Giraffen in Hellabrunn:100 Prozent Frauenquote

Was Dax-Konzerne nicht schaffen, ist in Hellabrunn bald Alltag: Die Giraffenweibchen sind in der absoluten Mehrheit. Schuld daran ist der viele Nachwuchs.

Von Elisa Harlan

"Jacobus Maximus", ruft eine junge Mutter laut, "geh bitte weg vom Giraffenzaun." Jacobus Maximus hüpft erst mal in eine Pfütze. Die drei Giraffendamen Taziyah, Bahati und Limber schauen zu und malmen dabei Blätter, zwirbeln mit den kleinen Ohren. Ansonsten stehen sie still wie Schirmakazien. Giraffenmann Naledi steht weiter hinten in einem abgesperrten Bereich und schwingt seinen Kopf über den Metallzaun. Alle vier Giraffen beobachten, wie die Mutter ihren Sohn leise schimpft.

Die Zeit der Viersamkeit geht hier bald zu Ende: Für die Giraffenweibchen im Zoo Hellabrunn heißt es, Abschied zu nehmen von ihrem letzten Mann, Naledi. Das letzte Giraffen-Männchen wird Hellabrunn verlassen, um im Zoo Neapel eine Giraffen-Männertruppe zu verstärken.

Schuld an der Geschlechtertrennung ist ein Giraffenüberschuss

Hier Weibchen, da Bullen. Schuld an dieser Trennung ist das europäische Erhaltungszuchtprogramm für Zootiere. Ein Expertenteam hat festgestellt, dass es seit geraumer Zeit in europäischen Zoos zu viele Giraffen gibt, weil diese sehr fortpflanzungsfreudig sind. Die Giraffenkühe bekommen alle drei Jahre ein Kalb. Wenn ein Junges geboren wird, ist es schwierig, in einem Zoo einen Platz für es zu finden. Das Programm regelt zooübergreifend die Zucht. Ziel ist, Tiere mit ausreichend genetischer Diversität in den Zoos zu erhalten. Die tierische Vermittlungsbörse gibt es auch, um bedrohte Arten zu schützen.

Weltweit gilt die Giraffe zwar als gefährdete Tierart, in Zoos gibt es jedoch zu viele der Tiere. Deshalb steht nun bald eine rein weibliche Singlegruppe in Hellabrunn im Giraffenhaus. Beatrix Köhler findet das gut. Sie ist Kuratorin im Tierpark und verantwortlich für die riesigen Tiere. "Eine weibliche Gruppe ist gut zu halten." Keine Zickereien also? "Nein, die sind sehr nett zueinander." Auch die Jungs untereinander sind wohl recht pflegeleicht, insgesamt handelt es sich um sehr verträgliche Tiere.

Giraffen in Hellabrunn: Giraffendamen im Tierpark Hellabrunn

Giraffendamen im Tierpark Hellabrunn

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Köhler ist in Hellabrunn als Kuratorin für Säugetiere und Vögel tätig, eigentlich handelt es sich dabei um einen Job am Schreibtisch. Sie stapft also eher nicht in Gummistiefeln und Ganzkörperanzug in das Giraffengehege, doch weiß sie alles über die bis zu 5,70 Meter hohen Tiere. Seit 1984 arbeitet sie im Tierpark und steckt in den Job viel Herzblut. Die Giraffe sei ein "typisches Zootier", sagt Köhler, fast alle Zoos hätten daher welche. Bei ihr ist zu spüren: Dieses Zootier weckt in ihr immer noch Begeisterung.

Nicht nur mit ihrem Hals stellen Giraffen einen Rekord auf

Zur Mittagsessenszeit legt der Tierpfleger Gras in einen Korb. Augenblicklich galoppieren die drei Giraffendamen los und kommen kurz vor dem Pfleger zum Stehen. Staub wird aufgewirbelt. Mit ihren leichten X-Beinen können Giraffen bis zu 60 Kilometer pro Stunde rennen. Ein bisschen Futter fällt zu Boden. Die kleinste der drei Giraffen, Taziyah, spreizt ihre Vorderbeine, um mit ihrem Maul auf den Boden zu kommen. Es sieht anstrengend aus. Wenn sich eine Giraffe bücken will, muss sie den Kopf mit der Kraft ihrer Halsmuskeln herunterziehen. Später kann sie einfach lockerlassen, dann hebt die starke Halssehne den Kopf wieder auf normale Höhe an, wie ein Katapult. Die Halswirbel der Giraffen sind bis zu 40 Zentimeter lang, das ist einmalig in der Tierwelt. Giraffen können aber noch andere Rekorde aufweisen: Sie verbringen die meiste Zeit ihres Lebens stehend auf ihren vier dünnen Beinen. Sie schlafen nur zwei Stunden am Tag und selbst das machen sie im Stehen. Nur für den Tiefschlaf, der wenige Minuten dauert, legt sich die Giraffe hin und legt den Kopf auf ihren Körper.

Giraffen in Hellabrunn: Giraffen sind sehr gelenkig

Giraffen sind sehr gelenkig

(Foto: Natalie Neomi Isser)

"Schon die Geburt der Tiere ist faszinierend", sagt Köhler. Aus knapp zwei Metern Höhe plumpsen die Giraffenbabys in die Welt. Die Hörnchen der Giraffe sind bei der Geburt noch so weich wie bei einer Schnecke, damit die Mutter nicht verletzt wird. Die knapp zwei Meter hohen Giraffenkinder sind schon nach einer Dreiviertelstunde Lebenszeit bereit für den ersten Sprint.

Vor einem Jahr machte eine Giraffe unerfreuliche Schlagzeilen

In Hellabrunn können die Giraffen in einem mehr als 10 000 Quadratmeter großen Gehege im Stil einer afrikanischen Feuchtsavanne herum galoppieren. Die Tiere in Hellabrunn werden teilweise älter als in freier Wildbahn, fast 30 Jahre. Köhler spricht nicht gerne von Tieren in Gefangenschaft, "Tiere in menschlicher Obhut" ist ihre Formulierung. Sie weiß, dass die Haltung und das Leben von Zootieren viele Menschen bewegt. Daher zuckt sie ein wenig, als der Name Marius fällt. Der Giraffenbulle Marius aus dem Kopenhagener Zoo war vor über einem Jahr mit einem Bolzenschuss getötet und dann vor den Augen der Zoobesucher zerteilt und an die Raubtiere verfüttert worden. "Ja, die Dänen gehen da etwas anders ran", sagt Köhler vorsichtig. "Bei uns gibt's ja auch immer noch das Tierschutzgesetz." Es sei aber natürlich auch in Hellabrunn so, dass Ziegen und andere Tiere für das Füttern getötet würden, daran führe kein Weg vorbei.

Die Giraffen sind aber Vegetarier. Schon bald soll der Savannenbereich im Tierpark vergrößert werden und eine afrikanische Landschaft entstehen, in der die Giraffen mit Zebras zusammenleben werden. Dann bekommt die Giraffen-Girlgroup auch noch Nachschub: Bis zu vier neue, weibliche Giraffen wolle Hellabrunn noch aufnehmen, sagt Köhler. Nachwuchs also, obwohl die Männer weg sind.

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