Geständnis:Vergewaltigung frei erfunden

Aschheimerin wollte Dorffest-Liaison vertuschen - solche Fälle gibt es immer wieder

Von Martin Bernstein

Die angebliche Vergewaltigung einer 21-jährigen Frau nach dem Dorffest in Kirchheim durch zwei dunkelhäutige Täter war frei erfunden. Das hat ein Sprecher des Polizeipräsidiums München am Dienstag bestätigt. Es habe weder die beiden Schwarzafrikaner gegeben, die die Frau der Tat bezichtigt hatte, noch überhaupt einen sexuellen Übergriff. Polizeisprecher Thomas Baumann sprach von einer "Schutzbehauptung" der jungen Frau, die am Montag stundenlang vernommen worden war. Dabei war ihr Lügengebäude zusammengebrochen. Auf dem Dorffest hatte die angetrunkene Frau einen Mann kennengelernt, mit dem sie in der Nacht zum Sonntag "freiwillig eine Liaison eingegangen" war, wie es im Polizeibericht heißt. Um den Fehltritt vor ihrem eigentlichen Begleiter zu vertuschen, erfand die Aschheimerin danach die Vergewaltigung und die Täter.

Mit ihrer Lüge hat die Frau echten Opfern von Vergewaltigungen - 150 waren es im vergangenen Jahr in Stadt und Landkreis München - einen "Bärendienst" erwiesen, wie Polizeisprecher Baumann sagt. Es sei ein großes Problem, wenn Polizisten bei einer Frau, die Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden sei, erst einmal die Glaubwürdigkeit überprüfen müssten. Im Aschheimer Fall kamen erste Zweifel bereits am Sonntag nach widersprüchlichen Zeugenaussagen. Am Montag dann verwickelte sich die Frau, die keine Verletzungen aufwies, bei ihrer Vernehmung durch Kriminalpolizisten in Widersprüche. Schließlich gestand sie, die Tat nur erfunden zu haben.

Gegen die junge Frau wird jetzt ermittelt - wegen der Vortäuschung einer Straftat. Paragraf 145d des Strafgesetzbuchs sieht dafür eine Geldstrafe vor oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Möglicherweise muss die Aschheimerin zudem die Kosten für den umfangreichen Polizeieinsatz übernehmen: Nach den angeblichen Vergewaltigern hatten eine Einsatzhundertschaft, Spürhundeführer sowie eine Hubschrauberbesatzung gefahndet. Besonders verhängnisvoll ist die Lüge der 21-jährigen Frau, weil sich in der Nähe des angeblichen Tatorts tatsächlich mehrere Flüchtlingsheime befinden. In Kirchheim leben derzeit etwa 150 Asylbewerber, die meisten von ihnen in zwei Unterkünften im Ortsteil Heimstetten. Auch in Aschheim gibt es eine Containerunterkunft. Die Unterkünfte wurden am Sonntag von der Polizei durchsucht.

Der Aschheimer Fall erinnert an einen ähnlichen Vorfall vor fast genau einem Jahr in Holzkirchen. Auch damals hatte sich die versuchte Vergewaltigung einer 19-jährigen Frau durch drei Flüchtlinge nach einigen Tagen als frei erfunden herausgestellt. Drei 18 Jahre alte Männer waren deswegen in Untersuchungshaft gesessen. Auch die Polizei München weiß von zweifelhaften Fällen, bei denen "mit der Flüchtlingskarte gespielt wird", wie es ein Polizist ausdrückt. Die Gründe sind nach Meinung von Experten vielfältig: Bewusste rechte Hetze ist in manchen Fällen das Motiv, in anderen liegt es dagegen - wie in Aschheim - im privaten Bereich.

Eindeutig aus der fremdenfeindlichen Ecke stammen die vielen Gerüchte über angebliche Vergewaltigungen durch Asylbewerber, die nie bei der Polizei landen. Zwei solcher Fälle listet die "Hoaxmap" auf, die Falschmeldungen über Flüchtlinge entlarven will. Karlsfeld im Landkreis Dachau kommt darin vor, Grünwald im Isartal ebenso. In beiden Fällen die klare Aussage der Polizeiverantwortlichen: Die angeblichen Vergewaltigungen hat es nie gegeben. Auch dass massive sexuelle Übergriffe im Bereich des Hauptbahnhofs sprunghaft zunähmen, wie immer wieder kolportiert wird, können die dort tätigen Polizisten nicht bestätigen. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei in Stadt und Landkreis München 215 Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen, sieben Fälle weniger als im Jahr zuvor. Von insgesamt 717 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden laut Statistik des Polizeipräsidiums 52 von Flüchtlingen begangen.

Auch im Aschheimer Fall waren Gerüchteköche schnell. Obwohl Polizeipräsidium und Medien bereits am Sonntagnachmittag erste Zweifel an der Vergewaltigungsversion thematisiert hatten, war für etliche Kommentatoren auf Facebook oder Twitter da schon klar, was passiert war - und wer die Täter waren. Aus Fragezeichen wurden in diesen weltweit verbreiteten Kurznachrichten Ausrufezeichen, aus Beschuldigten Täter, aus Anschuldigungen Tatsachen.

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