Gräfelfing:Spezialitäten beim Baurecht

Um den Gartenstadtcharakter zu erhalten, geht die Gemeinde Gräfelfing eigene Wege - damit bekommt sie allerdings auch Probleme vor Gericht

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Die Gemeinde Gräfelfing muss einen weiteren Dämpfer in Sachen ungerechter Bebauungspläne hinnehmen: Jetzt hat das Bayerische Verwaltungsgericht auch den Bebauungsplan 1F, der für ein großes Wohngebiet in Lochham gilt, für unwirksam erklärt. Vor etwas mehr als drei Jahren musste die Gemeinde bereits den Plan 1J einstampfen, der das Gebiet um die Steinkirchner Straße umfasst. Die Gründe waren damals dieselben wie jetzt. Im Kern geht es darum, dass mancher Grundstückseigentümer mehr Baurecht bekommt als ein anderer, obwohl beide ein gleich großes Grundstück haben. Das Gebot der Gleichbehandlung nach Artikel 3 des Grundgesetzes wurde nicht ausreichend beachtet - das ist in der Urteilsbegründung ausführlich dargelegt.

Aktuell betroffen ist ein großes Wohngebiet an der Stadtgrenze zu München. Es wird in Richtung Würmtal begrenzt durch die Bahnlinie, die Autobahn A 96 und den Paul-Diehl-Park. SPD-Gemeinderat Ralf Brandtner, ein vehementer Kritiker des Gräfelfinger Baurechts, hat die Klage gegen den Bebauungsplan selbst auf den Weg gebracht. Im betroffenen Plan - wie in elf anderen Bebauungsplänen, die insgesamt für 80 Prozent des Gräfelfinger Gemeindegebiets gelten - ist das degressive Baurecht verankert, eine Spezialität der Gräfelfinger. Mit diesem hochkomplexen Baurecht wollen sie den Gartenstadtcharakter der Kommune bewahren. Es ist ein Instrument, um eine allzu große Nachverdichtung zu vermeiden. In den großen Gärten, in denen alte Villen stehen, sollen keine Reihenhaussiedlungen und keine Geschosswohnungsbauten entstehen.

Deswegen haben die Gräfelfinger den betroffenen Bebauungsplan in Wohnquartiere unterteilt, in denen verschiedene Mindestgrundstücksgrößen gelten. Diese Größen haben eine zentrale Bedeutung: Erst ab der doppelten Mindestgrundstücksgröße darf ein Grundstück geteilt werden. Für Erbengemeinschaften, die Interesse am Teilen eines Grundstücks haben, ist diese Quadratmeterzahl durchaus zukunftsentscheidend. Die Mindestgrundstücksgröße ist noch in anderer Hinsicht von Bedeutung: Bis zur festgesetzten Quadratmeterzahl steigt das Baurecht linear an, ab da nur noch moderat. Das heißt: Kleine Grundstücke erhalten in Relation gesehen ein höheres Baurecht als große. Bei der Festsetzung dieser Mindestgrundstücksgrößen sind den Gräfelfingern Fehler unterlaufen. So erscheint die Abgrenzung mancher Bauquartiere "willkürlich", heißt es im Urteil, mit dem Ergebnis, dass es "eine Ungleichbehandlung für gleich große Grundstücke gibt", bringt es Markus Ramsauer von der Gemeindeverwaltung auf den Punkt. Für manche Grundstücke gilt, obwohl sie etwa gleich groß sind, abweichendes Baurecht, nur weil sie in Quartieren mit unterschiedlich festgelegten Mindestgrundstücksgrößen liegen.

Jetzt heißt es nachbessern. Laut Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) soll die Überarbeitung des Plans europaweit ausgeschrieben werden. Vielleicht ist auch noch nicht alles zu Ende. Ein weiterer Bebauungsplan, 1E, wartet noch auf ein Urteil vom Gericht, auch hier ist Normenkontrollklage erhoben worden. Mehr Klagen sind laut Ramsauer aber vorerst nicht zu erwarten. Bei den anderen Bebauungsplänen sei die Klagefrist abgelaufen. Trotzdem würden sie nach und nach genau überprüft, ob sie eventuell ähnliche Mängel aufweisen, versprach er.

Eines hat das Gericht in seinem Urteil auch klargemacht: Die Festlegung von Mindestgrundstücksgrößen und das degressive Baurecht sind möglich und zulässig. "Eine Gemeinde darf mit ihrer Bauleitplanung grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen", heißt es.

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