Gastronomie:Der Wanderer unter den Spitzenköchen ist in München angekommen

Gastronomie: Einen Stern will sich Michael Hüsken im "Sophia's" nicht erkochen.

Einen Stern will sich Michael Hüsken im "Sophia's" nicht erkochen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Michael Hüsken hat seinen Platz nach 25 Umzügen gefunden - im Restaurant "Sophia's" des Luxushotels The Charles.

Von Franz Kotteder

Erstaunlich ist es ja eigentlich, dass er immer noch in München ist. "Fast zweieinhalb Jahre sind das mittlerweile", sagt er, "das ist schon ziemlich lange für mich. Als wir hierherkamen, war das mein 25. Umzug." Ein astreines Jubiläum also. Aber es sieht nicht so aus, als ob er ein weiteres anstrebt. "Nein, nein. Jetzt bleiben wir hier", sagt er, "der Drang umzuziehen ist auch überhaupt nicht mehr da. Wir fühlen uns hier sehr wohl."

Das liegt wohl auch an seiner Frau Nicole, darf man vermuten, einer gebürtigen Münchnerin. Nach vielen Jahren der Wanderschaft arbeiten die beiden nun inzwischen sogar im selben Haus: im Fünfsternehotel The Charles am Alten Botanischen Garten, unweit des Hauptbahnhofs. Michael Hüsken, 46, ist dort Küchendirektor, seine Frau Nicole macht die Öffentlichkeitsarbeit für das Haus.

Irgendwie lief es aber sowieso immer wieder auf München hinaus, die vergangenen 20 Jahre. Für zwei, drei Jahre war er ja immer wieder mal hier. Eigentlich war das Umherziehen dem gebürtigen Niedersachsen schon in die Wiege gelegt. Die stand in Bramsche bei Osnabrück, der Vater war damals in den Siebzigerjahren als Manager viel unterwegs - und die Familie mit ihm. Alle zwei Jahre war man woanders, das Abitur machte Hüsken "mit etwas Verspätung" in Alzey bei Mainz. Koch wollte er damals schon werden, aber die Familie war wenig begeistert, so versuchte er es mit einem Studium in Tourismus, wechselte aber dann ziemlich bald in die Praxis und begann eine Lehre als Hotelkaufmann im Augsburger Steigenberger-Hotel Drei Mohren.

In Augsburg, der Studentenstadt, lernte er Nicole kennen, so richtig gefunkt hat es dann aber erst ein paar Jahre später, als er 1997 bei Johann Lafer in dessen Stromburg kochte. "Ich arbeitete damals in München", erzählt Nicole Hüsken, "am Wochenende bin ich immer zu ihm raufgefahren, das war ganz schön anstrengend." Beziehungsfördernd war dann, dass Hüsken ans Acquarello des Münchner Sternekochs Mario Gamba wechselte - "von dort habe ich meine italienischen Einflüsse her" - und dann zwei Jahre lang im damaligen Käfers am Hofgarten arbeitete.

Am längsten hielt er es aber bislang als Küchendirektor in Schloss Elmau aus, wo er sich im Gourmetrestaurant Luce d'Oro auch einen Stern im Michelin erkochte und ein paar Jahre zuvor im "Großen Restaurant & Hotel Guide" das Restaurant des Jahres 2007 führte. Zwei Jahre zuvor hatte er den Job in dem Luxushotel bei Garmisch angetreten, für fünf bis sechs Restaurants - eines war nur saisonal geöffnet - war er dort verantwortlich.

Ein Sabbatical mitten im Erfolg

Das war schon ein Abenteuer, nicht nur, weil drei Monate nach seinem Dienstantritt das halbe Hotel abbrannte. Die Küchen waren davon allerdings nicht betroffen gewesen. "Ich wollte eh alles verändern", sagt Hüsken, nun musste er vieles anders machen. Und er hatte Erfolg damit. "Ich war tatsächlich jeden Abend im Luce d'Oro, Urlaub nahm ich nur, wenn es geschlossen war." Eine stressige Zeit, sagt er im Nachhinein, aber er wurde 2010 dann ja auch mit einem Stern im Michelin belohnt, den das Restaurant dort seither hält.

Für Michael Hüsken war das aber nach fünf Jahren in Elmau nicht nur die Krönung, sondern auch das Signal, sozusagen die Zelte dort abzubrechen. Er ging damals ja gerade so auf die 40 zu, und das war ein guter Zeitpunkt, einen alten Jugendtraum zu verwirklichen. "Wir haben uns dann den Luxus gegönnt, ein Jahr auszusetzen", erzählt er, "wir machten ein Sabbatical und gingen auf Weltreise." Neun Monate war er dann zusammen mit seiner Frau, die den gleichen Jugendtraum hatte, unterwegs: Rucksack packen und ab in den Flieger, neun Monate lang, ohne vorher groß etwas zu buchen. "Wir haben uns treiben lassen, uns höchstens mal von Freunden ein paar Empfehlungen geben lassen."

Die Freunde, sagt Hüsken, waren von der Idee begeistert, sagten aber auch: "Ich selbst würde das aber nicht machen." Hüsken schwärmt aber noch heute von dieser Reise, die sei auch kulinarisch sehr spannend gewesen, auch wenn seine Frau es "möglicherweise nicht so spannend fand, überall gleich erst einmal auf den Food Market zu rennen". Nicole Hüsken sitzt daneben und grinst ein bisschen, während ihr Mann erzählt: "Wenn du in Laos auf den Markt gehst, dann ist das fast wie im Zoo. Da sieht man alles - auch Schildkröten und Frösche. Muss man ja nicht alles ausprobieren, aber interessant ist es trotzdem."

Kulinarische Erlebnisse auf der ganzen Welt

Ein ganz anderes kulinarisches Erlebnis hatten sie in Rajasthan. Als der Taxifahrer in Udaipur hörte, dass sein Fahrgast Koch war, lud er ihn ein, zusammen mit seiner Großmutter für die ganze Familie zu kochen. Was sie dann auch einen Tag lang taten, während der Enkel übersetzte, was die Großmutter und der deutsche Koch so zueinander sagten. Sie kochten und aßen mit Blick auf den riesigen Shiv-Niwas-Palast, den man hier vielleicht aus dem Bond-Film "Octopussy" kennt: "Das war schon ein Erlebnis, das man nicht vergisst."

Ein bisschen was fließt dann doch auch in die Küchenpraxis zu Hause ein, auch wenn keine exotischen Tiere auf den Teller kommen und Hüsken großen Wert darauf legt, mit regionalen Produkten zu arbeiten, weil die nun mal am frischesten und am besten zu kontrollieren sind. Die Einflüsse aus fernen Ländern erkennt man dann, wenn das Lammfrikandeau, ein Stück aus der Keule, kombiniert wird mit Karotten-Hummus. Oder wenn das "Bayerische Risotto" zwar nicht aus Reis besteht, sondern aus den Getreidesorten Emmer und Urdinkel und dann mit einem Allgäuer Bergkäse statt mit Parmesan gebunden wird. Und so ein Saibling kommt gleich ganz anders daher, wenn man ihn mit einem schwarzen Rettich und Sesam kombiniert.

So etwas findet sich eben auch auf der Karte des Sophia's, wie das Restaurant im The Charles heißt, seit Hüsken es übernommen hat. Benannt ist es nach der Sophienstraße, an der das Hotel postalisch liegt. Den Ehrgeiz, hier erneut einen Stern zu erringen, hat Hüsken allerdings nicht. Er muss sich auch nichts mehr beweisen, nach Elmau verhalf er 2013 noch einmal einem Restaurant zu einem Stern, dem Reisers am Stein in Würzburg, in dem er zwei Jahre lang gastiert hatte.

"Hier im Sophia's ginge das gar nicht", sagt er, "bei knapp 90 Plätzen und einem Programm von 4.30 Uhr bis Mitternacht, sieben Tage die Woche." Insgesamt ist er vom Frühstück übers Bankett bis zum gehobenen Dinner und die Bar für alles im Haus zuständig, dafür hat er 28 Leute, "wenn man sämtliche Azubis mitzählt". Gerichte von hoher Qualität will er haben, aber kein Chichi: "Bei 85 Plätzen brauchen Sie nicht hier noch einen Tropfen und da noch einen Tupfen und dann eine kleine Kresse obendrauf legen. Das wird dann zu aufwendig."

Man hat jedenfalls den Eindruck, dass er mit sich im Reinen ist und durchaus Lust hat, internationale Küche regional neu zu interpretieren und mit dem anzureichern, was er sich in vielen Wanderjahren so angeeignet hat. Besonders freut ihn, dass sich auch die Münchner zunehmend dafür interessieren: "Zu uns kommen inzwischen schon wesentlich mehr Gäste aus der Stadt als vor zwei Jahren", sagt Hüsken, "das ist ja für ein Hotelrestaurant durchaus nicht üblich."

Wandern, ohne dabei wegzugehen

Und gelegentlich holt er sich die Stadt ja auch ins Haus, wie im vergangenen Jahr, als das Hotel sein Zehnjähriges in München feierte. Da waren dann Weggefährten wie die Münchner Zweisterneköche Bobby Bräuer und Tohru Nakamura als Gastköche da, die er noch von seiner Zeit bei der Hoteliersfamilie Geisel im Anna-Hotel und im Werneckhof kannte.

Und einmal sozusagen auch die weite Welt in Gestalt von Jeff Bland, dem Küchenchef vom Number One, dem Restaurant im Hotel The Balmoral in Edinburgh, das ebenso wie das The Charles zur Rocco-Forte-Gruppe gehört. Bland hat seit zwölf Jahren einen Stern im Michelin und überraschte im Sophia's mit schottischen Köstlichkeiten wie einem Haggis-Bonbon, einem Whitmuir-Schweinebauch oder einer Moorhuhnbrust mit Girrol-Pilzen. Das sind Gerichte, wie sie Michael Hüsken auch einfallen könnten, seine Herangehensweise ist sehr ähnlich der von Jeff Bland.

Man muss also gar nicht immer nur unterwegs sein. Reisen und Wandern, das bedeutet ja vor allem: nicht stehen bleiben. Und das muss man anscheinend nicht mal dann, wenn man sesshaft wird.

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