Gratulation:Feiner Anzug, guter Zweck

Jubilar Tibor Adamec an seinem Standplatz vor dem Eingang zum Kaufhof im Sperrengeschoss am Marienplatz

Tibor Adamec, seit fast 20 Jahren fest angestellter "Biss"-Verkäufer, wurde am Dienstag 80 Jahre alt.

(Foto: Florian Peljak)

BISS-Verkäufer Tibor Adamec feiert seinen 80. Geburtstag

Von Milena Hassenkamp

Als Tibor Adamec 1993 anfing, die Straßenzeitung Biss zu verkaufen, da gab es außer ihm nur zwei weitere Kollegen in dem Geschäft. Die Straßenzeitung war damals als erste ihrer Art etwas ganz neues in Deutschland. Die beiden Kollegen sind inzwischen verstorben. Biss-Verkäufer Adamec feierte am Dienstag seinen 80. Geburtstag und freut sich bereits auf sein Dienstjubiläum. Im nächsten Jahr, wenn die Straßenzeitung 25 Jahre alt wird, ist Adamec seit 20 Jahren fest angestellt, dabei ist er seit den ersten Tagen.

"Mindestens so lange", verspricht der 80-Jährige, "will ich noch durchhalten." Wie jeden Tag steht der Verkäufer an der silbernen Säule vor dem Eingang zum Kaufhof im Zwischengeschoss am Marienplatz. Neben ihm steht eine Flasche Limonade und ein großer Blumenstrauß. Hier haben sich heute Freunde und Kollegen versammelt, um Adamec zu gratulieren. Auch Bischof Heinrich Bedford-Strohm ist unter den Gratulanten.

Die Straßenzeitung Biss (Bürger in sozialen Schwierigkeiten) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen in Schwierigkeiten zur Selbsthilfe anzuregen. Auf der Straße hat Adamec nie gelebt, seit er vor mehr als 60 Jahren von Bratislava nach Deutschland kam. Aber sein Einkommen reichte kaum zum Leben aus, Adamec hatte nur geringe Rentenansprüche. Dennoch war er anfangs skeptisch, als Verkäufer einer Straßenzeitung zu arbeiten, verrät er, wegen des Image des Obdachlosen. Er wollte den Job anders machen, legte dabei immer viel Wert auf sein Äußeres und die Art, mit der er die Kunden ansprach. Er wurde überrascht: Bei der Arbeit begegnete ihm viel Freundlichkeit und Hilfe.

Bekannt ist der 80-Jährige für seine schicken Hüte und Anzüge. Zu seinem Ehrentag ist er ganz in weißes Leinen gekleidet. "Das gehört zum Geschäft! Ich arbeite nicht mit der Mitleidsmasche", erklärt er. Es war ihm immer wichtig, nicht aufdringlich zu werden. "Die Leute sehen mich", sagt Adamec. Sie sollten freiwillig zu ihm kommen. Die menschliche Zuneigung war ihm dabei immer mehr wert als das Geld.

So haben sich über die Zeit Freundschaften zu Stammkunden entwickelt, wie zu der Frau, die Adamec einst zu seiner Wohnung in Solln verhalf. Dort lebt er immer noch im zwölften Stock und freut sich über den Blick auf die Alpen, bevor er morgens zur Arbeit aufbricht. Meistens ist er um 10 Uhr morgens am Marienplatz. "Morgens ist immer noch nicht viel los", sagt er. Im Sommer bleibt er stets bis 20 Uhr und geht danach noch häufig in den nahegelegenen Biergarten, um dort weiter zu verkaufen. So verkauft er zwischen 1200 und 1600 Exemplaren - und ist damit einer der besten Verkäufer des Blatts.

Bischof Heinrich Bedford-Strohm gratulierte dem 80-Jährigen mit einem Ständchen, begleitet von Gitarre und Geige, gespielt von einem Kollegen Adamecs und von einem Freund aus Ungarn. Der Bischof beglückwünschte Adamec zu einem beeindruckenden Leben. Hier am Marienplatz stehe er ganz symbolisch in der Münchner Mitte - und sei eine echte Größe in der Stadt.

"Ist er krank, dann rufen die Leute bei der Biss an", erzählt Bedford-Strohm, der den Biss-Verkäufer schon seit langem kennt und vor allem für seine Sportlichkeit bewundert: "Der Mann hat zu Fuß rund 200 000 Kilometer zurückgelegt."Nach langer Zeit, betonte Bedford-Strohm, habe er sich besonders auf ein Wiedersehen mit Adamec gefreut. Damit sei er in der Stadt nicht allein. "Die Menschen wollen wissen, dass es ihnen gut geht!"

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