Advent:Welcher Christbaum-Käufer-Typ sind Sie?

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Andächtige "Aaah"- und "Oooh"-Ausrufe können kaschieren, dass der Baum schief steht. (Foto: Malte Christians)

Die einen kaufen in letzter Minute noch das, was da ist. Andere investieren ein Vermögen allein in die Deko. Eine kleine Typologie vor dem Fest.

Von Laura Kaufmann

Die Chaos-Familie

Traditionell wird der Weihnachtsbaum erst kurz vor Heiligabend besorgt. Im schlimmsten Fall verlässt ein Elternteil noch am Vormittag des 24. Dezembers fluchtartig das Haus, um sämtliche Baumverkäufer der Umgebung abzuklappern; einer wird doch noch geöffnet haben! Und bisher ist das Last-Minute-Konzept auch immer aufgegangen. Selbst wenn der Baum, der schließlich unter Mühen im Wohnzimmer aufgebaut wird (er passt so gut wie nie in den Christbaumständer), nicht der fotogenste seiner Art ist.

Alle Jahre wieder wird er mit der gleichen Mischung aus Kindergartenbasteleien und angekokelten Strohsternen dekoriert und mit Christbaumkugeln, deren angeknackste Seiten einfach Richtung Baumstamm gedreht werden; nächstes Jahr müssen aber endgültig neue besorgt werden, wirklich! Sind die Kerzen einmal angezündet, wird durch andächtige "Aaah"- und "Oooh"-Ausrufe kaschiert, dass der leicht räudige Baum schief steht und schon jetzt die Hälfte seiner Nadeln verloren hat.

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Der Stilbewusste

Es ist kein besonders großer Baum, der wie ein kleiner Weihnachts-Schrein auf dem antiken Ecktisch errichtet ist. Aber ein besonders geschmackvoll dekorierter. Trotzdem macht er einen etwas lieblosen Eindruck, als wäre er aus der Dekoration eines Kaufhauses entwendet worden. Saisonaler Wohnungsschmuck: Mehr ist er nicht. Dieser Baum steht schon seit Beginn der Adventszeit im zeitgenössisch eingerichteten Schöner-Wohnen-Zuhause; dort, wo zuletzt die Villeroy&Boch-Vase mit den herrlich duftenden Lilien stand.

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Die Christbaumkugeln sind taube- und fliederfarben und harmonieren mit den Schleifchen in den dunkelgrünen Zweigen. Abends illuminiert eine Lichterkette den glitzernden Baum, der so zur romantischen Lichtquelle wird. An Heiligabend leuchtet er alleine gegen die Einsamkeit an. Nicht einmal der Chihuahua hebt jetzt noch heimlich sein Bein bei ihm. Sein Besitzer ist nämlich bei der Familie oder bei Freunden eingeladen.

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Die Umweltbewussten

Ein Weihnachtsbaum aus dem Baumarkt kommt auf keinen Fall ins Haus. Die sind auf Plantagen hochgezüchtet und mit Gift gespritzt, welches sich dann schleichend in der Wohnung ausbreitet. Keinesfalls. Überhaupt, warum muss ein Baum nur für diesen einen Abend gefällt werden? Muss das wirklich sein? Mietweihnachtsbäume im Topf kommen auch nicht in Frage, die sind nun wirklich unsinniger Wucher. Gut, dass ein Elternteil schon vor Jahren diesen abstrakten Tannenbaum aus Holzresten zusammengenagelt hat, der seitdem jedes Jahr wieder vom Keller ins heimische Wohnzimmer wandert.

Er reduziert den ökologischen Fußabdruck um ein Vielfaches. Und gerade an Weihnachten, dem Fest der Liebe, sollte doch vor allem an die Umwelt gedacht werden und nicht nur an die eigene Vergnügungssucht. Behängt wird er mit dem Christbaumschmuck, der einst den netten Kindern abgekauft wurde, die für ein SOS-Kinderdorf Spenden sammelten. Auslassungen für die Teelichter sind seit zwei Jahren auch schon in das Holz gebohrt, was die Brandgefahr auf beinahe null reduziert. Seitdem hat sich der innige Wunsch von mindestens einem Mitglied der Weihnachtsgesellschaft, das Ding möge endlich Feuer fangen, erledigt.

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Die Traditionellen

Der Baum ist Männersache in dieser Familie. Ein paar Tage vor den Festtagen zieht Vater los, ihn zu erlegen, mit Schubkarre und Säge. Das Ein-Mann-Weihnachtsritual. Von einem Hof aus der Umgebung, eine gute Stunde Fahrt entfernt, kehrt er schließlich zurück, der dicht benadelte Baum aus dem Kofferraum herauslugend. Hat er einen kleinen Sohn, darf der bei gutem Betragen eventuell mit. Ein gehässiges Gerücht in der Nachbarschaft besagt zwar, der Vater würde den Baum gar nicht selbst schlagen, aber das sind bloß Neider.

Der Schmuck, mit dem die Nordmanntanne schließlich behängt wird, stammt von Christkindlmärkten aus dem Umland, zusammengesucht über die Jahre. Mundgeblasene Christbaumkugeln aus Murnau, hölzerne Engerl aus dem Allgäu. Einmal brachte eine Tante glitzernde Kugeln in Weihnachtsmannform aus den Staaten mit und hängte sie dazu; seitdem wird sie an Heiligabend nicht mehr eingeladen. Die kleine Krippe, die vor den Baum gerückt wird, ist ein Familienerbstück. Das Kind muss vor dem Kirchgang auf der Zither spielen. Oma hat dabei Tränen in den Augen.

Klassischer Kommentar: "Mei, Weihnachten bei euch ist immer so schön!"

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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