Gewalt am S-Bahnhof Solln:Mit dem Leben bezahlt

Lesezeit: 3 min

Mutmaßliche Täter in Haft: Ein Geschäftsmann ist an einem Münchner S-Bahnhof zu Tode geprügelt worden. Das Opfer hat offenbar kurz vorher die Polizei gerufen. Doch die Beamten konnten ihn nicht mehr retten.

Lisa Sonnabend

Es wirkt wie ein schöner Morgen. Die Sonne schiebt sich am Bahnhof in München-Solln langsam hinter den Wolken hervor, die ersten Wanderer stehen am Bahnsteig, um mit der Bayerischen Oberlandbahn in Richtung Berge zu fahren.

Doch es ist alles andere als ein schöner Morgen. Vier Kerzen brennen auf dem Bahnsteig, Menschen haben Blumen aus ihrem Garten abgeschnitten und auf den Boden gelegt.

Keine 20 Stunden ist es her, dass hier ein unfassbares Verbrechen geschah: Ein 50-jähriger Geschäftsmann versuchte am Samstagnachmittag, eine Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen zu schlichten - und bezahlte dafür mit dem Leben. Er wurde geschlagen und getreten, bis er das Bewusstsein verlor und starb. "Wahnsinn", sagen die Wanderer, schütteln der Kopf und steigen in den Zug.

Die beiden mutmaßlilchen Täter sind inzwischen in Haft und die Polizei hat inzwischen rekonstruiert, wie sich die unfassbare Tat offenbar zugetragen hat: Am Samstag um 15:45 Uhr bredrohen drei Jugendliche im Alter zwischen 17 und 18 Jahren vier Kinder auf dem Bahnsteig an der Donnersbergerbrücke und fordern Geld. Einer der Aggressiven schlägt dabei einem Opfer ins Gesicht, einem anderen auf den Rücken.

Als die S7 in Richtung Solln einfährt, steigen die vier Kinder, die zwischen 13 und 15 Jahren alt sind, in den Zug. Zwei der Erpresser folgen, der Teenager, der zuvor zugeschlagen hat, trennt sich von den anderen.

In der S-Bahn sprechen die beiden Jugendlichen erneut über Geldforderungen, an die vier Jüngeren wenden sie sich nicht explizit. Ein 50-jähriger Münchner beobachtet den Vorfall und versucht zu schlichten.

Er stellt sich schützend vor die Vierergruppe und verständigt den Polizeinotruf. Er rät den vier Bedrohten, nicht an ihrer Haltestelle auszusteigen, sondern gemeinsam mit ihm bis zum Bahnhof Solln zu fahren. Dort soll auch die Polizei eintreffen.

Auch die beiden aggressiven Jugendlichen fahren weiter. Am S-Bahnhof Solln steigen alle Beteiligten um 16:05 Uhr aus, der 50-Jährige geht mit den Bedrohten in Richtung Ausgang.

Und dann geht alles plötzlich sehr schnell.

Die mutmaßlichen Täter nähern sich und greifen den Geschäftsmann noch auf dem Bahnsteig an. Dieser kann einen ersten Angriff abwehren. Dann schlagen die beiden Teenager fester zu. Mit Fäusten prügeln sie auf ihn ein. Als er am Boden liegt, treten sie das Opfer noch mehrmals. Der 50-Jährige verliert das Bewusstsein.

Als die ersten Polizisten eintreffen, lassen die mutmaßlichen Täter von dem Mann ab. Ein Passant versucht, das Opfer zu reanimieren, doch auch dem Notarzt, der wenig später eintrifft, gelingt es nicht, den 50-Jährigen wieder zu Bewusstsein zu bringen. Wenig später erliegt der Mann im Krankenhaus seinen Kopfverletzungen.

Die beiden Angreifer können zunächst fliehen und verstecken sich in einem Gebüsch in der Nähe des Bahnhofs. Noch während die herbeigerufenen Rettungskräfte den Mann versorgen, entdeckt eine Bundespolizistin die beiden mutmaßlichen Täter in einem Gebüsch. Sie ruft Verstärkung, mit vorgehaltener Waffe können die Polizisten die Schläger stellen. Inzwischen konnte auch ein dritter Jugendlicher festgenommen werden, der offenbar ebenfalls an der Tat beteiligt war. Wie der Münchner Merkur meldet, handelt es sich um einen 17-Jährigen, der zwar nicht bei der Gewalttat dabei war, jedoch an der vorherigen Auseinandersetzung beteiligt war.

"Er hat vorbildlich gehandelt"

Über die beiden mutmaßlichen Täter ist bislang noch nicht viel bekannt: Sie stammen aus München, beide sind arbeitslos und wurden in der Vergangenheit bereits strafrechtlich belangt. Der ältere wegen Diebstahl, gefährlicher Körperverletzung und räuberischer Erpressung, der jüngere wegen zwei Fällen von Diebstahl. Bei der Polizei gaben die beiden zunächst an, dass es zu einer Auseinandersetzung gekommen sei. Auf Anraten ihrer Verteidiger machen sie nun aber keine Angaben mehr zum Geschehen. Der 18-Jährige war während der Tat alkoholisiert, es wurde ein Promillewert von 0,89 gemessen.

Staatsanwalt Laurent Lafleur sagte am Sonntagvormittag bei einer Pressekonferenz der Polizei: "Es war eine völlig einseitige Prügelei." Die Täter hätten "billigend in Kauf genommen, dass der Mann stirbt", sagte Lafleur.

Auch die bayerische Justizministerin Beate Merk ist zur Pressekonferenz gekommen. "Ich verneige mich vor dem Opfer", sagte sie. "Der Mann hat vorbildlich gehandelt und ist mit menschlicher Größe vorgegangen." Sie forderte, die Video-Überwachung in der S-Bahn auszudehnen, ab 18 Jahren grundsätzlich Erwachsenenstrafrecht anzuwenden und die Höchststrafe im Jugendstrafrecht von zehn auf 15 Jahre zu erhöhen.

In der Vergangenheit hatte es mehrfach brutale Übergriffe in der Münchner U-Bahn gegeben. Vor allem die Attacke auf einen Rentner, der im Jahr 2007 wegen seines Hinweises auf das Rauchverbot in der U-Bahn lebensgefährlich verletzt worden war, hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.

Im Sommer dieses Jahres schlugen fünf Jugendliche aus der Schweiz am Sendlinger Tor in München fünf Passanten nieder.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: