Gerichtsurteil:Sturzbetrunken = schuldunfähig? Das stimmt so nicht

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  • Das Amtsgericht München hat einen 49-Jährigen wegen fahrlässigen Vollrausches zu vier Monaten und drei Wochen auf Bewährung verurteilt.
  • Der Mann hatte zwei Tage nach dem Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum im Juli vergangenen Jahres mit einer Luftpistole mehrere Menschen bedroht.
  • Er habe Erfahrung mit Alkohol und hätte "damit rechnen können und müssen, dass er im Zustand der Alkoholisierung Straftaten begehen werde", urteilte das Gericht.

Von Andreas Salch, München

Rausreden geht nicht: Wer sich betrinkt und eine Straftat begeht, der muss mit Konsequenzen rechnen. Selbst dann, wenn er so betrunken ist, dass ihm gar nicht bewusst ist, dass er etwas anstellt. In solch einem Fall droht eine Verurteilung wegen fahrlässigen Vollrausches (Paragraf 323 a Strafgesetzbuch). Bis zu fünf Jahre Haft kann ein Gericht dafür verhängen. Gemessen daran ist ein Trockenbauer vor dem Amtsgericht München nun relativ glimpflich davongekommen. Er wurde wegen fahrlässigen Vollrausches zu vier Monaten und drei Wochen auf Bewährung verurteilt.

Ausgerechnet zwei Tage nach dem Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum am 22. Juli vergangenen Jahres hatte der Trockenbauer mit einer Luftpistole mehrere Menschen in Angst und Schrecken versetzt. An jenem 24. Juli fuhr er gegen 21 Uhr mit der S-Bahn auf der Stammstrecke Richtung Ostbahnhof. Während der Fahrt hantierte er mit der zwar ungeladenen, aber erlaubnispflichtigen Waffe vor den Augen der Fahrgäste herum. Niemand schritt ein, der Trockenbauer verließ den Zug.

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Gegen 23 Uhr tauchte der 49-Jährige dann an der Lindwurmstraße auf. Dort eskalierte die Situation: Der Trockenbauer packte plötzlich einen Flaschensammler am Kragen und hielt ihm aus kürzester Entfernung seine Waffe an den Kopf. Dem Mann gelang die Flucht. Doch der Trockenbauer holte ihn ein und stieß ihn zu Boden. Der Flaschensammler hatte Glück: Drei Männer, die den Vorfall von einem Lokal auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus beobachtet hatten, eilten zu Hilfe. Der Flaschensammler lief sofort weiter. Die Helfer indes zeigten Nerven: Sie luden den Trockenbauer auf ein Bier in die Kneipe ein und versuchten, ihn zu beruhigen. Außerdem alarmierten sie die Polizei. Der Angeklagte wurde festgenommen, seine Waffe sichergestellt. Ein Test ergab einen Alkoholwert im Blut von 1,6 Promille.

In der Verhandlung vor dem Amtsgericht beteuerte der 49-Jährige, er sei so betrunken gewesen, dass er sich an nichts mehr erinnern könne. Auch woher die Waffe stamme, wisse er nicht. "Die erste Sache, an die ich mich erinnern kann, ich bin aufgewacht und wusste nicht, wo ich bin. Nach kurzer Zeit wusste ich, dass ich eingesperrt bin", sagte der Angeklagte. Er habe an jenem 24. Juli einen bis eineinhalb Liter Wodka getrunken "und ganz wenig bis gar nichts gegessen".

Wie ein rechtsmedizinischer Sachverständiger, den das Gericht als Gutachter geladen hatte, ausführte, war der Angeklagte womöglich so stark alkoholisiert, dass er bei der Tat schuldunfähig war. Aus diesem Grund verurteilte ihn das Gericht wegen fahrlässigen Vollrausches. Er habe Erfahrung mit Alkohol und hätte, als er begann Wodka zu trinken, "damit rechnen können und müssen, dass er im Zustand der Alkoholisierung Straftaten begehen werde", so das Gericht. Da der 49-Jährige in Untersuchungshaft war, fiel die Strafe etwas milder aus.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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