Gewalt beim Fußball:Bayern-Ultras von der "Schickeria" sollen hinter Gewalt vor Schalke-Spiel stecken

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Optisch stets in der Arena präsent: die Ultras des FC Bayern.

(Foto: Imago)
  • Nach den schweren Ausschreitungen vor dem Spiel des FC Bayern beim FC Schalke 04 am Samstag hat die Münchner Polizei nun erste Erkenntnisse über die Identität der Angreifer.
  • Sie hat die Personalien von mehr als 100 Festgenommen ausgewertet.
  • Demnach stecken Mitglieder der Ultra-Gruppierung Schickeria hinter dem Angriff auf Schalke-Fans.

Von Sebastian Krass

Hinter den gewalttätigen Ausschreitungen vor dem Bundesligaspiel FC Schalke 04 gegen den FC Bayern am Samstag steckt offenbar die Münchner Fan-Gruppierung Schickeria. Man habe inzwischen die Personalien von 111 der insgesamt 196 Festgenommenen abgeglichen, "und der ganz überwiegende Teil ist der Schickeria zuzuordnen", sagt Klaus Röschinger, Leiter der Abteilung "Szenekundige Beamte" bei der Münchner Polizei, der SZ.

Wofür der DFB die Schickeria geehrt hat

Die Hintergründe der Vorkommnisse sind noch unklar. "Das kam aus heiterem Himmel", sagt Röschinger. Es habe zuletzt keine Anzeichen für gewalttätige Aktionen der Schickeria gegeben. Ein Mitglied erklärte am Dienstag, man wolle sich zu den Vorkommnissen vom Samstag nicht äußern.

Die Ultra-Gruppierung hatte sich in der Vergangenheit wiederholt gewaltsame Auseinandersetzungen mit verfeindeten Fangruppen geliefert. Sie sieht sich aber nicht nur als besonders treue Fangruppierung, sie hat auch ein links geprägtes politisches Selbstverständnis. Die Schickeria engagiert sich so auch gegen Rassismus und Diskriminierung und hält die Erinnerung an den von den Nazis verfolgten früheren FC-Bayern-Präsidenten Kurt Landauer hoch. Dafür wurde sie 2014 vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet.

Wie der Angriff nach Darstellung der Polizei ablief

Nach Angaben der Münchner Polizei, die Beamte nach Gelsenkirchen geschickt hatte, war der Angriff offenbar eine konzertierte Aktion. "Üblicherweise reist die Schickeria mit Bussen zu Auswärtsspielen", sagt Röschinger, "auch diesmal waren welche gebucht. Offenbar sind die Personen dann aber auf eigene Faust mit Kleinbussen nach Gelsenkirchen gereist."

Vor Spielbeginn seien etwa 250 Personen geschlossen in Richtung des Blocks der Schalke-Fans gestürmt. "Die haben schon auf dem Weg völlig unbeteiligte, normale Schalker verprügelt." Am Block seien sie auf ebenfalls gewaltbereite Schalker Ultras gestoßen. Beide Gruppen sind verfeindet. Die Schickeria lehnt bis heute Bayern-Torwart Manuel Neuer ab, weil der als Jugendlicher einer Schalker Ultra-Gruppierung nahegestanden hatte.

Die Polizei Gelsenkirchen berichtet von "massiven gewalttätigen Überfällen", bei denen "zahlreiche Personen teilweise erheblich verletzt wurden". Unter den Angreifern sollen auch Anhänger des VfL Bochum gewesen sein, die mit den Bayernfans verbündet sind. Nach bisherigem Kenntnisstand der Münchner Polizei war es aber "nur eine Handvoll Bochumer".

Was die Sozialarbeiter vom Fanprojekt zu dem Vorfall sagen

Jochen Kaufmann, der Leiter des Fanprojekts München, bewertet den Vorfall anders als die Münchner Polizei. Bei den Festgenommenen habe es sich "keineswegs nur um Gewalttäter und gewaltaffine Personen gehandelt", sagt der Sozialarbeiter. Sie seien auch "nicht alleine" der Schickeria zuzurechnen. Auch für ihn und seine Kollegen, die die Fanszene seit Jahren intensiv begleiten, sei der Gewaltausbruch "überraschend" gekommen, "es gab in den letzten zwei bis drei Jahren keinerlei solche Vorfälle".

Die nun im Raum stehenden Vorwürfe dürften das Bild der Schickeria in der Öffentlichkeit wieder einmal erheblich verändern. Lange Zeit war es geprägt von einem Vorfall aus dem Jahr 2007. Damals hatten sich Schickeria-Mitglieder auf einer Autobahn-Raststätte mit Nürnberg-Fans geprügelt. Die unbeteiligte Frau eines Busfahrers wurde von einer herumfliegenden Flasche so schwer verletzt, dass sie auf einem Auge erblindete. Diesen Vorfall hat die Schickeria bedauert, sie schwor aber nie offiziell der Gewalt ab.

Wie Rummenigge die Schickeria bei der Preisverleihung gelobt hat

Das sorgte auch rund um die Verleihung des Julius-Hirsch-Preises für erhebliche Diskussionen. Die Auszeichnung war für den DFB verbunden mit der Hoffnung, dass die Schickeria sich von Gewalt abwenden möge. Bemerkenswert war, dass ein Mitglied in einem Filmbeitrag des DFB auftrat und den Preis auf der Bühne entgegennahm. Ansonsten äußern Schickeria-Mitglieder sich nicht einzeln öffentlich. Das ist Teil des autonomen Selbstverständnisses.

Die Schickeria ist auch kein anerkannter Fanclub, und sie hat sich schon oft harte Auseinandersetzungen mit der Führung des FC Bayern geliefert, etwa wenn es um Reglementierungen für die Fankurve ging. Auf der Preisverleihung im vergangenen Jahr aber sagte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: "Ich bin 1974 zum FC Bayern gekommen und habe zehn Jahre dort gespielt. In dieser ganzen Zeit habe ich nicht einmal den Namen Kurt Landauer gehört. Der heutige Stellenwert von Kurt Landauer beim FC Bayern München ist der größte Verdienst der Schickeria."

Zu den nun im Raum stehenden Vorwürfen gab der FC Bayern keine Stellungnahme ab: Man habe bisher keine entsprechenden Informationen der Polizei bekommen und könne das deshalb nicht kommentieren. Der Verein verwies auf eine Erklärung Rummenigges vom Samstagabend, in der er die Gewalt verurteilte. Der DFB erklärte, man stehe "im Austausch mit den Behörden". Aber so lange keine "finalen Ermittlungsergebnisse feststehen", könne man keine Bewertung abgeben.

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