Geständnis des Urgroßvaters:Rentner missbraucht zwei Mädchen

Wie ein x-beliebiger Großvater sieht der 83-Jährige aus. Doch die Anklage der Staatsanwaltschaft und das Geständnis zeigen ein anderes, ein erschreckendes Bild des Mannes: Franz L. gibt zu, seine beiden Stief-Urenkelinnen mehrfach sexuell missbraucht zu haben.

Von Christian Rost

Franz L. benutzt ein Hörgerät, das Gehen fällt ihm schwer. Über dem karierten Hemd trägt er altmodische Hosenträger. Wie ein x-beliebiger Großvater sieht der 83-Jährige mit dem spärlichen grauen Haarwuchs auf den ersten Blick aus. Doch die Anklage der Staatsanwaltschaft am Landgericht München I und schließlich das Geständnis des Mannes verzerrten dieses Bild gewaltig: L. gab zu, dass er seine beiden Stief-Urenkelinnen mehrfach zum Teil massiv sexuell missbraucht hat.

72 Fälle warf ihm die Anklage am Montag bei Prozessbeginn vor der 20. Strafkammer vor. In seiner Münchner Wohnung und in den Wohnungen der Familien der beiden betroffenen Mädchen, die mit ihren Eltern zunächst in Grünwald und dann in Regensburg lebten, war es über Jahre hinweg zu den Übergriffen gekommen. Franz L. sollte auf die Kinder im Alter von damals neun und elf Jahren aufpassen. Vor allem das jüngere Mädchen, das ihn öfter besuchte, ging er massiv an, sobald er mit ihm alleine war.

Er nötigte es, ihn anzufassen, und zog es aus, als es krank im Bett lag. Das ältere Mädchen betatschte er bei allen möglichen Gelegenheiten an der Brust und am Gesäß. Aus Scham erzählten die Kinder zunächst niemandem davon. Erst nachdem sie sich gegenseitig von den Vorfällen berichtet hatten, erfuhren auch die Eltern vom Treiben des Stief-Urgroßvaters und zeigten ihn an. Ein Nebenklageanwalt vertritt die Familie vor Gericht.

Franz L. war mit der leiblichen Urgroßmutter der Mädchen verheiratet, die 2009 starb. In jenem Jahr wurden auch die Übergriffe auf die Kinder massiver. Zu seiner Motivation wollte L. vor Gericht keine Angaben machen. Sein Verteidiger Alexander Eckstein las eine Erklärung vor, in der der Angeklagte die Vorwürfe einräumte. Er könne sich aber nicht mehr erinnern, wie oft er die Kinder missbraucht habe.

Mit seiner zweiten Frau war Franz L. 36 Jahre lang verheiratet. Ob er zur Familie seiner Ehefrau ein gutes Verhältnis gehabt habe, wollte der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger wissen: "An sich, ja", antwortet der Mann knapp. Weil nach den Vorfällen nun niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben will, "lebe ich allein", sagte der 83-Jährige, der aus einer kleinen Ortschaft nördlich von Murnau stammt.

Seine Eltern waren Nebenerwerbslandwirte, im Alter von 14 Jahren hatte er eine Schreinerlehre begonnen und danach fast 50 Jahre in einer Fabrik in München gearbeitet. Seine erste Ehe hielt nur fünf Jahre. Ein Sohn, der daraus hervorgegangen war, ist bereits verstorben. Bis zum 70. Lebensjahr war L. berufstätig, zuletzt selbständig. Versorgt mit einer ausreichenden Rente lebte er in einer Eigentumswohnung. Für die Taten kann er mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden. Der Prozess dauert an.

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