Greenfields: Organisator René Vaitl:"Berlin ist versnobbter als München"

Er ist einer der großen Organisatoren in der Technoszene, und veranstaltet zum zehnten Mal in Folge das Greenfields-Open-Air in München. Im Interview spricht DJ René Vaitl über die Münchner Clubs, den Szenen-Streit über Kommerz versus Untergrund, und wie ungemütlich der Weg von einer Idee zum Erfolg sein kann.

Benjamin Krischke

René Vaitl (40) ist Münchens bekanntester House-Dj, Pacha-Resident und veranstaltet seit Ende der Achtziger Jahre elektronische Partys. Gemeinsam mit seinem Partner Tom Hilner organisiert er unter dem Namen "World League" die Veranstaltungen mit dem bekannten Slogan "World League presents...". Fast 200 Acts traten bereits unter seiner Marke auf. Darunter fast alle großen DJ der Szene wie Sven Väth, Carl Cox, Loco Dice, Monika Kruse, Richie Hawtin, Paul van Dyk und Daft Punk. 2001 rief er mit Sven Väth das Greenfiels-Open-Air auf der Galopprennbahn Riem ins Leben. Mittlerweile eines der gefragtesten Technofestivals in Deutschland.

rené vaitl

DJ und Veranstalter René Vaitl: "Greenfields ist das Paradebeispiel für ein gemischtes Publikum."

(Foto: OH)

sueddeutsche.de: Herr Vaitl, in der Szene kennt Sie quasi jeder, doch im Internet sind Sie fast ein Unbekannter. Keine produzierten Videos, keine Interviews, nicht mal einen Wikipedia-Eintrag. Was ist da los?

René Vaitl: Sagen wir mal so: Wenn einer meiner Promoter nicht darauf bestanden hätte, dass ich eine eigene Homepage brauche, dann gäbe es nicht mal die. Gegen mein Facebook-Profil habe ich mich auch ein Jahr lang gesträubt, und mich dann doch überreden lassen. Privat bin ich weder bei Facebook noch bei irgendeinem Portal angemeldet. Nicht einmal im Telefonbuch stehe ich.

sueddeutsche.de: Angst vor aufdringlichen Technojüngern?

Vaitl: Nein, so eine Facebook-Seite ist einfach nichts für mich. Ich bin einfach nicht so mitteilungsbedürftig.

sueddeutsche.de: Nicht so mitteilungsbedürftig? Klingt aber sehr ungewöhnlich für einen Künstler im Musikbusiness.

Vaitl: In der Tat. Aber eines bin ich mit Sicherheit nicht: öffentlichkeitsscheu. Ich bin eben etwas anders als andere DJs oder Musiker. Ich nehme auch keine Platten auf, obwohl es zahlreiche Produzenten gibt, die gerne mit mir ins Studio gehen würden. Wobei es da in erster Linie an meinem vollen Veranstaltungskalender scheitert.

sueddeutsche.de: Nicht nur Sie entsprechen da nicht ganz der Norm. Auch ihre Heimatstadt München gilt als ein spezielles Pflaster. Denn Schickeria und Techno hört sich zunächst nach einem Widerspruch an.

Vaitl: Ich weiß gar nicht, warum München so ein Schickeria-Image hat. Ich habe mich vor zwanzig Jahren schon mit Westbam darüber lustig gemacht. Denn München ist vielmehr die einzige Stadt in Deutschland, in der die verschiedenen Generationen und Typen gemeinsam feiern können. Berlin hingegen ist in Kastenviertel unterteilt. Dort geht jede Kaste nur in ihre Clubs und Bars. Ganz ehrlich, ich finde Berlin mittlerweile versnobbter als München.

sueddeutsche.de: Aber auch München ist natürlich nicht perfekt. Was fehlt Ihnen denn in der Münchner Szene?

Vaitl: Eine große Technolocation wie das Kraftwerk damals. In den letzten Jahren sind nur kleine Clubs entstanden.

sueddeutsche.de: Ist das ein Zeichen dafür, dass Techno sich bald selbst überholt hat?

"Festivals sind absolut en Vogue"

Vaitl: Nein. Hier geht es eher um die Frage nach einem geeigneten Standort. Im Techno entwickeln sich ständig neue Styles und neue Produzenten tauchen auf. Es gab die letzten Jahre ganz viele neue und spannende Entwicklungen. Während die Menge in den Untergrund-Clubs wie der Roten Sonne oder dem Bullitt zu langsameren Beats tanzt, gehen die kommerziellen Hörer zu schnellerem und härterem Sound von David Guetta ab.

sueddeutsche.de: Schneller und härter vielleicht, aber auch poppiger. Also nichts für den Untergrund-Fan, dafür aber ziemlich Mainstream.

Vaitl: Das mag sein. Aber solange jemand die Musik gerne hört, sollte sich keine Strömung von der anderen abkapseln. In München kann man sich ja ganz individuell seine Location, mit seiner Musik und dem Publikum, mit dem man feiern möchte, auswählen, und sich bei größeren Veranstaltungen wieder zusammenfinden.

sueddeutsche.de: Bei größeren Veranstaltungen wie dem Greenfields?

Vaitl: Ja. Das Festival ist zwar ganz klar auf den Sound von Sven Väth und Loco Dice geeicht. Aber auch Besucher, die privat gerne Mal eine Nummer von David Guetta hören werden dort sein, da bin ich mir sicher.

sueddeutsche.de: Wie würden Sie also die Besucher auf dem Greenfields beschreiben?

Vaitl: Das Greenfields ist ein Paradebeispiel für ein gemischtes Publikum. Und mir geht es hierbei gar nicht so sehr darum, wer privat welche Musik hört. Mir ist viel wichtiger, dass das Publikum ein Mix aus den verschiedensten Charakteren ist: Eine Mischung aus allen Clubs in München, die diese Musikrichtung verfolgen. Hinzu kommen auch noch Gäste aus verschiedensten Teilen der Welt. Es gibt Anmeldungen von Amerikanern, Spaniern, Italienern und aus anderen Ländern. Mittlerweile hat sich das Festival wohl einfach rumgesprochen.

sueddeutsche.de: Hört sich an, als wäre das nicht immer so gewesen.

Vaitl: Greenfields hatte einen schweren Start. Bei uns ist der Sommer ja Mitte August vorüber, und die ersten beiden Jahre haben wir die Veranstaltung auf Ende August gelegt, was furchtbar war. Es hat geregnet und es war kalt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich während der Veranstaltung in mein Auto geflüchtet bin und die Heizung voll aufgedreht habe, um mich erst mal eine halbe Stunde aufzuwärmen. Bis wir den Termin dann in den Juli verschoben haben.

sueddeutsche.de: Und seitdem läuft es?

Vaitl: Mittlerweile stimmt einfach die Mischung aus Leuten, Aufgebot und Termin. Das ist es, was sich herumspricht und positives Feedback erzeugt. Überhaupt: Festivals sind absolut en Vogue momentan. Davon profitieren natürlich auch wir.

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