Geduldete Ausländer auf dem Arbeitsmarkt:Masood im Minus

541 Euro bekommt er als Auszubildender, doch allein der Platz im Wohnheim kostet fast 800 Euro: Der junge Afghane Masood kann von seinem Geld als Lehrling in München nicht leben. Laut Gesetz hat der geduldete Ausländer keinen Anspruch auf Hilfe.

Von Sven Loerzer

Er hat gute Noten, spricht ziemlich perfekt Deutsch, beherrscht Englisch und einige orientalische Sprachen. Und doch weiß Masood H. nicht, wie es mit seiner Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann weitergehen soll. Das erste Lehrjahr hat der 21-jährige Flüchtling aus Afghanistan gut gemeistert - trotz bedrückender Geldsorgen. Denn 541 Euro beträgt seine Ausbildungsvergütung, aber allein der Platz in dem Wohnheim für Auszubildende kostet schon fast 800 Euro.

Sein besonderes Pech ist, dass er erst seit drei Jahren in Deutschland lebt und alles andere als untätig blieb. Berufsausbildungsbeihilfe gibt es aber laut Gesetz für einen geduldeten Ausländer erst dann, wenn er seit vier Jahren in Deutschland lebt.

Am 22. Mai 2011 kam Masood H. ohne Eltern nach Deutschland. Damit endete die elf Monate dauernde Flucht, zu der ihm seine im Iran lebende Schwester verholfen hat. Er habe Fehler im Hinblick auf Tradition und Religion gemacht, umschreibt er den Grund seiner Flucht. Nach sechs Monaten in Zirndorf landete er in einem Asylbewerberheim in Erding, lernte in nur zwei Jahren Deutsch und absolvierte erfolgreich seinen "Quali".

In München fand er eine Lehrstelle bei einem Obst- und Gemüse-Großhandelsunternehmen und konnte schließlich Anfang des Jahres in ein Wohnheim für Auszubildende umziehen. 200 Euro von seiner Ausbildungsvergütung gab er an das Heim weiter, für den offenen Betrag hoffte er auf staatliche Unterstützung.

Jobcenter für Änderung der Vorschriften

Doch dann kam die Ernüchterung: Die Arbeitsagentur lehnte seinen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe ab. Denn nach der Regelung im Sozialgesetzbuch III muss sich H. "bei der Beantragung seit vier Jahren ununterbrochen in Deutschland rechtmäßig aufgehalten haben", erklärt Agentursprecherin Mürvet Kasap. Diese Bedingung aber ist bei H. nicht erfüllt. Die Entscheidung beruhe auf der gültigen gesetzlichen Regelung. "Wir als Agentur für Arbeit würden es begrüßen, wenn der Gesetzgeber die Richtlinien hinsichtlich der Berufsausbildungsbeihilfe zum Positiven für diese Fallkonstellation verändert", betont Mürvet Kasap.

Das wäre dringend erforderlich, meint auch Schulsozialarbeiterin Sevil Özbay von der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration, die sich um die Probleme der Auszubildenden an der Städtischen Berufsschule für Großhandels- und Automobilkaufleute in der Luisenstraße kümmert. Denn Masood H. hat auch keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. "Da er keine Berufsausbildungsbeihilfe erhält, kann das Jobcenter keinen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft gewähren", sagt Jobcenter-Sprecher Felix Magin.

Nicht einmal ein Darlehen kann das Jobcenter Masood H. geben. "Ein Darlehen wäre nur im Rahmen eines Härtefalls möglich." Diese Regelung sei jedoch sehr eng gefasst und gelte nur für Auszubildende, die zum Beispiel unmittelbar vor ihrer Abschlussprüfung stehen oder aus gesundheitlichen Gründen verlängern müssen. Generell könnten Flüchtlinge zwar eine Ausbildung beginnen, blieben aber aufgrund der Wartezeitreglung von der Förderung über Berufsausbildungsbeihilfe ausgeschlossen. Das Jobcenter setze sich dafür ein, diese Vorschriften zu ändern.

Die letzte Hoffnung des schmächtigen Mannes ruht auf der Fallmanagerin im Jobcenter, die ihn dabei unterstützen will, Stiftungsmittel zu beantragen. Masood H. ist verzweifelt. "Ohne Ausbildung hat man keine Zukunft", sagt er. "Aber ich kann gar nicht damit leben, Schulden zu haben."

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