Generaldirektorin:Kampfgeist

Renate Eikelmann, 2005

Renate Eikelmann.

(Foto: Stephan Rumpf)

Renate Eikelmann und das Bayerische Nationalmuseum

Von Christoph Wiedemann

Das könnte jetzt schwierig werden, denn einer Museumschefin macht man keine Liebeserklärungen. Noch dazu in aller Öffentlichkeit und auf 90 nun folgenden Zeilen in einer großen Tageszeitung. Also, noch einmal alles auf Anfang mit dem Bemühen um möglichst unaufgeregt professionelle Distanz.

Als Renate Eikelmann 1999 vom damals amtierenden Kunstminister Hans Zehetmair als Generaldirektorin des Bayerischen Nationalmuseums von Nürnberg nach München geholt wurde, war die Erwartungshaltung eigentlich nicht allzu groß. Der dunkelmächtige Museumskasten an der Prinzregentenstraße auf halbem Weg zwischen Friedensengel und Haus der Kunst gelegen, dümpelte damals schon Jahre lang wie ein gestrandeter Riesentanker vor sich hin. Schwer beweglich, fast statisch ob seiner überbordenden Sammlungen. Von der noch nahezu königlich bayerischen Gelassenheit der Kuratoren gar nicht zu reden.

In dieses anachronistische Idyll musealer Selbstgenügsamkeit platzte nun jemand hinein, der Ambition mitbrachte. Äußerlich eine Dame von Welt, feingliedrig und elegant wie Audrey Hepburn in ihren besten Rollen. Aber wie sich schon bald herausstellen sollte ein - man möge den Ausdruck verzeihen - "Kampf-Reh erster Ordnung". Erstes sichtbares Zeichen ihre Wirkens: Der Vorplatz des Nationalmuseums, der noch immer so aussah wie zu Zeiten des Schwarzmarktes in den frühen Nachkriegstagen und als schmuddelnder Parkplatz von den umliegenden Büroinsassen genutzt wurde, erhielt ein neues Gesicht. Keine nostalgische Rekonstruktion des einst von Gabriel von Seidl, dem Architekten und findungsreichen Gestalter des Museums installierten neo-barocken Gartenparterres, sondern ein geregeltes, durchdachtes und modernes Placebo anstelle der ursprünglichen, ohnehin schon eklektizistischen Gartenarchitektur des 19. Jahrhunderts. Das Museum hatte endlich wieder ein adäquates Entree. Wobei der Freistaat Bayern als finanziell verantwortlicher Eigner des Museums nicht einmal tief in die Tasche zu greifen hatte. Den Löwenanteil der Kosten für die neue Platzgestaltung hatte ein von Eikelmann frisch belebter und reorganisierter Freundes- und Fördererkreis bezahlt. Was natürlich auch mit ihrer Vita und der damit einhergehenden Auslandserfahrung zu erklären ist.

Renate Eikelmann war vor ihrer Rückkehr nach Deutschland ans Germanische Nationalmuseum in Nürnberg lange Zeit in den USA. Zunächst als Kuratorin für mittelalterliche Kunst am New Yorker Metropolitan Museum und später als Abteilungsleiterin für Plastik und Kunsthandwerk von 800 bis 1600 am Cleveland Museum of Art. Dort lernt man/frau wohl sich und seine Obsession bestmöglich zu verkaufen. Denn Museen in den USA sind zu großen Teilen privat finanziert. In unnachahmlicher Weise ist es der längst mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten "Generalin" des Bayerischen Nationalmuseums gelungen, wechselweise die freistaatliche Kamarilla und private Förderer für die Zwecke des Museums an der Prinzregentenstraße einzuspannen. Wichtige Sammlungen, wie die Skulpturen von Bollert, oder Neuerwerbungen, wie der Anfang des 17. Jahrhunderts entstandene Mohrenkopfpokal von Christoph Jamnitzer, haben seither das Haus bereichert. Ganz zu schweigen von der großartigen Leistung, Restaurierung und Wiedereinrichtung des im Krieg zerstörten Westflügels des Nationalmuseums durchgesetzt zu haben. Ein Museumsmensch, der für seine Aufgabe brennt. Dafür die platonisch gemeinte Liebeserklärung für eine Frau, die selbst hartgesottene Machos zum Tanzen bringt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: