Ghostwriter für Online-Partnerbörsen:Liebesbriefe ohne Herzklopfen

Andy Laufer und Ingo Möbius

Ingo Möbius, links, 47, und Andreas Laufer, 42, betreiben zusammen den Webdienst suredate.de, wo sie Männern eine Rundumbetreuung ihrer Online-Datingprofile anbieten.

(Foto: Jakob Berr)

Frauen kennenlernen? Für Andreas Laufer und Ingo Möbius kein Problem. Sie sind Ghostwriter für heiratswillige Männer - und verfassen deren Profiltexte bei Online-Partnerbörsen. Zum ersten Date muss der Mann dann aber selbst.

Von Lenka Jaloviecova

Ein Mann seiner Körpergröße fällt auf. Er hat braune Augen, sehr kurze Haare, eine sportliche Figur, trägt ein bunt-kariertes Hemd und lächelt. Und: Er ist auf der Suche nach der passenden Frau. Allerdings nicht in einem Café oder einer Bar, wie es vielleicht früher der Fall gewesen sein mag, sondern in der virtuellen Welt.

Auf seinem Profil heißt es: Freddie (Name von der Redaktion geändert) ist Nichtraucher, ernährt sich von Fast Food, mag aber auch gesunde Küche - ob italienisch, französisch oder asiatisch ist ihm egal. Dort steht auch: Freddie geht gerne ins Kino, reist, macht Sport, hört Musik und geht gelegentlich aus - so wie viele andere Männer auch.

Aber eines fällt auf: Freddie kann kochen. Das behauptet er zumindest auf seinem Profil. "Es stimmt auch", bestätigt er. Sein Foto im Anzug wirkt sehr lässig, lässiger als er an diesem Abend wirkt. Aber ansprechen soll es möglichst viele Frauen. Denn Freddie, 40-jähriger Arzt aus München, möchte nicht mehr Single sein. Und Andreas Laufer hilft ihm dabei. Laufer hat Freddies Online-Profil erstellt und sucht in dessen Auftrag im Internet die passende Frau für ihn - nicht als Freundschaftsdienst, mit dieser Dienstleistung verdient Laufer Geld.

Frauen kennenlernen? Für den Surfprofi Laufer kein Problem. Erst dieses Jahr hat Laufer, von einer englischen Zeitschrift zur "größten Windsurf-Partykanone aller Zeiten" ernannt, mit 43 Jahren sein Comeback als Surfer gegeben. Als er 2005 erst einmal sein Karriereende verkündete, startete er seine berufliche Karriere - nächste Überraschung - in einem Finanzbetrieb.

Die Branche war nichts für ihn, sagt er, sie sei schlimm gewesen. Aber für ausgefallene Ideen ist der 43-Jährige immer zu begeistern. Und deswegen gründete er mit seinem Geschäftspartner Ingo Möbius, 47, Anfang September die Online-Ghostwriting-Agentur Suredate für Menschen wie Freddie.

Harte Arbeit

In seinem neuen Job spielt er nun den Amor für einsame Herzen und organisiert für seine Kunden romantische Verabredungen. Denn einen Partner fürs Leben im Internet zu finden, ist harte Arbeit und erfordert viel Zeitaufwand. Nicht einfach für die sogenannten Workaholics wie Freddie. Zurzeit ist der Arzt einer von vier Klienten, insgesamt betreuten Laufer und Möbius an die 20 Männer.

Freddie passt genau in Laufers Kundenprofil: gut bezahlter Job, sehr beschäftigt, mittleres Alter, auf der Suche. "Ich habe keine Zeit und Lust auf Rumschreiben und Profile durchgucken", sagt der 40-Jährige. Laufer und Möbius, die sich seit mehr als 25 Jahren aus der Surfszene kennen, ist diese Einstellung aus ihrem Freundeskreis bekannt. Deswegen kam ihnen die Idee eines neuen Berufs: eine Art Online-Flirtassistent. Ihre neue Tätigkeit haben sie zunächst an einem Freund ausprobiert, der verzweifelt nach einem Date suchte, aber vom Online-Dating nicht viel hält. Der Testlauf war erfolgreich, dann machten sie ernst.

In Deutschland ist diese Idee eine Marktlücke, im Ausland jedoch nicht neu. Das Konzept stammt aus den USA und ist dort seit drei Jahren als "Virtual Dating Assistants" bekannt. Laufer und Möbius versuchen sich nun mit dieser Idee in Deutschland. Hier nutzen mittlerweile acht Millionen Menschen Online-Singlebörsen. Das ergab eine Studie von Partnersuche.de.

Der Grund, weshalb so viele den Weg ins Internet suchen ist der Münchner Paartherapeutin Andrea Bräu bekannt: "Das Internet ist heutzutage immer mehr präsent. Ich kann alles kaufen und haben, was ich möchte. Wieso nicht auch eine Frau?" Das Online-Dating gehöre zur heutigen Gesellschaft dazu. Die Menschen seien sehr beschäftigt und wüssten außerhalb ihrer Arbeit nichts mit sich anzufangen.

Laufers Ghostwriting-Agentur geht aber Bräus Meinung nach noch eine Stufe weiter als die Online-Partnerbörsen. "Ich finde es schon dekadent. Jetzt lässt man sich auch noch die Frau im Internet suchen", sagt sie. Dennoch ist die Münchnerin davon überzeugt, dass solche Beziehungen, die im Netz entstanden sind, durchaus halten können und sagt: "Vor zehn Jahren sprach man über das Kennenlernen im Internet noch unter vorgehaltener Hand. Das hat sich nun geändert."

"Partnerschaft gehört zu unseren Grundbedürfnissen"

In München einen Partner zu finden, sollte demnach nicht so schwer sein. Immerhin leben hier die meisten Singles in Deutschland. Ihnen fällt es schwer alleine zu bleiben. "Denn die Partnerschaft gehört zu unseren Grundbedürfnissen", sagt Bräu.

Wunder vollbringen kann Laufer bei der Suche nach einer möglichen Beziehung aber nicht. "Der Kunde muss da schon realistisch sein und darf kein Topmodell erwarten." Falls er es nicht schafft, innerhalb eines Monats eine bestimmte Anzahl an Dates zu organisieren, bekommt der Kunde sein Geld zurück. Das was er bezahlt, ist nicht wenig: Ein einzelnes Date kostet 99 Euro, der Rundum-Service 699 Euro - im Monat. "Dabei sind wir billiger als die Kollegen in den USA", betont Laufer.

"Geflirtet wird natürlich auch"

Seine Aufgaben als Online-Flirtassistent könnte man so beschreiben: Er chattet für seinen Kunden auf einer der zahlreichen Single-oder Partnerbörsen mit potenziellen Partnerinnen, um ein Date auszumachen. "Sie gehen ziemlich gezielt aufs Date", sagt Freddie. Im Detail heißt es: Laufer und Möbius bauen nach den Informationen des Kunden ein Profil auf - falls noch nicht vorhanden - und stellen es auf eine Dating-Agentur.

Der Kunde wählt aus der Favoritenliste die für ihn in Frage kommenden Frauen aus, und dann geht die Arbeit für die beiden Flirtassistenten erst richtig los: chatten, bis ein Date für ihren Geldgeber herausspringt. "Meistens geht es am Anfang um die Fragen, wie lange man schon alleine ist oder ob man sich mit anderen trifft. Geflirtet wird natürlich auch. Das Gespräch kann man in die gewollte Richtung steuern", sagt Möbius.

Sobald er erfolgreich war, informiert er seinen Kunden über Ort, Uhrzeit des Treffens und gibt ihm einen kleinen Spickzettel mit auf den Weg. Es handelt sich um eine Art Flirtprotokoll, damit es beim richtigen Treffen bloß keine peinlichen Verwechslungen und Wissenslücken gibt. Damit wäre für Amor Laufer und Liebesengel Möbius die Arbeit getan.

Geklappt habe es schon oft. Sagen zumindest die beiden Flirtassistenten - und städteübergreifend funktioniert es auch. "Ich hatte schon drei Dates, eins sogar in Berlin. Das war ganz nett. Demnächst kommt sie sogar für ein paar Tage nach München - zu Besuch", erzählt Freddie und fügt an, dass er mit der getroffenen Auswahl der Frauen von Laufer und Möbius vollkommen zufrieden sei. "Es ist auch alles seriös abgelaufen."

Ob er dabei moralische Bedenken habe? Freddie überlegt, zögert, sucht nach den passenden Worten. "Es ist ein bisschen blöd, aber so dermaßen angenehm. Und es ist nicht so wichtig, was du schreibst. Das Foto und die erste Begegnung sind zu 80, 90 Prozent entscheidend." Das sieht die Paartherapeutin Bräu anders. Bei einem Chat könne man viel zwischen den Zeilen lesen und über einen Menschen einiges erfahren. "Auch wie schnell jemand antwortet und auf welche Sachverhalte er eingeht, verrät viel über eine Person", sagt die 47-Jährige.

Laufer und Möbius lassen keine Zweifel auf. "Das Kennenlernen im Internet fängt mit der ersten Begegnung an". Politiker haben auch Assistenten, die ihre Reden verfassen. Und "eigentlich greifen wir auf eine lange Tradition zurück. Sogar im Mittelalter haben Schriftgelehrte für ihre Burgherren Liebesbriefe verfasst", sagt Möbius. "Und wir tun den Menschen damit etwas Gutes", fügt Laufer hinzu. Zu einer Liebesgeschichte haben sie bereits beigetragen, der einzigen bis jetzt. Sie wollen vor allem bei seriösen Partnerschaften behilflich sein. "Das große Ziel ist es, mal für eine große Hochzeit verantwortlich zu sein", sagt Laufer.

Vielleicht klappt es ja bei Freddie, es läuft bis jetzt zumindest ganz gut. Auf seinen Besuch aus Berlin freut er sich schon. Ihr hat er auch erzählt, dass es nicht er war, der sie angeschrieben und mit ihr im Internet geflirtet hat. Ihre Reaktion: Erst sei sie kurz still gewesen, dann habe sie gelacht und es lustig gefunden, erzählt Freddie und verrät: "Gesagt habe ich es ihr aber erst, als wir uns schon sehr gut verstanden haben."

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