Gegen den Post-Silvester-Blues:Rocken und röhren

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Das Schweizer Duo "Klaus Johann Grobe", bestehend aus Sevi Landolt und Daniel Bachmann, begibt sich auf formidable Krautrock-Reisen. (Foto: Trouble In Mind Records)

Das zweitägige Muffat Winterfest eröffnet das Münchner Pop-Jahr 2015

Von Martin Pfnür, München

Die Zeit Anfang Januar, wenn die Weihnachtsbäume bereits zu nadeln anfangen, der letzte Böller verschossen und von der Weihnachtsgans höchstens noch ein Gläschen ausgelassenes Schmalz übrig ist, die ersten Tage des Jahres also, gelten unter obsessiven Konzertgängern gemeinhin als eine ausgemachte Saure-Gurken-Zeit. Der Großteil der Clubs und Konzerthallen liegt nämlich während dieser Tage so brach wie sonst nur im Juli und August, wenn sich der ganze Pop-Zirkus draußen auf platt getrampelten Äckern und stillgelegten Industriebrachen dreht und höchstens mal die eine oder andere versprengte Band so nett ist, einen Club-Gig in ihre Reise von Festival zu Festival zu integrieren.

Umso schöner nun die Nachricht, dass die Betreiber des Muffatwerks in die Bresche springen und zu einem zweitägigen Indoor-Festival einladen, das die eisige Anreise mit freiem Eintritt und einem wohlsortierten Line-up, bestehend aus zehn talentierten, überwiegend jungen heimischen Bands, belohnt. Und wie könnte man einem Post-Silvester-Blues auch besser begegnen, als dass man sich gleich am zweiten Januar in einen wunderbar retromanischen Bluesrock-Abend wirft, wie ihn das Münchner Label Sun King Music am ersten Tag des Festivals anbietet.

Dort jedenfalls dürfte dreckig-verschleppt gerockt, rauchig geröhrt, energetisch geboogiet, und durchaus auch wieder geschwitzt werden, wenn die Münchner Whiskey Foundation - laut selbstüberzeugter Internet-Auskunft "die wohl charismatischste Band Münchens" - ihren ansprechend erdigen Südstaaten-Blues durch die Muffathalle wehen lässt, wenn die hochtalentierten Capitols den guten alten Blues mit psychedelischen Kaskaden auf der Blockflöte und zackig auf den Punkt getakteten Indie-Rock verquirlt, oder der Famous Naked Gipsy Circus den guten alten Rock'n'Roll, von massivem Groove befeuert, durch die Arena tanzen lässt.

Drei Tage später sind dann auch wieder Synthesizer erlaubt, die insbesondere für Hadern im Sternenhagel eine essenzielle Rolle spielen: Ästhetisch knietief in den Achtzigerjahren verwurzelt, hat das Quartett einen Neo-Stil entwickelt, der im Sound und vor allem im Gesang so herrlich exaltiert, pathetisch, künstlich und urcool daherkommt, dass sich Falco diebisch gefreut hätte. "Rock Me Amadeus!", wird indes auch die Devise für das musikalische Kontrastprogramm an diesem Abend sein, das in Form des Duos Elektrik Klezy Mezy, der Band von Flowerstreet-Records-Gründer Amadeus Böhm, eher krachig-garagig, aber nicht minder mitreißend ausfällt.

Und dann findet sich ja noch ein gewisser Herr namens Klaus Johann Grobe, angekündigt als "Special Guest", im Line-up, der sich beim genaueren Hinsehen jedoch als ein cleveres schweizerisches Duo entpuppt, dass mit seiner Musik dem Geist des Krautrock auf eine Weise nachspürt, die ebenso minimalistisch wie eigensinnig, ebenso klug wie irre ausfällt: "Im Sinne der Zeit" heißt das Debütalbum, und was Sevi Landolt und Daniel Bachmann, lediglich mit den musikalischen Grundingredienzien Schweineorgel-Schlagzeug-Bass ausgestattet, darauf veranstalten, dürfte im Laufe des Pop-Jahres 2015 noch so manchen Nachhall erfahren.

Da ist der stoische-repetitive Beat, wie ihn die Krautrock-Koryphäen Can salonfähig gemacht haben, die warm und retro schwurbelnde Orgel und der schneidige Funk, den man vom Frühwerk der Hamburger Band Die Sterne kennt, oder der elegante Sixties-Groove, wie ihn die schmerzlich vermissten Popexperimentalisten Stereolab in den Neunzigern perfektionierten.

Musikalische Reisen sind das, die einen einerseits mit ihrem seltsam kryptisch-lakonischen Chanson-Textwerk und ihrem gemütlich-wohligen Sound in Watte packen, um andererseits im Stile einer krautig-jazzigen Spacerockdisco-Rakete aller Erdenschwere zu entschweben - nicht zuletzt im Live-Kontext. Bleibt nur noch eins zu sagen: hingehen!

Muffat Winterfest, 2. und 5. Januar, 20 Uhr, Muffatwerk, Zellstraße 4, Eintritt frei

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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