Gedenkstätte:Schulz enthüllt SPD-Gedenktafel in Dachau

Gedenkstätte: Sozialdemokraten waren neben Kommunisten und Gewerkschaftern die ersten Häftlinge im KZ Dachau.

Sozialdemokraten waren neben Kommunisten und Gewerkschaftern die ersten Häftlinge im KZ Dachau.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Nun wird im früheren KZ an die sozialdemokratischen Opfer der Nazis erinnert. Dass zur Einweihung der Kanzlerkandidat kommt, soll mit Wahlkampf nichts zu tun haben.

Von Helmut Zeller, Dachau

Seit 55 Jahren ist Oskar Krahmer bei der SPD, ein treuer Parteisoldat, der sich im Dachauer Ortsvereinsvorstand engagiert. "Wie so eine Partei funktioniert", sagt Krahmer nicht ohne Ironie, habe er aber erst jetzt erfahren. Und das kam so: Im Juni 2014 schlug der Kreisvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) dem Parteivorstand in Berlin vor, in der KZ-Gedenkstätte Dachau eine Erinnerungstafel für den sozialdemokratischen Widerstand anzubringen. Schließlich wird schon vieler anderer Opfergruppen gedacht, auf die Sozialdemokraten aber fehlte ein Hinweis.

Dabei waren sie neben Kommunisten und Gewerkschaftern die ersten Häftlinge des 1933 eröffneten Konzentrationslagers. Krahmer hätte damals nicht im Traum daran gedacht, wie schwerfällig so ein Parteiapparat sein kann. Aber nun, mehr als 70 Jahre nach der Befreiung, "haben wir die Tafel", sagt Krahmer. Und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz enthüllt sie am Freitag.

Wer nun glauben möchte, dieser Termin hätte irgendwie mit dem Wahlkampf zu tun, wird von Michael Schrodi gleich gebremst. Der SPD-Bundestagskandidat für den Wahlkreis Dachau und Fürstenfeldbruck betont: "Das ist kein Ort für Wahlkampf."

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor vier Jahren im Wahlkampf die Gedenkstätte besucht und viel Kritik dafür einstecken müssen. Er aber, sagt Schrodi, habe ihren Besuch als ein mutiges Zeichen empfunden. Krahmer sagt: "Schulz hält im Gegensatz zu Merkel nach dem Gedenkstättenbesuch keine Rede im Volksfestzelt." Durch einen Gedenkstättenbesuch würde Schulz wohl kaum seine schlechten Umfragewerte zehn Wochen vor der Bundestagswahl aufbessern.

Warum aber gerade jetzt? "Es ist schlicht so, dass wir jetzt einen Termin gefunden haben; das war ein Prozess", sagt Schrodi. Die Geschichte dieses "Prozesses" der Terminfindung ist denn auch fast interessanter als der Auftritt des Spitzenkandidaten. Krahmers Liebe zur Sozialdemokratie - er trat mit 16 in die Partei ein - wurde dabei ganz schön auf die Probe gestellt: Es dauerte ganze drei Jahre und viele Reisen nach Berlin, bis jetzt die Altomünsterer Firma "Beton & Stein Aberl" in die Gedenktafel aus Granit einen Text gravieren konnte. Den hatte noch der damalige Parteichef Sigmar Gabriel verfasst: "Allen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden, gilt unser Respekt und unser ehrendes Gedenken. Aus ihrem Schicksal erwächst unser Versprechen, Frieden und Freiheit jederzeit gegen die Feinde der Demokratie entschlossen zu verteidigen."

Gabriel achtete penibel auf jedes Komma, wie Krahmer erzählt. Im November 2015 jedoch war der Text endlich abgesegnet. Nur als es dann um den Termin für die Einweihung ging, fehlte es etwas an Feingefühl. Gabriel wollte die Gedenktafel doch tatsächlich am Faschingsdienstag 2016 enthüllen. "Das machen wir nicht", reagierte die Dachauer SPD. "Unwürdig", sagt Krahmer heute. Schließlich kam bekanntlich alles anders. Und jetzt am Freitag reist die Delegation mit Spitzen der Partei in Bund und Bayern nach Dachau - zu einer geschlossenen Veranstaltung. Martin Schulz hält eine Rede. Auch der jetzt erkrankte 91-jährige Ex-SPD-Chef Hans-Jochen Vogel war ursprünglich als Redner vorgesehen. Teile des Museums sind für die Gedenkstättenbesucher, 800 000 jährlich, gesperrt. Aber die Presse wird die Botschaft schon ins Land hinaus- und damit doch in den Wahlkampf hineintragen.

Vorsorglich weist die KZ-Gedenkstätte darauf hin, dass unter anderem Filmen von Fotos und Dokumenten, von Ausstellungstafeln, Führungen, den ehemaligen Krematorien oder von oben nicht erlaubt sei. Bleibt fast nur noch der SPD-Spitzenkandidat als Motiv. Oskar Krahmer kümmert das alles nicht besonders. Er ist mit seiner SPD wieder versöhnt und sagt: "Es hat auch Spaß gemacht."

Die Gedenktafel hängt übrigens schon, vor einem halben Jahr wurde sie still und leise angebracht und hat wohl deshalb kaum Beachtung gefunden. Das wird sich jetzt ändern.

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