Giesing:Zukunft lässt sich flechten

Die Münchner Jan und Carina Weltzien importieren traditionelle Körbe aus Tansania nach Deutschland. Ihr Ziel ist es, den Frauen in Ostafrika eine eigenständige Existenz zu ermöglichen

Von Johannes Korsche, Giesing

Auf dem Esstisch steht ein geflochtener Einkaufskorb, engmaschig sind die Milulu-Gräser - bevorzugter Rohstoff für tansanische Körbe - ineinander verschlungen. An einem farbigen Stoffhenkel hängt ein kleiner Zettel, der die Geschichte von Leokadia Nyalusi erzählt. Sie hat in Tansania den Korb in "gut 20 Stunden Handarbeit" hergestellt, sagt Jan Weltzien. Gemeinsam mit seiner Frau Carina will er die traditionellen Körbe aus Tansania nach Deutschland bringen. Dafür gründeten sie das soziale Start-Up "Vikapu Bomba" und wollen so beweisen, dass "ökonomisch, ökologisch und sozial nicht in einem Widerspruch zueinander stehen".

Der kleine Zettel an dem Korb gibt dazu die Erklärungen. Die 37-jährige Nyalusi lebt in Iringa in Zentral-Tansania; seit sie für Vikapu Bomba, zu Deutsch "fantastische Körbe" arbeitet, ernährt sie alleine Mann und drei Kinder. Das Einkommen finanziert außerdem einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb. Ein wenig kommt das Gefühl auf, als ob Nyalusi in diesem Moment mit an dem Esstisch in der Giesinger Wohnung sitzt. "Der persönliche Bezug zwischen Korb und Flechterin ist uns sehr wichtig", sagt Carina Weltzien. Nyalusi ist eine von 60 "Mamas", wie die Flechterinnen bei Vikapu Bomba heißen.

Giesing: Kleine Kärtchen an den Taschen erzählen Geschichten aus dem ostafrikanischen Land.

Kleine Kärtchen an den Taschen erzählen Geschichten aus dem ostafrikanischen Land.

(Foto: privat)

Vikapu Bomba - "das ist Frauenpower", sagt Carina Weltzien; und das nicht nur wegen der "Mamas". Die Initiative wurde 2011 von der Tansanierin Catherine Shembilu gegründet. "Dass die Frauen unabhängig von den Männern gut überleben können", ist für Carina Weltzien das Besondere - und sie betont das Wort "gut" mit Nachdruck. Denn die faire Bezahlung ist ein zentrales Anliegen der Weltziens. Für einen Korb bekommt Nyalusi in etwa zehn US-Dollar, umgerechnet derzeit 8,96 Euro. Unabhängig davon, ob die Weltziens den Korb verkaufen - mehr als doppelt so viel wie auf dem lokalen Markt.

Dass die Körbe nun nach Deutschland kommen, ist letztlich Zufall. Denn nichts anderes war es, als Jan Weltzien 2014 seinen Schulfreund Ueli Litscher in London traf. Litscher baute damals Vikapu Bomba in Tansania gemeinsam mit Shembilu auf und erzählte von seinem Projekt. Sofort war Jan Weltzien begeistert - von dem Fair-Trade-Prinzip und den kleinen Zetteln, die an den Körben hängen. Und überzeugt hat ihn, dass es sich bei dem Projekt nicht um klassische Entwicklungshilfe handelt, die "oft gut gemeint aber nicht nachhaltig ist". Die Idee für die "fantastischen Körbe" komme aus der Kultur und Tradition des Landes, sei keine westliche Besserwisserei.

Giesing: Arbeiten für ein besseres Leben: Leokadia Nyalusi (rechts) und ihre Mitstreiterinnen flechten in Tansania Körbe aus Milulu-Gräsern.

Arbeiten für ein besseres Leben: Leokadia Nyalusi (rechts) und ihre Mitstreiterinnen flechten in Tansania Körbe aus Milulu-Gräsern.

(Foto: privat)

Seine Skepsis gegenüber gängiger Entwicklungshilfe hat Jan Weltzien seit seiner Schulzeit im Libanon. Seine Eltern, beide evangelische Pfarrer, hatten dort viele Projekte angestoßen, oft sei das Engagement aber nicht langfristig möglich gewesen: "Es ist immer eine Unsicherheit, wenn etwas spendenabhängig ist." Vikapu Bomba soll eines Tages wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen, damit "alle davon leben können". Denn noch stecken die Weltziens neben ihrer Zeit auch eigenes Geld in das Start-up. Carina Weltzien arbeitet tagsüber in einer Krankenhausapotheke, ihr Mann bei einer Versicherung. Für Vikapu Bomba arbeitet das Ehepaar nachts.

Ein Schnäppchen sind die Körbe in Deutschland allerdings nicht mehr, sie kosten rund 60 Euro. "Doch wir verdienen nichts daran", betont Jan Weltzien. Alleine die Transport-Logistik kostet pro Exemplar etwa 30 Euro; der Rest des Geldes geht nach Tansania. Der Verkaufserlös der ersten 250 Einkaufskörbe, 20 Waschkörbe und 300 dreiteiligen Korbsets soll ein Ausbildungshaus für 100 weitere "Mamas" finanzieren.

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