Gastronomie:Warum Restaurants Kinderbetreuung anbieten

Gastronomie: Die "Kidslounge" im "Kaiser Otto": Betreuer Patrick passt auf.

Die "Kidslounge" im "Kaiser Otto": Betreuer Patrick passt auf.

(Foto: Stephan Rumpf)

Einige Wirte in München haben eine Marktlücke entdeckt: Sie engagieren Personal, das mit den Kleinen spielt, damit die Eltern in Ruhe essen können.

Von Christina Hertel und Franziska Gerlach

Die Kinder toben im Restaurant, rempeln einen Kellner an, Gläser fallen. Man wird rot vor Scham und schwört sich - hierher nie wieder. Oder: Das alleinstehende Pärchen am Nebentisch rümpft die Nase. Weil: Kinder zu laut, zu zapplig, zu fröhlich. Man wird rot vor Wut, aber schwört sich im Prinzip das Gleiche. Beide Situationen versuchen immer mehr Restaurants in München zu vermeiden und bieten eine Kinderbetreuung an. Die passt auf die Kleinen auf, während die Eltern in Ruhe essen können.

Solo Italia Giesing

Ina ist drei Jahre alt und hat eine grüne Decke über dem Kopf. Und ihr neuer Freund Sam, blond, nicht einmal einen Meter groß, hat auch ein buntes Tuch über sich geworfen. "Buuh", rufen beide, Hände in der Luft. Die zwei sind Gespenster, klar. Flitzen zwischen Tischen und Stühlen durch. Lachen, rufen immer wieder "Buh, Uhu." Gleichzeitig sind Inas Eltern beim Cappuccino angekommen, die Pizza ist schon verspeist. Die Familie verbringt diesen Mittwochabend bei einem Italiener in Giesing. Dass die Mutter noch keinen Nervenzusammenbruch erlitten und der Vater noch nicht beschämt das Restaurant verlassen hat, liegt vielleicht an der Wand, die die Eltern von ihrer tobenden Tochter trennt. Oder auch an Jenny Weidinger, einer Pädagogin mit einem ziemlich guten Sinn für's Geschäft.

Vor zehn Jahren gründete Weidinger "Kids in Munich", eine Agentur, die Geburtstage sowie Kinderanimationen auf Hochzeiten und Festen organisiert. Und seit ein paar Jahren auch Kinderbetreuung in Restaurants. Im Solo Italia gibt es dafür einen abgetrennten Raum. Über den Tischen liegen Plastikdecken, die bemalt und bekleckert werden können. Inas große Schwester Annika bastelt Papierschiffchen, Sam malt einen Dino aus, und Ina hat ein Spielzeugauto entdeckt, in das man sich hineinsetzen kann. Gerade fährt sie in den Urlaub. Vielleicht nach Italien - das weiß nur sie selbst. Auf jeden Fall soll Jenny Weidinger mitkommen. Blöd, dass so ein Spielzeugauto nicht für einen ausgewachsenen Menschenkörper gemacht ist.

In sechs Restaurants bietet Weidinger so eine Betreuung an: im Weinhaus Neuner in der Altstadt, in der Osteria Eboli in Grünwald, im Café Reitschule, im Lokal Zum Sollner Hirschen und in der Gaststätte Heide-Volm in Planegg. Bei den letzten beiden ist gerade Sommerpause. Doch Jenny Weidinger merkt: Die Nachfrage nach dem Angebot wächst. Anscheinend wollen immer mehr Eltern beim Ausgehen ihre Ruhe haben. Oder die Gastwirte bezahlen lieber einen Betreuer, der sich um die Kleinen kümmert, anstatt dass diese die Kellner vom Arbeiten abhalten.

Gastronom Nick Hermann, der zusammen mit Jasmin Pedaschus das Solo Italia in Giesing führt, hat sich für die Kinderbetreuung, die er einmal pro Woche immer am Mittwoch anbietet, entschieden, weil er "Eltern mal wieder zu einer warmen Mahlzeit kommen lassen will". Er habe oft beobachtet, dass Mamas so mit dem Schneiden der Spaghetti für ihre Kleinen beschäftigt sind, dass sie das Essen vergessen. Klingt nach Robin Hood für hungernde Mütter, aber dahinter steckt ein wirtschaftliches Interesse: Er sehe jeden Tag, wie Eltern Kinderwagen durchs Viertel schieben. Und bevor sie sich eine Pizza ins Wohnzimmer liefern lassen, weil sie sich mit ihren Kindern nirgendwo hintrauen, sollen sie lieber zu ihm kommen. Hermann hofft, dass sich das am Ende lohnt. Denn bezahlen müssen die Eltern für den Service nichts.

Früher, denkt man jetzt vielleicht, gab es das alles nicht, und ging es ja auch irgendwie. Dann saßen die Kinder halt mit am Tisch - mit Malbuch und Uno-Karten. Brauchen Kinder heutzutage Non-Stop-Dauer-Bespaßung? Oder sind die Münchner solche Kinderhasser, dass sie es nicht mal mehr beim Essen mit ihnen in einem Raum aushalten?

Gastronomie: Viel spannender als brav am Esstisch zu sitzen: Im Restaurant Solo Italia können die kleinen Gäste mit professioneller Betreuung basteln oder auch toben und spielen.

Viel spannender als brav am Esstisch zu sitzen: Im Restaurant Solo Italia können die kleinen Gäste mit professioneller Betreuung basteln oder auch toben und spielen.

(Foto: Robert Haas)

Nachfrage bei denen, die es wissen müssen: den Eltern. Sams Mutter Judith Golke meint, dramatisch sei die Situation für Familien an der Ausgehfront nicht. Nur gehe man ganz generell seltener weg als Mutter. Kinderbetreuerin Jenny Weidinger sieht das ein bisschen anders. Sie hat eine Facebook-Gruppe gegründet, in der sich Eltern über kinderfreundliche Restaurants austauschen. "Jeden Tag", sagt sie, "kommen zehn neue Anfragen." Und was sagen die anderen Gäste, ohne Kinder?

Inas Tante findet die Betreuung gut. "Man kann sich endlich mal wieder in Ruhe unterhalten." Ihren Namen möchte sie lieber nicht in der Zeitung lesen - weil sie Angst hat, dass das kinderfeindlich klingt. "So ist das wirklich nicht gemeint." Aber, wenn sie mit Inas und Annikas Mutter unterwegs sei, würden die Mädchen die ganze Aufmerksamkeit bekommen. Weil sie so süß sind. Und so lieb. "Das ist ja auch nett. Aber jetzt können wir mal wieder ein, zwei Stunden in Ruhe reden."

Brenner Grill und Kaiser Otto

Brenner Grill

Unter der Woche sieht man im Brenner an der Maximilianstraße vor allem Anzugträger. Und reiche Touristen. Beide Gruppen haben eines gemeinsam: Sie können mit Messer und Gabel umgehen und beherrschen die gängigen Tischmanieren. Am Sonntag jedoch sieht es im Brenner anders aus. Da ist Familientag. Seit acht Jahren bietet das Restaurant zum Brunch von 9.30 bis 15 Uhr für seine Gäste eine kostenlose Kinderbetreuung an - in einer Spielecke, die aber nicht vom Rest des Lokals abgetrennt ist. "Das heißt: Die Kinder schieben dann ihren Puppenwagen schon auch mal durchs Restaurant", sagt Betriebsleiter Tobias Mushoevel.

Zwischen 50 und 100 Kinder seien normalerweise da. Der Schallpegel verschiebt sich also zwangsläufig um ein paar Dezibel nach oben. "Wer am Sonntag kommt, weiß, was los ist." Viele seien Stammgäste, die meisten hätten zumindest eine Affinität zu Kindern. Zwischen zwei und drei Betreuer passen auf die kleinen Gäste auf. Warum das Ganze? "Die Eltern sollen mal wieder entspannen. Und sich dabei keine Sorgen um ihre Kinder machen."

Kaiser Otto

Ein Kindercafé ist das "Kaiser Otto" an der Westermühlstraße 8 nicht, das stellt Inhaber Georg Karuth ganz unmissverständlich klar. Denn wenn die Kleinen durch den Gastraum sausen, dort Fangen spielen oder Verstecken, behindert das natürlich den Service. Ein Restaurant mit einer sogenannten "Kidslounge", das ist das Kaiser Otto aber schon. Seit 2009 gibt es in der Gaststätte ein eigenes Spielzimmer für Kinder, 27 Quadratmeter ist es groß, vor den hellgelb getünchten Wänden steht ein Tischkicker, es gibt Kuscheltiere, Spiele und Kinderbücher.

Und natürlich hat dieser Raum genauso Stammgäste vorzuweisen wie das Restaurant mit seinem Frühstücksangebot und den internationalen Gerichten aus Bio-Zutaten. "Manche Kinder sind hier groß geworden", sagt Barth. Das Konzept einer integrierten Kinderbetreuung hat er in einem Fitnessstudio entdeckt und auf sein Restaurant übertragen. An den Samstagen und Sonntagen ist jeweils von 10 bis 14 Uhr eine Betreuerin vor Ort, die mit den Kindern malt, bastelt oder ihnen eine Geschichte vorliest - eine halbe Stunde kostet 2,50 Euro pro Kind, ein zweites bezahlt 1,50 Euro, das dritte ist dann gratis.

Unter der Woche fällt für das Kinderzimmer eine Nutzungsgebühr von einem Euro an. Das Angebot werde insgesamt gut angenommen, sagt Barth. Im Winter besser als im Sommer, wenn die Eltern mit ihren Kindern ins Schwimmbad oder auf den Spielplatz gehen.

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