Giesing:Sportlicher Abend

Im Mittelpunkt der Anwohnerversammlung stehen die Belästigungen rund um das Sechziger-Stadion

Von Julian Raff, Giesing

Wären die Löwen vor fünf Monaten tatsächlich in die dritte Bundesliga abgestiegen und in ihr Heimatstadion an der Grünwalder Straße umgezogen, bekämen sie wohl nicht nur die dortigen Ränge voll, sondern auch die 500 Sitzplätze in der Säbenerhalle, wo sich am Donnerstagabend Stadion-Anrainer zum Austausch mit Vereinslenkern, Polizei und Kommunalpolitikern trafen. Mit dem haarscharf geglückten Klassenerhalt beschränken sich die Probleme aktuell auf das ein- bis zweimal jährlich stattfindende Amateurderby zwischen TSV 1860 und FC Bayern (FCB) - es kamen also gerade mal 50 Giesinger. Die allerdings hatten manch Unschönes zu berichten, entsprechend lebhaft verlief die Einwohnerversammlung.

Besonders hart traf es offenbar Anwohner der Martin-Luther-Straße, in der es beim letzten "kleinen Derby" am 2. August zu Tumulten gekommen war. Nachbarn berichteten, sie seien stundenlang am Verlassen oder Betreten ihrer Häuser gehindert worden. Michael Dibowski, Leiter der Giesinger Polizeiinspektion 23, bestätigte zwar 13 Festnahmen durch die Kollegen von Unterstützungskommando und Bereitschaftspolizei, Fußgänger hätten seiner Information nach aber jederzeit passieren können. Dass ein Kollege bei anderer Gelegenheit einem entnervten Anwohner wohl empfohlen habe, einfach wegzuziehen, sei natürlich völlig inakzeptabel, so Dibowski.

Regionalliga-Derby FC Bayern München II - TSV 1860 München II, 2015

Bei den Lokal-Derbys geht es nicht nur im Stadion rund.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Nicht gleich aus seinem Viertel vertrieben, aber schwer belästigt fühlt sich ein Anwohner aus der Wirtstraße - und zwar vor allem von den großen Basstrommeln, mit denen Fans ganz legal ihre Mannschaften anfeuern und so einen "Wummerteppich" übers ganze Viertel legen. Auf die Pauke zu hauen, das gehört dagegen für Löwen-Geschäftsführer Markus Rejek wie auch für seinen beim FCB für Spielorganisation und Fanbetreuung zuständigen Kollegen Frank Rummler zu einer, "Fußballkultur", die im Viertel durchaus ihre Fürsprecher hat. Klaus Hahnzog (SPD), Giesinger und von 1984 bis 1990 Münchens Dritter Bürgermeister, erinnerte an die große Zeit des immerhin 104 Jahre alten Sechziger-Stadions, mit bis zu 60 000 Erstligafans: "Diese sehr individualistischen Beschwerden gab es damals nicht." Als reine "Folklore" stufte dagegen ein Anwohner die Symbiose Giesing und Fußball ein, jedenfalls müsse man deshalb "nicht mit allem leben, was schief läuft".

Eindeutig nicht mehr zur Fußballkultur, so weit war man sich einig, gehören jedenfalls voll gebieselte Hauseingänge. Das Problem häuft sich offenbar vor den regulären Amateurspielen, wenn die Gastfans aus ihren Bussen steigen und schleunigst Erleichterung suchen. Ein paar Dixie-Klos bei den Bushalteplätzen am Candidplatz könnten Abhilfe schaffen, falls die Fanbusse wirklich dort halten und nicht illegalerweise in der Tegernseer Landstraße, wie andere Anwohner monierten.

b a Lokalderby Amateure Bayern München gegen 1860 Ein starkes Polizeiaufgebot verhindert zur Zeit d

Auch auf den Straßen ist viel los.

(Foto: Westermann/Imago)

Aus Polizeisicht völlig unproblematisch gestaltet sich bei Gast-Spielen dagegen die "Fantrennung", eben weil auswärtige Anhänger gruppenweise per Bus oder Bahn anreisen. Beim Derby dagegen, ließen sich die Streithähne umso schwerer auseinander halten. Schließlich, so Dibowski, würden Sechziger- und Bayern-Fans ja manchmal sogar im selben Haus wohnen und von dort aus losziehen. Das viel kritisierte Aufgebot von gut 1000 Beamten beim vorletzten Derby am 6. April habe da schon seine Gründe gehabt, so der örtliche Polizeichef. Der größte Teil des Spielbetriebs im städtischen Stadion laufe sowieso beinahe unbemerkt, wie Günter Schwarz anmerkte, beim Referat für Bildung und Sport (RBS) zuständig für, wie er sagte, "Deutschlands meistbespieltes Stadion". Die regelmäßigen Erstliga- oder Champions-League-Spiele der Bayern-Damen würden zum Beispiel nur deshalb von zwei Polizeibeamten begleitet, weil die Statuten von DFB und UEFA dies fordern.

Die Hauptsorge der Anwohner gilt aber der möglichen Zukunft - sei es der Abstieg in die dritte Liga oder der Bau einer eigenen Löwen-Arena am Stadtrand. Sollte sich der TSV diesen Traum tatsächlich erfüllen können, käme eine zwei- bis dreijährige Zwischennutzung des Stadions durchaus in Frage, räumte Geschäftsführer Rejek ein. Derzeit ist die Anlage nur für Amateurspiele zugelassen. Ein profitauglicher Ausbau auf 20 000 Plätze wäre aber zumindest technisch möglich, ergänzte Schwarz. Sollte es so weit kommen, werde zumindest nicht über die Köpfe der Anwohner hinweg entschieden. Der Bezirksausschuss-Vorsitzende Clemens Baumgärtner (CSU) versprach im Fall der Fälle eine "Bürgerwerkstatt".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: