Glosse:Ein Hoch auf die WM-Muffel

Die folgenden 50 Zeilen werden hiermit zur WM-freien Zone erklärt. Sie sind jenen gewidmet, die zum Beispiel Claudia Schiffer nicht in der Fröttmaninger Schüssel mit einem Goldpokal in der Hand sehen wollen.

Karl Forster

Es soll ja immer noch Menschen geben, für die die Wade der Nation unterhalb des Knies von Nadja Auermann beginnt und nicht Michael Ballack gehört. All diesen seien die folgenden 45 Zeilen ans Herz gelegt.

Zu dieser Gruppe gehören auch Sprachkundige, die "olé" für die spanische Version des bayerischen Ausrufs "Auf geht's" halten, Gourmets, die eine Wurst in Fußball-Format zum Frühstück ablehnen, Musikfreunde, die den Vornamen Franz mit dem Nachnamen Ferdinand kombinieren, Lebenslustige, die Biergärten mit Videoleinwänden für ähnlich abstrus erachten wie Schweinsbraten mit Zwetschgenknödel. Ihnen seien folgende 37 Zeilen empfohlen.

Nicht vergessen werden sollten auch diejenigen, die wissen, dass das Wort Fan dem englischen fanatical entlehnt ist, was fanatisch bedeutet, und die diese Eigenschaft grundlegend ablehnen.

Ebenso jene, die auf die Behauptung "Wir sind Deutschland" irritiert um sich schauen und sagen, sie hätten das gerne etwas differenzierter formuliert. Und für die 70.000 grölende Menschen mit halbnackten Bäuchen und in Nationalfarben angepinselte Gesichter eher bedrohlich wirken. Sie sollten diese 27 Zeilen unbedingt verinnerlichen.

Mit Weißbier aufgepumpter Ochsenfrosch

Selbstverständlich sind auch die gemeint, die Waldemar Hartmann für einen mit Weißbier aufgepumpten Ochsenfrosch halten und bei dem Gedanken, dass dieser nun nahezu täglich vom allseits geschätzten Harald Schmidt sekundiert wird, an das lateinische Sprichwort "non olet" denken, erfunden vom römischen Kaiser Vespasian, in toto "pecunia non olet" lautend und bedeutend, dass Pissrinnen-Geld nicht stinkt, was aber, Herr Schmidt, so nun auch wieder nicht ganz stimmt. Auch denen gehören diese 18 Zeilen.

Wobei fast vergessen wurde, dass es Frauen gibt, für die es nichts Schrecklicheres gibt, als wenn der häusliche Fernseher vom Partner okkupiert wird, der, gewandet ins Nationaltrikot, vor sich das Fifa-genehmigte Gesöff aus der Getränkefabrik Anheuser-Bush (Brauerei kann man das ja nicht nennen), jeden Chauvinistenkäse aus dem Mund von Kernerbeckmannrethy in sich aufsaugt wie den Flascheninhalt (dass diese Frauen mit der Fürbitte liebäugeln, beides möge ihm im Halse stecken bleiben, ist nur verständlich). Auch sie gehören zum erlesenen Kreis derer, denen diese dreizehn Zeilen ans Herz gelegt werden.

Zu wirklich guter Letzt sollen jene nicht ausgenommen werden, die Fußball eigentlich wirklich mögen, für die ein gutes Spiel große Freude bedeutet, die eine gelungene Ballannahme nach einem Traumpass in den freien Raum als brillant einzuschätzen wissen; denen aber das ganze Brimborium, das seit dem 6. Juli 2000 um dieses Spiel gemacht wird, schlichtweg auf den Geist geht. Damals bekam Deutschland den WM-Zuschlag. Schade, jetzt gibt es keine Zeilen mehr.

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