Gräfelfing:"Viele Probleme betrachte ich heute gelassener"

Gräfelfing: Ihr Einsatz beim Hospizdienst ist gefragt: Leiterin Ina Weichel (links) und die ehrenamtliche Helferin Susanne Sickinger.

Ihr Einsatz beim Hospizdienst ist gefragt: Leiterin Ina Weichel (links) und die ehrenamtliche Helferin Susanne Sickinger.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Seit 20 Jahren begleiten ehrenamtliche Helfer des Malteser Hospizdienstes in Gräfelfing Menschen beim Sterben

Von Maximilian Hempel, Gräfelfing

Es geht geschäftig zu in Ina Weichels Büro. Ein halbes Dutzend Frauen arbeitet auf einem Stockwerk an der Gräfelfinger Bahnhofsstraße vor Computerbildschirmen. Sie blättern und lesen in Akten, führen Gespräche und planen. Im Fünf-Minuten-Takt klingelt ein Telefon. In einem Raum hängt eine große Magnettafel mit Namensschildern und verschiedenfarbigen Punkten. "Das hier ist sozusagen unsere Schaltzentrale", erklärt Weichel, Leiterin des Malteser Hospizdienstes. "Hier weisen wir unsere Ehrenamtlichen den Patienten zu."

Im Lauf der Zeit hat sich der Dienst in Gräfelfing aber doch stark gewandelt. Vor 20 Jahren, als er gegründet wurde, waren es gerade einmal 15 ehrenamtliche Helfer. Heute arbeiten hingegen sieben Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit an der Koordination im Würmtal und dem Raum Gilching. Im vergangenen Jahr zählte man 108 Begleitungen, übernommen von 114 ehrenamtlichen Helfern.

Zu Beginn fokussierte sich der Dienst vor allem auf Krebspatienten. Mittlerweile besuchen Weichel und ihr Team Menschen in allen möglichen Krankheits-Situationen. Seit zehn Jahren gibt es auch einen Palliativdienst für Kinder. Der Bedarf nach dieser Hilfe ist seit der Gründung kontinuierlich angestiegen. Dies habe vor allem mit dem Wandel der Familienstrukturen zu tun, so Weichel. "Zum einen gibt es nicht mehr die Mutter oder Tante, die sich um Pflege und Betreuung kümmert. Zum anderen sind die Familien viel kleiner geworden, oftmals mit großem räumlichem Abstand voneinander." Das wiederum hat zur Folge: Angehörige können sich mit dem Tod eines Familienmitglieds gar nicht wirklich auseinandersetzen. Auch für Trauer bleibt häufig keine Zeit.

Wer aber Hilfe sucht, bekommt sie bei den Maltesern. Vermittelt wird sie meistens über Hausärzte, Altenheime, Freunde oder Nachbarn. Mit einem Telefonat fängt es an. "Wir erhalten einige Informationen über die Patienten und entscheiden dann, welcher Betreuer der richtige für die Person ist." Danach kündigen sich die Helfer bei der Familie an. "Das alles passiert recht schnell", erklärt Weichel - innerhalb von ein bis drei Tagen. Anschließend beginnt die Begleitung, die mal sehr kurz, wenige Stunden oder Tage, und mal relativ lange, bis hin zu mehreren Monaten, ausfällt. "Auch nach dem Ableben sind wir noch vor Ort und Ansprechpartner." Dabei geht es vor allem um Trauerbewältigung.

Die Anforderungen an das Ehrenamt sind hoch. Letztlich bringt es auch eine große Verantwortung mit sich. Die Ausbildung ist dementsprechend lang. Alle zwei Jahre startet ein Kurs, der auf dieses Amt vorbereitet. Für Interessierte gibt es dazwischen immer wieder Infoabende. Danach kommt eine längere Phase des Kennenlernens. Zuerst durch persönliche Gespräche, später bei einem Orientierungswochenende. Hier lernen die Teilnehmer bereits erste theoretische Grundlagen. Erst dann beginnt die eigentliche Ausbildung zum Hospizhelfer. Einmal in der Woche lernen die Helfer den richtigen Umgang mit schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen. Der Kurs dauert insgesamt 140 Stunden.

Susanne Sickinger hat diese Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Seit zwei Jahren begleitet sie Menschen auf ihrem letzten Lebensweg. Wenn sie über ihren Hospizdienst spricht, dann geschieht das in einem sehr leichten und ruhigen Tonfall - keine Spur von Bedrückung. Ganz im Gegenteil: "Es ist ein gutes Gefühl, den Betroffenen und ihren Angehörigen in so einer schweren Zeit Sicherheit zu geben. Ich erfahre dabei ganz viel Dankbarkeit." Weichel macht bereits seit 17 Jahren mit. Zuerst war die ausgebildete Sozialpädagogin selbst nur als Ehrenamtliche dabei. Mittlerweile leitet sie den Dienst in Vollzeit.

Beide Frauen haben im Lauf der Zeit eine besondere Haltung zum Tod gewonnen. "Man bekommt einen ganz anderen Blick auf das Leben. Viele Probleme betrachte ich heute gelassener", sagt Sickinger. Ob es trotz alledem auch schwere Momente gibt? "Natürlich" antwortet sie. "Aber mei, es geht weiter. Schließlich sind wir ja keine Maschinen."

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