Gräfelfing:Bienenfleiß wird nicht belohnt

Die Zahl der Amateur-Imker nimmt zu, die der Völker hingegen nicht. Der Ruf nach Schutz der Artenvielfalt tönt lauter

Von Julian Carlos Betz, Gräfelfing

Wer sich in seiner Freizeit mit etwas beschäftigen möchte, das nicht nur Freude macht, sondern auch noch einen ökologischen Nutzen mit sich bringt, ist bei den Imkern genau richtig. Das haben mittlerweile viele Menschen im Landkreis und der Stadt München entdeckt und damit beinahe so etwas wie einen Imker-Boom ausgelöst. Steigende Mitgliederzahlen bei den Vereinen sind allerorts zu verzeichnen. Gleichzeitig stagniert jedoch die Anzahl der Bienenvölker.

Bei den Neu-Imkern handle es sich vor allem um Amateure, die zwischen einem und drei Völkern versorgen, sagt Arno Bruder, Fachberater für Imkerei beim Bezirk Oberbayern. Aufgrund einer Änderung der Besteuerungsregeln in der Vergangenheit habe sich der Bestand bei den nebenerwerbstätigen Imkern hingegen deutlich reduziert, beklagt er. Direkt betroffen von dem Trend zur Imkerei ist zum Beispiel der Vorsitzende des Imkervereins Münchner Osten-Haar-Vaterstetten, Franz Brand. Die Tätigkeit werde "sehr nachgefragt", aber dennoch müsse man jedes Jahr mit herben Völkerverlusten rechnen, unter anderem aufgrund von Varroa-Milbe und Giftstoffen wie den Neonikotinoiden, da habe sich noch nichts geändert. Gleichzeitig beobachtet er eine deutliche Veränderung der bevorzugten Nährstofflandschaft für die Bienenvölker: weg vom Land, hin zur Stadt.

"Absurderweise" biete die Stadt nun mittlerweile mehr an Nahrungsvielfalt, da sich auf dem Land die Ausbreitung von Monokulturen und das Verschwinden von mageren Grünwiesen stark bemerkbar mache. Im näheren Umkreis Münchens fänden die Bienen hingegen verschiedene reizvolle Nahrungsquellen wie kleine Mischwälder und Privatgärten. Auch Rolf Kleinstück, Vorsitzender des Imkervereins Gräfelfing kann das bestätigen. Die sogenannten "Trachtlücken", also Mängel im lokalen Nahrungsangebot, seien nur noch auf dem Land zu verzeichnen. Somit würden die stadtnahen Imker mittlerweile sogar höhere Erträge bei der Honigproduktion registrieren als ihre Kollegen draußen auf dem Land.

Gräfelfing: Um das Wohlergehen der Bienen sorgen sich viele. Die Varroa-Milbe und Giftstoffe wie die Neonikotinoide machen ihnen zu schaffen.

Um das Wohlergehen der Bienen sorgen sich viele. Die Varroa-Milbe und Giftstoffe wie die Neonikotinoide machen ihnen zu schaffen.

(Foto: privat)

Wie geht es also den Bienen und Insekten im Münchner Umland? Darauf lässt sich nur schwer eine Antwort geben, da vielfältige Einflüsse am Werk sind. Fachberater Bruder möchte jedenfalls keine Entwarnung geben: Seit den Siebzigerjahren sei der gesamte Insektenbestand hierzulande um bis zu 80 Prozent gesunken, sagt er und verweist dabei auf eine dramatische Dynamisierung dieser Tendenz gerade in den vergangenen 15 Jahren. Bienen hätten wenigstens teilweise eine Lobby. "Doch wer setzt sich für Käfer ein?", fragte Bruder kürzlich bei einem Vortrag in Neubiberg. Und da in der Natur alles mit allem zusammenhänge und die Bestäubungsleistung sowohl von Bienen als auch von Käfern enorm sei, müsse man die Ursachen von Bienen- beziehungsweise Insektensterben vehement bekämpfen.

Dabei wird schnell der Ruf nach Regulierungen in der Landwirtschaft laut. Der Einsatz von Insektiziden hat laut Bruder immer noch verheerende Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Es könne nicht sein, dass hierzulande durch Profitmaximierung mittels technisierten Einsatzes von Chemikalien und Monokultur der Markt überschwemmt werde und man am Ende dann "Magermilchpulver nach Afrika" exportiere, um dort schließlich Arbeitsplätze zu vernichten. Die "verfehlte Agrarpolitik" sei vor allem in den Fokus zu rücken.

Dem kann sich auch Imker Brand anschließen, seiner Meinung nach muss sich vor allem in Brüssel etwas ändern. Die "Vergabepraxis der Subventionsförderung" schaffe keinerlei Anreize für den Landwirt, ökologisch orientiert zu wirtschaften. Das Interesse an Vielfalt müsse auch ökonomisch begründet werden, sonst könne langfristig kein Wandel stattfinden. Und für den Schutz der Bienen gebe es schließlich auch ein finanzielles Argument, meint Bruder: Um bis zu 50 Prozent würde die natürliche Bestäubungsleistung den Ernteertrag steigern, wenn man denn umfassend Rücksicht auf Nahrungsquellen und Gesundheit der kleinen Insekten nehmen würde. Die kurzfristigen Einbußen bei dem Verzicht auf Pflanzenschutzmittel wären somit bei weitem wieder reingeholt.

Imker Arno Bruder, Vortrag Unterschleißheim

Arno Bruder, Fachberater für Imkerei beim Bezirk, beklagt, dass sich die Zahl der nebenerwerbstätigen Imker zuletzt deutlich reduziert hat. Viele Hobbyimker kamen allerdings neu dazu.

(Foto: privat)

Zugleich gibt es Stimmen, die der Landwirtschaft die Rolle als Hauptverursacher in der Diskussion um das Artensterben nicht gerne zuschreiben möchten. Roland Schilling von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) gibt zu bedenken, dass es im Grunde nur "einige schwarze Schafe" seien, die sich nicht an die Regeln hielten, was den Einsatz von Glyphosat oder auch Neonikotinoiden anbelangt. Es gebe durchaus Kontrollen, auch müsse jeder Landwirt ein Zertifikat für den Pflanzenschutz erwerben, das er bei Verstößen schnell wieder verlieren könne. Schilling würde die Diskussion lieber von den Landwirten wegführen. Die Bahn sei etwa für den größten Einsatz von Glyphosat verantwortlich, darüber werde nie gesprochen. Auch der Kreisobmann der Bauern im Landkreis, Anton Stürzer, kritisiert die großen Mengen an Glyphosat, die etwa an Bahndämmen ausgebracht würden.

Die Frage nach politischen Mitteln ist eine Konstante beim Thema Bienen- und Insektensterben. Letztlich seien es die Verbraucher und Lobbyisten, die darüber entscheiden würden, was gekauft werde und unter welchen Bedingungen produziert werden dürfe, erinnert Imkerei-Fachberater Bruder.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: