Gewerbeflächen:Platz nach oben

München erlebt einen neuen Boom auf dem Markt für Büroflächen. Neue Großprojekte entstehen - die Leerstandrate sinkt auf ein Rekordniveau

Von Alfred Dürr

Die alten Riesen aus grauem Beton beginnen zu bröckeln, bald machen sie einem Ensemble aus modernen Türmen mit glitzernden Fassaden Platz. Am Vogelweideplatz im Münchner Osten haben die Abbrucharbeiten auf dem 23 000 Quadratmeter umfassenden Areal am Beginn der Passauer Autobahn begonnen. Es geht um Platz für ein Ensemble von vier Hochhäusern mit 83, 72, 53 und 46 Metern Höhe. Der Münchner Projektentwickler Bayern Projekt realisiert das Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von 400 Millionen Euro für die Eigentümer Zurich sowie die Bogenhausener Tor Immobilien GmbH. Der Entwurf für die drei Büro-Hochhäuser und einen Hotel-Turm mit 344 Zimmern stammt von dem spanischen Büro Nieto Sobejano Arquitectos. 2018 sollen die Mieter einziehen können. Doch nicht nur hier werden neue Büros gebaut: vom Vogelweideplatz zum unweit des Hauptbahnhofs gelegenen Neubaugebiet Arnulfpark. Auch hier entsteht ein spektakuläres Bürohaus-Projekt. Es heißt "Nove" und will mit italienischem Palazzo-Flair punkten. Der Mailänder Architekt Antonio Citterio, der sonst für allerlei internationale Luxusmarken seine Designkreationen abliefert und Hotels an den schönsten Plätzen der Welt entwirft, gestaltet hier einen Bürobau. Was ist los auf dem Münchner Gewerbemarkt? Angesichts des Mangels an erschwinglichen Mietwohnungen, hat sich in letzter Zeit vieles auf den Wohnungsbau konzentriert. Bürogebäude haben viele hauptsächlich durch die großen Schilder "Flächen zu vermieten" wahrgenommen, die oft sehr lange hingen und wie Hilfeschreie wirkten.

Doch die Zeiten des Überangebots und des hohen Leerstandes sind offensichtlich vorbei. München erlebt einen neuen Boom auf dem Markt für Büroflächen. Dieser profitiere weiter von der zunehmend positiven Entwicklung der deutschen Wirtschaft, stellt der Immobiliendienstleister CBRE in seinem jüngsten Quartalsbericht fest. Dort spricht man von den umsatzstärksten ersten drei Monaten seit 2008. Die sogenannte Leerstandsrate in München sinke auf ein Rekordniveau. Viele Unternehmen nutzten die gute wirtschaftliche Lage dazu, ihre Raumsituation zu optimieren und in modernere und größere Büros umzuziehen. In München gebe es geradezu einen Run auf Gewerbeimmobilien. Alle großen Bürohaus-Makler kommen zu ähnlichen Erkenntnissen.

Gewerbeflächen: Neue Büros für die Stadt: Am Vogelweideplatz entstehen in den nächsten Jahren die Bavaria Towers.

Neue Büros für die Stadt: Am Vogelweideplatz entstehen in den nächsten Jahren die Bavaria Towers.

(Foto: Privat)

In der Zeit um die Finanzkrise des Jahres 2008 sind viele neue Projekte nicht verwirklicht worden, damit kamen auch wenig neue Flächen auf den Markt. "Das spürt man jetzt", sagt Rainer Knapek von CBRE: "Da ist enorm viel Dynamik im Markt." Die sogenannten Großgesuche nähmen unerwartet deutlich zu. Das geringe Neubauvolumen an attraktiven und modernen Büroimmobilien führe nicht nur in München zu Engpässen, sagt Ferdinand Spies. Er ist Geschäftsführer der Horus Development GmbH, die im Arnulfpark das Palazzo-Projekt "Nove" realisiert. Auch er nennt als Ursachen die Nachwirkungen der Finanzkrise sowie die Konzentration auf den Wohnungsbau. Entsprechend groß sei nun das Interesse der Unternehmen an Flächen in seinem Neubauprojekt. Wenn dann auch noch eine ansprechende Gestaltung und der Blick auf die Alpen dazukomme, seien die Kunden auch durchaus bereit, ein höheres Mietpreisniveau zu akzeptieren.

Das sieht Sven Renz, Geschäftsführer der Bayern Projekt GmbH, ähnlich: "Die Vermietung der Türme wird in Kürze starten." Die Bavaria Towers hätten bereits für viel Aufsehen auf dem Münchner Büromarkt gesorgt. "Es gibt schon vor dem Start der offiziellen Vermarktung großes Interesse aus unterschiedlichen Branchen", sagt er.

Lange genug hat es gedauert, bis die Abrissbagger am Vogelweideplatz mit seiner unattraktiven Ansammlung von hohen, aber auch sehr schlichten Gewerbebauten aufgefahren sind. Es war ein kompliziertes Verfahren, berichtet Renz, mit Architektenwettbewerb und vielen Abstimmungen mit der Stadt. Schließlich geht es hier um ein ganzes Hochhaus-Ensemble, bei dem Sichtbeziehungen aus der Innenstadt gewahrt werden müssen. Fachleute interpretieren die lange Planungszeit aber auch anders: Man habe den richtigen Zeitpunkt für die Vermarktung abgewartet, und der sei jetzt wohl gekommen. Ob das Projekt die Hochhausdiskussion in München belebt, steht auf einem anderen Blatt. Oberbürgermeister Dieter Reiter ist zwar aufgeschlossen, wenn es um Projekte geht, die das übliche Maß nach oben sprengen. Allerdings sei weit und breit kein Investor in Sicht, der sich extrem in die Höhe wage.

Gewerbeflächen: Die letzte Fläche im Arnulfpark wird das Bürohaus-Projekt "Nove" füllen.

Die letzte Fläche im Arnulfpark wird das Bürohaus-Projekt "Nove" füllen.

(Foto: oh)

Hochhäuser seien zwar sehr repräsentativ für Firmen, sagen Immobilienexperten, aber man müsse sie sich auch leisten können. Denn viele bauliche Besonderheiten und technischen Auflagen trieben die Kosten nach oben. Außerdem sei es fraglich, ob einzelne sehr hohe Gebäude wirklich eine Bereicherung für das Stadtbild seien, und ob man so ein Projekt dann auch politisch durchsetzen könne.

Am Vogelweideplatz jedenfalls hat es funktioniert. Allerdings wurde dort das "Münchner Maß", das nach dem Bürgerentscheid nicht über 100 Meter reichen sollte, eingehalten. Seitens der Stadtplanung begrüßte man das Vorhaben, denn es wird Entwicklungsimpulse für das Gewerbegebiet zwischen Haidhausen und Daglfing auslösen. Der Süddeutsche Verlag hat sich dort mit seiner Druckerei und dem Hochhaus angesiedelt. Auf dem Areal im Umfeld der S-Bahn-Haltestelle Berg am Laim entsteht zur Zeit ein neues Wohngebiet mit einem Büro-Hochhaus. In fünf bis zehn Jahren soll es deutliche Veränderungen in dem früher völlig unscheinbaren Gewerbegebiet entlang der Autobahn geben.

Ähnlich wie beim Wohnungsbau werden die Flächen auch im Bereich der Gewerbeimmobilien in München knapp. Zumal jetzt wieder ein deutlicher Trend zu erkennen ist, dass die Unternehmen in die Stadt wollen. Microsoft zieht in die Parkstadt Schwabing. Das Medizintechnologie-Unternehmen Brainlab baut seine neue Zentrale auf dem Grundstück am ehemaligen Riemer Flughafen-Tower. Sehr lange Zeit konnte die Stadt keinen Käufer für dieses Areal finden. "Die Unternehmen wägen sehr genau ab, was für sie und ihre Mitarbeiter gut ist", sagt Reiter. Und die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Standort nahe an der Stadt und möglichst ohne lange Fahrzeiten sei wohl eines der wichtigsten Kriterien.

Der Arnulfpark hat unter architektonischen Gesichtspunkten nicht den besten Ruf. Dabei gibt es dort eine Reihe interessanter Projekte. Er ist ein gutes Beispiel für Lagen, die eine hohe Büro-Attraktivität haben. Auch das Areal des ehemaligen Kunstparks Ost hinter dem Ostbahnhof ist so ein Beispiel: Einst war dort ein städtebaulicher Verhau, nun wächst dort ein schickes Business-Kreativquartier heran.

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