Glockenbachviertel:Liebe, Latex und ein bisschen Lippenstift

Hans Sachs-Straßenfest

Obwohl es zwischenzeitlich anfängt zu regnen, kommen auch dieses Jahr wieder so viele Besucher zum Hans-Sachs-Straßen-Fest, dass kaum ein Durchkommen ist.

(Foto: Florian Peljak)

Beim schwulen Straßenfest in der Hans-Sachs-Straße vergnügen sich Tausende Menschen. Längst ist die Veranstaltung mehr als nur eine Szene-Party.

Von Thomas Schmidt

Gamsig"? Oder doch eher "gschamig"? Ihrer innerlichen Verfasstheit konnten die Besucher des Hans-Sachs-Straßenfests via Aufkleber auf dem T-Shirt Ausdruck verleihen. "Bazi" und "Matz" standen auch noch zur Auswahl für all jene, denen "Gamsig" dann doch zu explizit war. Eigentlich passte das alles nicht. Denn - oh, là, là - das diesjährige Motto des schwulen Straßenfests lautete "Liberté, Egalité, Fraternité - die Schwestern feiern die Brüderlichkeit". Und Tausende strömten am Samstagnachmittag zusammen, um mitzufeiern.

Seit nunmehr 25 Jahren findet das Fest auf der für den Verkehr gesperrten Straße im Glockenbachviertel statt und ist längst zur Institution geworden. Sie kämen jedes Jahr extra aus Zürich nach München, um hier zu feiern, berichtet ein exquisites Gentleman-Paar um die 50. "Wegen der Energie", sagt der eine. "Und weil es hier so offen und locker ist", sagt der andere.

Stimmt. Die Atmosphäre ist entspannt, herzlich, fröhlich. Massen schieben, drücken, quetschen sich gut gelaunt an Foodtrucks mit Pulled-Pork-Burgern und Getränke-Ständen vorbei, an denen das kleine Tegernseer vier und die Blaubeerbowle sechs Euro kosten. Abwechselnd schallen französische Chansons und französischer Pop aus den Lautsprechern. Auf der Kappe des DJs prangt in silbernen Versalien "LOVE", dann legt er "I Will Survive" in einer derart basslastigen House-Version auf, dass man nur hoffen kann, dass sie Gloria Gaynor nie zu Ohren kommt.

Hunderte hocken auf den Bordsteinen am Straßenrand, zum "people watching", erklärt eine Grafikdesignerin - weißes Kleidchen, knallroter Lippenstift - als ein stattliches Mannsbild stolzen Schrittes in einer Ganzkörper-Latex-Polizeiuniform an ihr vorbei schreitet. "Man kann als Frau hier ganz entspannt hingehen", sagt sie und grinst, "weil man weiß, hier wird man nicht ständig von irgendwelchen Typen angebaggert." Tatsächlich würdigt der Gummi-Ordnungshüter sie keines Blickes.

Die Menge, sie ist über die Jahre größer geworden. Zum ersten Mal fand das Fest 1991 statt, zum fünften Geburtstag des Münchner Schwulenzentrums Sub. Damals war die Feier noch deutlich kleiner "und die Polizei nervöser", berichtet ein Besucher, der von Anfang an dabei war.

Inzwischen feiern hier rund 10 000 Menschen, nach dem Christopher Street Day ist das Fest die größte Veranstaltung der schwullesbischen Szene in München. Und die Polizei macht auch keinen nervösen Eindruck mehr. Längst trifft sich hier nicht mehr nur die Szene. Studenten, Senioren, Familien mit Kindern verfolgen die Auftritte der "Seligen Maikönigin" auf einer Straßenbühne. Gschamig ist die sicher nicht. Eher schon gamsig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: