"Gleis 11" in den Kammerspielen:Deutschland, ein Keller

Das Gleis 11 am Hauptbahnhof als erstes Ziel in einem fremden Land: Ein dokumentarisches Theaterprojekt an den Kammerspielen zeigt, wie das Leben tausender Gastarbeiter nach ihrer Ankunft im München der 60er und 70er Jahren aussah.

Ana Maria Michel

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Das Gleis 11 am Hauptbahnhof als erstes Ziel in einem fremden Land: Ein dokumentarisches Theaterprojekt an den Kammerspielen zeigt, wie das Leben tausender Gastarbeiter nach ihrer Ankunft im München der 60er und 70er Jahre aussah.

Die Kammerspiele haben Münchens Bahnhofsviertel für ihr Stadtprojekt Munich Central zum eigentlichen Zentrum der Stadt erklärt. Drei Wochen lang wird in der Gegend um den Hauptbahnhof Theater gespielt.

Die Auftaktveranstaltung "Gleis 11" lässt Gastarbeiter zu Wort kommen, die in den 60er und 70er Jahren ihre Heimat verließen, um in Deutschland Arbeit zu finden. Die Regisseurin Christine Umpfenbach arbeitet dabei mit den Zeitzeugen als Laiendarsteller: Sie erzählen dem Publikum bei dieser ungewöhnlichen Theater-Premiere ihre Geschichten. Sie alle kamen einst an Gleis 11 des Münchner Hauptbahnhofs an und wurden dann in den Bunker gebracht, der direkt daneben liegt. Die Zuschauer  werden durch den Originalschauplatz geführt -  in jedem Raum wartet ein anderer Zeitzeuge.

Im Bunker gibt Kurt Spennesberger mit dem Megafon die Anweisungen. 1969 hat er als damals 18-Jähriger bereits dafür gesorgt, dass die Gastarbeiter schnell in die Städte weitergeleitet wurden, wo sie Arbeit erwartete. Die Zuschauer haben vorher Koffer und grüne Arbeitsverträge in die Hand gedrückt bekommen, um die Ankunft der Gastarbeiter nacherleben zu können.

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Adalet Günel (links) und Nilgün Dikmen kamen 1971 aus der Türkei nach Deutschland. Sie lernten sich in Istanbul bei der medizinischen Untersuchung der Gastarbeiterinnen kennen und erlebten die 48-stündige Zugfahrt nach Deutschland gemeinsam. Doch als sie in München ankam, war Günel enttäuscht - sie fand sich in einem kalten Keller wieder. Deutschland hatte sie sich anders vorgestellt.

Nach der Zeit im Bunker verloren Günel und Dikmen sich aus den Augen. Aber dann trafen sie sich in den Agfa-Werken in München wieder, wurden Nachbarinnen und blieben Freundinnen.

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Quelle: Andrea Huber/oh

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Eleni Delidimmitriou-Tsakmaki verließ 1960 Griechenland und ging nach Deutschland. Ihre Kinder musste sie in der Heimat bei Verwandten zurücklassen. Mittlerweile lebt ihre Familie in vierter Generation in Deutschland. Delidimmitriou-Tsakmaki hat angefangen Theaterstücke zu schreiben, um ihre Erlebnisse in einem fremden Land besser verarbeiten zu können.

Im Hintergrund läuft die Aufnahme eines ihrer Stücke. Die Personen sprechen griechisch, Delidimmitriou-Tsakmaki übersetzt. Es geht um alte Frauen und Kinder, die in einem griechischen Dorf auf Nachrichten ihrer Kinder und Eltern warten, die nach Deutschland gereist sind.

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Anni Racz (rechts) arbeitete in den 60er und 70er Jahren als Reinigungskraft im Bunker. Täglich musste sie die Räume nach der Durchreise hunderter Menschen aus verschiedenen Ländern reinigen.

Bei der Premiere von "Gleis 11" holt sich Frau Racz Hilfe. Und so finden sich zwei Zuschauerinnen plötzlich in Kitteln wieder.

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Der Italiener Nicolo Pau versuchte 1960 sein Glück in Deutschland. Als junger Mann erhoffte er sich, genug Geld zu verdienen, um sich eine Ducati leisten zu können. Aber es kam anders als gedacht: Am Stachus begegnete er Elisabeth - der Liebe seines Lebens. Gemeinsam berichten sie von den Vorbehalten der Menschen gegenüber interkulturellen Ehen.

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Ethem Kocer verließ 1965 die Türkei und ging nach München. Er berichtet  von seiner Schneiderei im türkischen Polatli und von den Gründen für seinen Aufbruch: Für Gastarbeiter wie ihn war die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Ferne entscheidend - auch wenn das bedeutete, vieles für eine unsichere Zukunft aufgeben zu müssen.

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Milica Stjepanovic (links) verschlug es 1970 aus Jugoslawien über München nach Braunschweig. Die Witwe musste ihre Kinder in der Heimat zurücklassen. Nur so konnte sie ihre Familie unterstützen, denn ein Teil des in Deutschland verdienten Geldes schickte sie nach Jugoslawien. Das Verhältnis zu ihren Kindern, die später nach Deutschland nachgekommen sind, ist heute nicht einfach. Am Schluss zeigt sie den Zuschauern dennoch stolz ihre Familienfotos.

Weitere Termine für das Theaterprojekt "Gleis 11": 6. Juni, 12. Juni, 19. Juni und 20. Juni jeweils um 20 Uhr, Treffpunkt ist Gleis 11 im Münchner Hauptbahnhof, www.munich-central.de.

© sueddeutsche.de/aho/mel
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