Großbaustellen in München:Der Lärm vor der Ruhe

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Verwirrung vorprogrammiert: An verschiedenen Stellen in München ist der Verkehr durch Baustellen stark eingeschränkt, wie hier am Luise-Kiesselbach-Platz. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Belastungsprobe im Münchner Südwesten: Sanierungen und Neubauten verlangen Verkehrsteilnehmern vor allem in Sendling-Westpark Geduld ab. Doch 2015 kommt mit dem fertigen Tunnel am Luise-Kiesselbach-Platz die ersehnte Lebensqualität - hoffentlich.

Von Martin Mühlfenzl

Der Ärger beginnt schon kurz vor der Plinganserstraße. Nein, eigentlich schon im Brudermühltunnel - untertags. Es staut sich, schon in der Tunneleinfahrt, im Schritttempo geht es zäh vorwärts. Wer sich rechts hält in die Plinganserstraße aufmacht, kommt zwar etwas schneller voran, steht aber spätestens nach dem Tunnel an der Abbiegung auf die belebte Straße in Sendling wieder im Stau. Genervte Blicke zwischen den Fahrern treffen auf der zweispurigen Ausfahrt aufeinander - der Westen ist dieser Tage kein Ort, um entspannte Autofahrer zu sehen.

Manch einer mag sich angesichts der Fülle an Baustellen an Fredl Fesls "Taxilied" erinnern. An die Odyssee des etwas angeheiterten Fahrgastes durch das nächtliche München, der von seinem Chauffeur gleich mehrmals am Olympiapark vorbeikutschiert wird - und zu einer treffenden Erkenntnis gelangt: "Die haben ganz schön gebaut 1972."

Genau dieser Gedanke kommt einem derzeit auch in Sendling, Sendling-Westpark, der Schwanthalerhöhe und dem Münchner Norden in den Sinn: Gebaut wird auf den Straßen der Landeshauptstadt an fast allen Ecken. Die Belastungen für Fußgänger, Rad- und Autofahrer sind enorm. Und trotzdem kommt der Verkehr voran.

Ein Besuch auf den Baustellen.

Diese Baustellen im Müchner Westen rauben Anwohnern und Autofahrern den letzten Nerv. (Foto: SZ-Grafik)

Die Verbindung

Wer es eilig hat oder wenigstens dem großen Trubel entfliehen will, der nimmt die U-Bahn. Oben an der frischen Luft zeigt sich dann das neue Gesicht Sendlings: der komplett umgestaltete Harras. Ein weiter Platz, geschmückt mit neu gepflanzten Bäumen und lang gestreckten, hölzernen Parkbänken. Doch rund herum tobt der Verkehr - und es dröhnt gleich aus zwei Richtungen der Baulärm.

In der Plinganserstraße staut sich der Verkehr von der Abzweigung aus dem Brudermühltunnel bis zum Harras. Auf eine Fahrspur ist die Straße in Richtung Innenstadt verengt; auf beiden Seiten werden die Bushaltestellen erneuert. Zusätzlich bekommt die Straße einen neuen Fahrbahnbelag. Es geht nur im Schritttempo voran. Das ändert sich auch nicht in der Albert-Roßhaupter-Straße. Für viele Autofahrer war die Straße lange Zeit eine schnelle Abkürzung Richtung Norden, über sie konnte man die ungeliebte und zeitraubende Baustelle auf dem Luise-Kiesselbach-Platz teilweise umgehen. Doch seit einem Jahr heißt es auch hier: warten, Geduld mitbringen, stehen.

Auf eine Fahrspur - in beiden Richtungen - ist die Straße verengt. "Und dabei wird es auch in Zukunft bleiben", sagt Richard Bartl, Münchens Baustellenkoordinator im Bauamt. In der Mitte der Straße türmt sich Baumaterial, stehen Baufahrzeuge. Radfahrer und Pkw-Fahrer versuchen, sich nicht in die Quere zu kommen. "Die Belastung ist schon groß", berichtet eine Anwohnerin. "Aber wir hoffen, dass es nach den Bauarbeiten besser wird." Im kommenden Jahr sollen diese beendet sein - und die Hoffnung auf Verbesserungen teilen die Bewohner der Albert-Roßhaupter-Straße mit jenen des zentralen Platzes etwas weiter im Westen. Denn dort kennen die Münchner Baulärm seit Jahren.

Der Platz

Hier trifft die Albert-Roßhaupter-Straße auf den Luise-Kiesselbach-Platz. Schon aus der Ferne zeichnen sich die Türme des Hauses St. Josef am Horizont ab - jenes gewaltigen Altenheims am nördlichen Ende des Platzes. Unbeeindruckt thront das Haus des Münchenstifts über den sich nahezu täglich ändernden Verkehrsführungen - gewissermaßen als Zeichen, dass letztlich auch hier irgendwann wieder Normalität einkehren wird.

Der Luise-Kiesselbach-Platz ist mittlerweile ein Synonym für Großprojekte in der Landeshauptstadt. Megabaustelle umschreibt das gewaltige Projekt wohl am besten: Im Oktober 2007 wurde mit den ersten Kanalarbeiten für die Untertunnelung des Platzes begonnen, nahezu 400 Millionen Euro werden insgesamt verbaut. Im Herbst 2015 sollen alle unterirdischen Arbeiten abgeschlossen sein und der Tunnel für den Verkehr freigegeben werden.

Und die Stadt bekundet immer wieder, den Plan einhalten zu können. Die Anwohner sehen dem nicht nur mit Freude entgegen, es treibt sie auch eine gewisse Angst um. "Wenn der Tunnel fertig ist, freuen wir uns auf mehr Ruhe", sagt Miriam Ansorge, die am südlichen Ende des Platzes wohnt. "Aber wir befürchten auch, dass dann die Mieten steigen. Denn das passiert ja immer, wenn sich ein Viertel so schnell weiterentwickelt."

Sorgen, die vor allem die Autofahrer nicht teilen - besser gesagt: nicht kennen. Für die Verkehrsteilnehmer gleicht der Platz einem sich stetig ändernden Labyrinth, mitten auf Radwegen und Gehsteigen finden sich Markierungen, die noch Tage zuvor Autofahrern die nächste Abbiegung anzeigten. Und dennoch fließt der Verkehr auf dem Platz flüssig - meist auf drei Spuren, mit vorgeschriebenem Tempo 40, an das sich die wenigsten halten.

Noch will man dem Platz aber so schnell wie möglich entfliehen und träumt bereits davon, wie es im kommenden Jahr sein wird: Dann verschwindet der Verkehr endlich unter der Erde - und am Luise-Kiesselbach-Platz wird die nächste Bau-Etappe in Angriff genommen. Dann beginnt die Neugestaltung des Platzes, die immer noch heftige Kontroversen unter Anwohnern und Stadtteilpolitikern auslöst. Soll er komplett begrünt werden? Darf er an den Rändern bebaut werden, um neuen Wohnraum zu schaffen? Zäh wie oft der Verkehr verlaufen auch diese Debatten.

Die Straße

So gesehen herrschen in der Hansastraße dieser Tage entspannte Verhältnisse. Allerdings ist die Straße eine wichtige Verbindungstrasse und Durchgangsstraße von der Garmischer Straße Richtung Sendling. Als schnelle Abkürzung aber taugt die Hansastraße zumindest bis Ende Juni 2014 nicht: Seit Ende April laufen die Umbauarbeiten an den vier Bushaltestellen in der Hansastraße, gleichzeitig wird auch die Fahrbahn komplett erneuert.

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Diese Arbeiten treffen vor allem den morgendlichen Verkehr - von 9 bis 15 Uhr ist die Trasse auf eine Fahrspur verengt. "Die Busfahrer fahren dann auf Sicht", sagt Baustellenkoordinator Bartl. Den eigentlichen Berufsverkehr treffen die Maßnahmen nicht, dann sind stets beide Fahrspuren geöffnet. Die Sanierungen der Fahrbahn laufen nur in der Nacht. "Wir brauchen diese langen Arbeitszeiten. Sonst würde hier vieles zum Erliegen kommen", sagt Bartl. "So aber entstehen überhaupt keine Probleme."

Bis Ende Juni sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. "Mir ist auch ganz recht, dass wir die Hansastraße jetzt sanieren. Denn in den Sommerferien kommt die A 95 dazu - und das hätte dann wirklich erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr", schiebt Bartl noch hinterher.

Der Tunnel

Einen solch ehrgeizigen Plan können die Koordinatoren aber nur auf kleineren Baustellen - und dazu gehört die Hansastraße - einhalten. Etwas weiter nördlich, auf der einer Blechlawine gleichenden Garmischer Straße, wird deutlich, dass nicht nur der Luise-Kiesselbach-Platz den Namen Mammutprojekt verdient. "Was am Trappentreutunnel passiert, hat einen ganz anderen Stellenwert", sagt Baustellenkoordinator Bartl - und meint auch die Auswirkungen der Großbaustelle am Tunnel vor der Donnersbergerbrücke. Vor allem an den Wochenenden staut es sich nachts - in beiden Fahrtrichtungen. Dann kann der Trappentreutunnel nur noch auf einer Fahrspur befahren werden, bei Tempo 30. Auf den beiden anderen Fahrspuren wird der Fahrbahnbelag erneuert.

Seit April 2014 laufen die Arbeiten des ersten Bauabschnitts, Ende Dezember 2014 sollen sie abgeschlossen sein. Die technische Aufrüstung des Tunnels, der im Jahr 1983 in Betrieb genommen wurde, wird schließlich bis Ende 2015 dauern. Die Kosten belaufen sich auf insgesamt 30 Millionen Euro - Investitionen, die für die Autofahrer momentan vor allem Rückstaus in beiden Fahrtrichtungen zur Folge haben.

Die Anschlussstelle

Wer einen Schuldigen für lange Wartezeiten auf den Straßen im Münchner Westen sucht, wird im Münchner Norden fündig. Es ist keine der riesigen Baustellen, die den Verkehr in manchen Stunden zum Erliegen bringen. Es ist vielmehr einer der Unfallschwerpunkte auf dem Mittleren Ring, den die Stadt beseitigen will: die Auffahrt von der Landshuter Allee auf den Georg-Brauchle-Ring - eine Stelle, die viele Autofahrer zu überhöhter Geschwindigkeit verleitet. "Hier fängt das kleine Übel an", sagt Baustellenkoordinator Bartl. "Es ist ein Abschnitt, der wichtig ist. Aber er hat auch zur Folge, dass sich der Verkehr in manchen Stunden von der Garmischer Autobahn bis zum Georg-Brauchle-Ring mehr als zäh hinzieht."

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Doch Besserung ist in Sicht - noch vor den Sommerferien sollen die Arbeiten an der Abzweigung abgeschlossen sein. Ohnehin soll das kommende Jahr Entspannung bringen. Es wird das Jahr der feierlichen Eröffnung des Tunnels am Kiesselbach-Platz. Der Trappentreutunnel wird wieder fertig - und auch auf der Garmischer Autobahn rauschen die Fahrzeuge dann über einen neuen Belag. Weniger Verkehr wird dies für die Menschen im Münchner Westen und Südwesten und die Pendler nicht bedeuten. Aber sie werden einen großen Teil davon nicht mehr vor der eigenen Haustüre haben. Es wird viel gebaut im München des Jahres 2014.

© SZ vom 2.6.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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