Graffiti:Jetzt auch in Schönschrift!

Die Stadt ist voll mit Botschaften, die keiner lesen kann. Wir haben deshalb mal ein paar Graffiti übersetzen lassen.

Von Eva Hoffmann (Text) und Daniela Rudolf (Illustration)

PoezDiEks"? "BhZ"? "KrbT"? Wer sich Münchens Brückenpfeiler, Parkautomaten oder Tunnelwände genauer ansieht, stößt auf tausende kryptische Mini-Texte. Die gesprayten Schnörkel und Schlaufen gehören zum Stadtbild wie Straßenschilder und Mülleimer. Und genau so nehmen wir sie normal auch wahr: gar nicht. Das Alltagsauge müsste vor Überforderung ja durchdrehen, wenn wir uns die Mühe machten, alle Graffiti und Tags aktiv zu lesen. Und selbst wenn: Was, zum Teufel, steht da überhaupt?! Kann ja keiner entziffern.

Wir haben also die Münchener Graffiti-Künstlerin Beastiestylez gebeten, die Tags für uns zu entziffern. "Die Stümper kann man leicht erkennen", sagt sie. "Aber bei den Profis wird es schwieriger." Am Schwung und der wechselnden Dicke der Linien erkenne man, dass die Leute diesen Schriftzug schon tausend Mal irgendwo hinterlassen haben. "Jeder Buchstabe ist dann ein Kunstwerk." Beastiestylez sprayt schon seit mehr als zwanzig Jahren. Während wir die Tags als Schmierereien ausblenden, nimmt sie jeden Schriftzug wie einen Stempel wahr: "Meistens sind das einfach nur die Namen der Leute. Es ist ein Gruß an andere aus der Szene und alle da draußen. Es bedeutet einfach: Ich war hier, wer noch?"

Früher ging es beim sogenannten "Bombing" zudem darum, den Namen der Sprayer-Crew in kürzester Zeit an möglichst vielen, möglichst gefährlichen Orten zu verbreiten. In den Neunzigern war in München etwa die ABC-Crew bekannt für ihre riskanten Schriftzüge, die sich über ganze S-Bahnen zogen. München, das dürfte einige überraschen, war damals übrigens die erste deutsche Stadt, in der sich eine Sprayer-Szene entwickelte. Heute, das dürfte die wenigsten überraschen, geht es ordentlicher zu. "In Berlin wird noch viel um Flächen gekämpft, aber die Münchener Sprayer-Szene ist ganz friedlich. Es gibt ein paar Faustregeln, an die sich die meisten halten." Zum Ehrenkodex gehöre vor allem, kein Privateigentum zu bemalen. "Das machen nur Kids und Anfänger, die nicht wissen, wohin." Allgemeiner Konsens, wohlgemerkt innerhalb der Szene, sei außerdem: Alles, wofür wir Steuern zahlen, darf auch bemalt werden. "Und bei Wänden von Großkonzernen hat auch niemand Hemmungen."

Für etablierte Künstler wie Beastiestylez stellt die Stadt zudem oft offizielle Flächen wie die unter der Donnersbergerbrücke oder an der Tumblingerstraße zur Verfügung. Da greift dann die zweite goldene Regel: Wer einen anderen Künstler übermalt, sollte besser sein. "Das ist immer ein bisschen Geschmackssache, aber vor allem eine Frage des Respekts. Für die großen Schriftzüge braucht man schon mal zwei Tage. Da trauen sich die Anfänger nicht drüber."

Der Vollständigkeit halber: Wer beim Üben für die Platzreife erwischt wird, muss laut Münchner Polizei mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder hohen Geldstrafen rechnen.

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