Gebührenstreit:Kinderbetreuung unter Kostendruck

Kita-Betreuung in Flechtingen

Kita-Betreuung ist in München eine teure Angelegenheit.

(Foto: dpa)
  • Die Caritas hat für eine Krippe die Gebühren heftig angehoben.
  • Eine Münchnerin will dagegen vorgehen, hat aber keine rechtliche Handhabe.
  • Der Fall offenbart, wie kompliziert die Kinderbetreuung und deren Finanzierung in München ist.

Von Melanie Staudinger

Anfang Juli hat Isolde Fugunt einen Brief erhalten, der ihr fast 1000 Euro Mehrkosten im Jahr bescheren wird. Er stammt von der Caritas, die wiederum die Krippe von Fugunts Sohn in der Herzogspitalstraße betreibt. Statt 370 Euro soll die Familie jetzt 444 Euro monatlich für die Betreuung ihres Sohnes bezahlen. Dazu kommen noch einmal 76 Euro für das Essen in der Einrichtung, das kostete bisher 60 Euro. Die neuen Preise gelten von September an. "Wir bitten um Verständnis für diese Maßnahme", schrieb die Caritas. Doch Verständnis will Fugunt nicht aufbringen. "Was hier passiert, ist unredlich", sagt sie.

Die Mutter hat sich beschwert und musste erfahren, dass der Träger von 20 Kindertagesstätten in München das Recht auf seiner Seite hat. Ihr Fall gibt einen tiefen Einblick in den Dschungel der bayerischen Kita-Finanzierung. Und er zeigt, dass die Kinderbetreuung oftmals ein Zuschussgeschäft ist, das ohne Geld von Freistaat und Stadt nicht funktionieren würde, und nur für einige wenige Anbieter ein richtig lukratives Geschäft. Denn Stadtrat Christian Müller, bei der Caritas zuständig für die Tagesstätten, liefert die Begründung gleich mit, warum die Krippe teuer wird. "Wir müssen die Einrichtung zumindest annähernd kostendeckend betreiben", sagt Müller.

Bei der etwa 60 Jahre alten Einrichtung in der Herzogspitalstraße handle es sich um ein besonders teures Objekt, erklärt er. Das sei nicht nur der prominenten Lage zwischen Sendlinger Tor und Stachus geschuldet. Hier kommen zwei Faktoren zusammen, die aus der Kita-Förderung resultieren: Da das Gebäude der Caritas selbst gehört und nicht wie in vielen Fällen von der Stadt gestellt wird, gibt es keine Finanzmittel für den laufenden Betrieb. "Kosten fallen natürlich trotzdem an", sagt Müller. Und die müssten bezahlt werden. Zweitens befindet sich die Krippe in einem Viertel mit gutem Sozialindex. Deshalb bekommt sie ohnehin weniger Geld von der Stadt. Einrichtungen in sozial schwächeren Vierteln erhalten mehr Mittel.

Das wiederum liegt am Konstrukt der Münchner Förderformel, dem freiwilligen Zuschusssystem, das die Stadt zusätzlich zum Geld des Freistaats gewährt. Gut 900 städtische und nicht-städtische Kitas von insgesamt fast 1400 nehmen dieses Angebot wahr. Die Förderformel soll, so erklärt eine Sprecherin des zuständigen Bildungsreferats, Anreize setzen und besonders engagierte Einrichtungen belohnen. Wer etwa besonders elternfreundliche Öffnungszeiten habe oder außergewöhnliche pädagogische Angebote entwickle, erhalte mehr Geld als Kitas, die selbiges nicht oder weniger ausgeprägt tun.

Ein weiterer Faktor, der über die Höhe des Zuschusses entscheidet, ist wiederum der Standort. Tagesstätten in Problemvierteln bekommen mehr Geld, weil ihr Klientel in der Regel auch mehr Förderung benötige. Isolde Fugunt sieht darin nun eine versteckte Quersubventionierung. Denn: Kitas in besseren Lagen, die weniger zusätzliches Geld erhielten, würden ja nicht nur von den Kindern der Besserverdienenden besucht. Die Eltern könnten sich die Einrichtung doch meist nicht aussuchen und müssten nehmen, was gerade frei sei.

Die schwarze Null ist in Gefahr

"Zum Teil fahren die Familien doch in ganz andere Viertel zur Krippe", sagt Fugunt. Wer mehr als 60 000 Euro im Jahr verdiene, müsse im einkommensgestaffelten System der Stadt den Höchstbetrag zahlen, aber sei mit diesem Gehalt in München doch noch lange nicht reich. "Die Gebühren wurden angehoben, die Höchstsätze aber nicht", sagt Fugunt.

Es gebe keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Teilnahme an der Münchner Förderformel und einer Erhöhung der Besuchsgebühren, sagt hingegen die Sprecherin des Bildungsreferats. Caritas-Mitarbeiter Müller räumt aber ein, dass rein rechnerisch eine Querfinanzierung existiere, die Caritas in ihre Betreuungseinrichtungen aber einiges an Eigenmitteln einbringen müsse, um nicht in ein größeres Defizit zu rutschen: "In den vergangenen Jahren haben wir eine schwarze Null geschafft. Ob das dieses Jahr auch so sein wird, wissen wird noch nicht."

Weitere Mehrbelastungen werden auf die Eltern aber nicht zukommen. Denn die Förderformel sieht Höchstbeiträge vor, um eine "sozialverträgliche Gebührenstruktur" sicherzustellen, - und die sind in den meisten Caritas-Einrichtungen erreicht. "Wir verlangen ohnehin nicht viel für unsere Leistung", sagt Müller. Private Anbieter würden dafür ein Vielfaches in Rechnung stellen. Und selbst die, so sagt der Politiker, würden vermehrt mit einigen Einrichtungen in die städtische Förderformel drängen. So finanzierten sie sich ihren Verwaltungsbereich mit öffentlichem Geld und verdienten in den verbleibenden teuren Einrichtungen an den Eltern. So lohne sich das Geschäft für einige wenige durchaus.

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