Gekürzte Flüchtlingshilfe:Sexualpädagogische Kurse für junge Flüchtlinge werden eingestellt

Lesezeit: 2 min

  • Pro Familia bietet sexualpädagogische Kurse für junge Flüchtlinge an - doch die wird es nicht mehr geben, denn die Mittel sind gestrichen.
  • Das Interesse der jungen Leute ist nach wie vor groß.
  • Auch andere Anbieter solcher Angebote müssen Anfragen immer wieder absagen.

Von Inga Rahmsdorf

Es geht in den Kursen um Rollenbilder, sexuelle Selbstbestimmung, Körperwissen und auch um Regel, Werte und Rechte in Deutschland. Die Seminare wären bis Ende des Jahres ausgebucht, sagt der Geschäftsführer des Vereins Pro Familia. Denn der Bedarf sei enorm und sehr viel größer als das Angebot, das es in München gibt. Sie wären ausgebucht - doch Christian Reisenberg musste das sexualpädagogische Projekt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einstellen und einen seiner Mitarbeiter entlassen. Denn das Sozialreferat finanziert das Angebot nicht weiter.

Pro Familia bietet sexualpädagogische Kurse für Jugendliche, Eltern und Fachpersonal an - und für junge Flüchtlinge, für deren Betreuer und Dolmetscher. Im vergangenen Jahr wurde ein Projekt, das sich speziell an junge Flüchtlinge richtete, vom Sozialreferat finanziert: zwei Sozialpädagogen je 14 Stunden im Monat, zunächst für sieben Monate. Ende Dezember ist es ausgelaufen. Reisenberg hat einen Antrag auf Verlängerung gestellt, doch der ist nicht bewilligt worden.

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Der Umgang mit Sexualität ist für Jugendliche nicht immer einfach. Noch schwieriger wird es, wenn sie sich in einem fremden Land und einem anderen kulturellen Kontext zurechtfinden müssen. Es gehe auch darum, den Flüchtlingen Handwerkszeug mitzugeben und Missverständnisse zu vermeiden, sagt Reisenberg. Gerade seit den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln gebe es auch viele Geflüchtete, die nun verunsichert seien, weil ihnen plötzlich auf der Straße mit größerem Misstrauen begegnet werde.

Das Interesse und die Diskussionsbereitschaft der Jugendlichen, die sie in den Kursen erlebe, sei sehr groß, sagt die Sozialpädagogin Daniela Huber von Pro Familia. Es geht um Wissensvermittlung, aber auch darum, Verhalten und Werte einzuordnen und mit Irrglauben aufzuräumen. "Zum Beispiel, dass Freiheiten zu haben noch lange nicht heißt, dass jeder sie auch ausprobiert oder auslebt", sagt Huber. Dabei würden die Jugendlichen ihr und ihren Kollegen mit großer Offenheit begegnen.

"Es ist völlig unverständlich, dass ein Projekt, das wir wirklich brauchen, nicht weiter finanziert wird", sagt Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich. Pro Familia mache die Arbeit sehr erfolgreich und sehr gut. Die Grünen hatten Ende Februar ein Antragspaket im Stadtrat eingebracht und ein stärkeres Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt gefordert, mehr Schutz für die Opfer und mehr Präventionsarbeit. Darin hatten sie auch explizit die Stadt dazu aufgerufen, das Projekt von Pro Familia für junge Flüchtlinge weiter zu finanzieren.

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Die Nachfrage ist sehr groß

Auch andere Beratungsstellen in München erleben, dass die allgemeine Nachfrage nach sexualpädagogischen Angeboten sehr groß ist. "Wir müssen immer wieder Schulen absagen", sagt Sabine Simon, Leiterin der evangelischen Schwangerschaftsberatung. Der Bedarf sei schon immer höher gewesen als das Angebot, und nun sei er durch die Flüchtlinge noch weiter gestiegen. Simon lobt aber die Zusammenarbeit mit dem städtischen Gesundheitsreferat, die immer sehr gut sei.

Die Schwangerschaftsberatungsstellen werden in der Regel zu großen Teilen vom bayerischen Sozialministerium sowie vom städtischen Gesundheitsreferat finanziert. Bei dem speziellen Projekt von Pro Familia handelt es sich um ein Angebot für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, das daher vom Sozialreferat unterstützt wurde.

Sehr hilfreich sei auch, dass die Stadt den Beratungsstellen Dolmetscher zur Verfügung stelle, sagt Simon. Ein großes Problem sei allerdings, Fachpersonal für die Präventionsarbeit zu finden. Da erscheint es umso überraschender, dass ein laufendes Projekt nicht weiter finanziert wird, bei dem laut Pro Familia die Mitarbeiter gut eingearbeitet waren. Man habe sich nicht gegen das Projekt entschieden, sagt ein Sprecher des Sozialreferats. Sondern die Entscheidung stehe noch aus, es werde derzeit geprüft, ob eine erneute Finanzierung möglich sei.

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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