Gesundheit:München sucht in der ganzen Welt nach Pflegekräften

Gesundheit: Weil sie zu wenig Pflegekräfte haben, können Kliniken, wie hier das Haunersche Kinderspital, trotz des Bedarfs nicht alle Betten belegen.

Weil sie zu wenig Pflegekräfte haben, können Kliniken, wie hier das Haunersche Kinderspital, trotz des Bedarfs nicht alle Betten belegen.

(Foto: Catherina Hess)
  • Den Münchner Kliniken fehlen Pflegekräfte, gerade in der Kindermedizin ist der Mangel groß. Nun macht das Rathaus Druck.
  • Das Städtische Klinikum München und das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität bemühen sich bereits um mehr Personal.
  • Die Kliniken setzen vor allem auf die Ausbildung und werben Fachkräfte aus dem Ausland an.

Von Heiner Effern und Sven Loerzer

Der Mangel an Pflegekräften gefährdet immer häufiger eine angemessene Versorgung medizinischer Notfälle vor allem in den Kinderkliniken. Das Rathaus macht deshalb jetzt Druck: "Ich nehme die Sorgen ernst", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter am Dienstag. "Alle politischen Ebenen und alle Träger - also private, staatliche und kommunale Krankenhäuser - sind hier gefordert, ihren Teil dazu beizutragen, das Thema zu lösen und dafür zu sorgen, dass Kinder in Notaufnahmen nicht abgewiesen werden." Die Grünen fordern in einem Dringlichkeitsantrag, dem Gesundheitsausschuss des Stadtrats einen Bericht zur Notfallversorgung vorzulegen. Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs kündigte eine internationale Werbekampagne an.

Sowohl das Städtische Klinikum München als auch das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität bemühen sich bereits auf den unterschiedlichsten Wegen um mehr Personal, um die angespannte Lage zu entschärfen. Sie setzen vor allem auf die Ausbildung, werben aber auch Fachkräfte aus dem Ausland an. Denn immer häufiger müssen Rettungssanitäter vor allem schwer kranke oder verletzte Kinder in Kliniken außerhalb Münchens unterbringen, da die Intensivstationen der Münchner Kinderkliniken keine neuen Patienten mehr aufnehmen können, sich abgemeldet haben, wie es im Fachjargon heißt. Dabei mangelt es eigentlich zumeist nicht mal an freien Betten. Viele können aber nicht belegt werden, weil in den Kliniken ausreichend Pflegepersonal fehlt, das sich um die Patienten kümmern könnte.

"Das ist so nicht zu akzeptieren", sagt die städtische Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs. Auch in der Betreuung von Neugeborenen spitze sich die Lage zunehmend zu. Die Stadt habe aber wenig Hebel, um die Lage zu entspannen, sagt Jacobs. Natürlich gelte es, möglichst günstige Wohnungen zur Verfügung zu stellen und so mehr Personal in die Stadt zu locken. Kurzfristig helfen könnten Krankenschwestern und Pfleger aus dem Ausland, die gut ausgebildet, in ihrer Heimat aber arbeitslos wären.

Die Stadt werde eine internationale Werbekampagne starten, "weit über die EU hinaus", kündigt die Gesundheitsreferentin an. Um Mitarbeiter aus dem Ausland schnell an die Betten zu bringen, will die Stadt einen "Anerkennungs-Scout" installieren. Der soll ihnen als Lotse bei der Anerkennung von Zeugnissen, der Arbeitserlaubnis, dem Erlernen der Sprache oder nötigen Nachschulungen zur Seite stehen.

"Das ist ein Notstand, dem man sich stellen und der schnellstmöglich behoben werden muss", sagt auch CSU-Fraktions-Vize Hans Theiss. Neben den langfristigen Strategien für mehr Arbeitskräfte an den Kliniken in München müssten für eine rasche Hilfe "alle kreativen Methoden geprüft werden, Pfleger in diesem Bereich finanziell besser zu stellen". Doch einfach mehr Geld zahlen, sofern es vorhanden sein sollte, wird schwierig: Die Stadt könnte aus Wettbewerbsgründen wohl nur Zulagen für alle Kliniken beschließen, die sich zum Beispiel in der Kindernotfallmedizin engagieren.

Den Umgang mit schweren Krankheiten und Tod lernen

Auch könnte es zu Verwerfungen innerhalb der Kliniken kommen, wenn einzelne Bereiche besser bezahlt würden. Das weiß Theiß als Mediziner bestimmt selbst; doch er sagt, bei einem akuten Mangel an Pflegekräften müsste es für diese eben "attraktiv" sein, dort zu arbeiten. In erster Linie würde von Kliniken als Ursache der Mangel an bezahlbarem Wohnraum genannt, erklärt eine Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums. Darauf, aber auch auf Vergütungsfragen, habe man keinen Einfluss.

Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich sieht das anders: "Die grundsätzliche Unterbewertung der pflegenden Berufe und der Kindermedizin in unserem Gesundheitssystem muss auf Bundes- und Landesebene beseitigt werden." Die gegenwärtige Situation sei einer Stadt wie München unwürdig. "Wir werden nicht ruhen und nicht lockerlassen, bis hier eine Besserung eingetreten ist." SPD-Stadträtin Kathrin Abele regt an, die Auszubildenden in den Pflegeberufen besser zu betreuen. Die hohe Belastung bei der Arbeit aber auch für die Psyche lasse viele die Schule abbrechen. "Die jungen Menschen müssen mit schweren Krankheiten und Tod umgehen lernen", sagt Abele.

Das Klinikum der Universität München setzt vor allem auf Personalwohnraum. Es verfügt über 1658 Mitarbeiter-Appartements an den Standorten Großhadern und Innenstadt. Durch den Neubau, die Anmietung und die Sanierung bestehender Personalwohnungen will das Klinikum das Angebot weiter ausbauen, erläutert eine Sprecherin. Neben der eigenen Ausbildung neuer Pflegekräfte wirbt das Klinikum auch im Ausland Personal an, vor allem von den Philippinen und aus Italien.

Das Städtische Klinikum setzt auf Modernisierung und Neubau

Seit Jahresbeginn arbeiten laut Klinikum bereits philippinische Pflegekräfte auf Intensivstationen, im Lauf des kommenden halben Jahres kommen mehr als 50 weitere dazu, in einem Jahr sollen neue Mitarbeiter aus Italien ihren Dienst antreten. Viel verspricht man sich auch vom Neubau der Kinderklinik: Die Pläne für das Neue Hauner würden gerade in den Masterplan zur Neuordnung des Campus' Großhadern integriert. "Der Vorstand erwartet in den nächsten vier Wochen den Abschluss der Entwurfsüberarbeitung mit Kostenschätzung", sagt eine Sprecherin.

Auch das Städtische Klinikum setzt auf Modernisierung und Neubau, die Investitionen werden bei einer Dreiviertelmilliarde liegen. "Die Pflege soll dabei gezielt gestärkt werden", sagt Sprecher Raphael Diecke. Insgesamt beschäftige man etwa 3300 Pflegerinnen und Pfleger, aktuell gebe es rund 80 offene Stellen im Pflegebereich, vor allem in der Kinder- und Intensivmedizin.

70 neue Mitarbeiter von den Philippinen, aus Italien und Spanien werden noch in diesem Jahr anfangen - "mit sehr guten Deutschkenntnissen", wie Diecke betont. Das Klinikum helfe bei der Wohnungssuche, biete Personalunterkünfte zur Überbrückung und könne etwa 1000 Wohnungen belegen. Weitere, vor allem für Familien, sollen an den Standorten Harlaching und Schwabing entstehen.

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