Dass Quoten, Schauspieler und das ZDF ihr Leben prägen würden, damit hatte Ulmke nie gerechnet. Sie studierte Pädagogik während der wilden 68er Jahre in Frankfurt. "Aber Lehrerin liegt mir nicht, das war schnell klar." Bei Protesten gegen den Vietnamkrieg lernte sie dann Regisseure wie Alexander Kluge kennen. Für die damals 23-Jährige ein Traum. Sie war Studentin, hatte einen zweijährigen Sohn, ihr Ehemann war gerade gestorben. Bisher hatte sie Häuser besetzt, die ersten Kitas Frankfurts mitbegründet, gegen das Establishment demonstriert. Von Glanz, Glamour und dem Zauber des Roten Teppichs war sie ganz weit weg.

"Der Zufall hat mich geleitet. Ich wollte nie in die Filmbranche, und auf einmal schlug sich diese Welt wie ein bunter Fächer vor mir auf. Ich konnte reisen, mich anders informieren, kreativ sein. So viel hatte ich vom Leben nie erwartet." Ersten politischen Projekten folgten Kinderfilme wie "Käpt'n Blaubär" und "Das Sandmännchen" mit ihrem Partner Michael Smeaton, später Serien über Ost- und Westdeutschland, über Singles, über Armee-Piloten. Als ein Regisseur beim Australien-Dreh der Reihe "Barbara Wood" sich ein Bein brach, sprang Ulmke hinter der Kamera ein. "Ich bin immer offen. Wenn es so nicht geht, dann anders, aber es geht. Immer", sagt Ulmke.

So auch 1993, als sie dem ZDF die Ideen der ersten Pilcher-Verfilmung vorschlug. "Mein Vater war Buchhändler, ich habe viel angelsächsische Belletristik gelesen. Als das ZDF den Sonntagabend neu erfinden wollte, kamen wir in unserer Produktionsfirma FFP New Media auf die Idee, die damals noch unbekannte Rosamunde Pilcher anzubieten."

Nach langen Gesprächen stimmte die Autorin zu

Doch die Film-Rechte ließen sich nicht so leicht ergattern. Also flog Ulmke mit dem damaligen ZDF-Unterhaltungschef Claus Beling nach Schottland, um Rosamunde Pilcher das Projekt schmackhaft zu machen. Nach langen Gesprächen beim Tee über Golf und die Moorhuhn-Jagd stimmte die Autorin zu. Schon der erste Film "Stürmische Begegnung" im Oktober 1993 hatte eine Quote von 8,19 Millionen - ein immenser Erfolg. Ulmke zuckt mit den Schultern. "Das kann man mit heute nicht vergleichen. Das Bedürfnis nach süffigen Geschichten war damals groß."

Bis heute hat die 71-jährige Münchnerin 170 Filme produziert. Doch besonders in die Pilcher-Reihe steckt sie all ihre Energie, verteidigt die strikten Regeln, die sie jedem Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler persönlich erklärt: ein paar Verwicklungen, aber keine Beziehungskiller, ein bisschen Schmonzette, aber kein Kitsch, ein bisschen Spannung, aber nicht das große Drama. Außerdem: keine Drogen, kein Mord, keine Gewalt, keine Schimpfworte. "Pilcher-DNA", sagt Ulmke dazu. "Ein Tatort kann aktuell sein, politisch oder sich erneuern. Bei uns erwartet der Zuschauer am Sonntagabend, sich entspannt in eine Traumwelt fallen zu lassen".

Keine Auszeichnung, viele Vorurteile

Eine Auszeichnung hat Ulmke nie erhalten für diese Art der Unterhaltung. Vorurteile dagegen begegnen ihr viele. "Am Ende sagen alle, sie gucken wegen der Landschaft. Aber unsere Geschichten sind durchdacht", sagt die Produzentin und presst die Lippen zusammen. Kritik nimmt sie persönlich. "Die Zuschauer richtig zu unterhalten, mit einer plausiblen Geschichte, das ist eine große Verantwortung. Ich nehme das ernst." So ist die Pilcher-Reihe mit Ulmke erwachsen geworden. Es gibt Seitensprünge, Konflikte mit Migrationshintergrund, Viel-Ehen - und ab und zu sogar Sex. "Sex in Maßen ist okay. Aber ich blende lieber in die Ruhe der Nacht aus. Meistens muss die erste Nacht nicht wirklich erzählt werden".

Pragmatisch sei sie, sagt die Produzentin über sich, verliere sich nicht im Gefühl: "Genau übrigens wie Rosamunde selbst auch". "Rose" nennt sie die alte Dame, mit der sie längst befreundet ist. Man vertraut sich, tauscht sich aus über das echte Leben, die Probleme, sagt Heidi Ulmke: "Ich glaube nicht an die eine große Liebe. Jedes Kribbeln geht irgendwann vorbei. Aber ich glaube an die Familie." Ihr Schatz, das sind ihr Sohn und die Enkelsöhne. "Mein Mann und ich sind Großeltern, zu denen man die Enkel gibt, damit sie die Welt kennenlernen", sagt Ulmke.

Mit ihren Erzählungen aus 23 Jahren Pilcher könnte Ulmke ein Buch füllen: Wie sie die Nächte lieber mit Leo Kirch neue Projekte ersponn, als auf dem Filmball durchzutanzen. Wie sie Prinz Charles die Hand schütteln durfte: "Ich war nicht wirklich aufgeregt, aber es war spannend, dass er uns am Set besuchte." Wie sie den noch unbekannten Schauspieler Erol Sander gegen den Willen des ZDFs heimlich die Hauptrolle gab, weil er einfach zu attraktiv war, um auf ihn zu verzichten. Oder wie sie nach Schottland flog, um Pilchers Notizbücher mit unveröffentlichten Storys in Empfang zu nehmen, die sie erst in einem Banktresor und dann in der Nachttisch-Schublade wie einen Schatz verwahrt.

Ein bisschen was vom großen Glück hat sich jetzt auch für sie selbst erfüllt. Vor fünf Jahren hat sie ein zweites Mal geheiratet, nachdem ihr erster Mann vor 50 Jahren starb. "Ich fühlte mich in einem Alter, wo ich keinen Partner mehr wollte, sondern einen Ehemann. Und ich wollte immer einen mit etwas Bauch, mit Brille, einen Mediziner wie aus einem meiner Filme. So einer ist mein Hans. Mein Pilcher-Märchen ist wahr geworden."

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