Gartenstädte in München:Mehr als die Summe aller Viertel

Gartenstädte in München: Cornelius Mager in der Harthauser Straße in der Menterschwaige. Heute steht hier ein Block mit zwölf Appartements, bis 2011 ein Einfamilienhaus.

Cornelius Mager in der Harthauser Straße in der Menterschwaige. Heute steht hier ein Block mit zwölf Appartements, bis 2011 ein Einfamilienhaus.

(Foto: Claus Schunk)

Immer zu streng, immer zu lax: In den Gartenstädten kann es die Lokalbaukommission Bauherren und Anwohnern nie recht machen. Will sie aber auch gar nicht. Ihr Chef Cornelius Mager denkt ohnehin in größeren Maßstäben.

Von Kassian Stroh

Cornelius Mager steckt in einem Dilemma, und augenfällig wird es, wenn man sich mit ihm an diese Kreuzung stellt. Rabenkopfstraße Ecke Meichelbeckstraße, mitten in Harlaching, nicht weit entfernt vom Gutshof Menterschwaige. Auf der einen Seite steht inmitten großer Bäume ein altes Einfamilienhäuschen; es wird bald abgerissen.

Auf der anderen Seite findet sich seit einiger Zeit ein dreistöckiger Block mit mehreren Wohnungen. Das könnte man jetzt natürlich fotografieren und als Vorher-Nachher-Kombination gegenüberstellen, um plakativ die Entwicklung der sogenannten Gartenstadtviertel zu geißeln, das Phänomen der Nachverdichtung, den Bauboom, den Verlust von Natur in der Stadt. Wer das aber tue, das sagt Mager ganz trocken, "der negiert Jahrzehnte an Stadtentwicklung".

Wildes Durcheinander an Baustilen

Mager ist seit zwölf Jahren der Chef der Lokalbaukommission, jenes Amts, das in München für Baugenehmigungen zuständig ist. Der Jurist ist so etwas wie der Gottseibeiuns der Gartenstadtinitiativen, die ihm und der Stadt vorwerfen, zuzusehen, wenn nicht gar mutwillig zu befördern, dass Viertel wie die Menterschwaige unwiederbringlich ihren Charakter verlören. (Und als Beleg legen sie ganz gerne derlei Vorher-Nachher-Bilder vor.) Wenn Mager nun durch dieses Viertel spaziert, kann er anhand der Pläne in seiner Klarsichtmappe profund darlegen, dass alles rechtens ist, was hier gebaut wird.

Gartenstädte in München: Im Juli gingen gut 100 Harlachinger auf die Straße und demonstrierten gegen die immer stärkere Bebauung und die Veränderung ihres Viertels.

Im Juli gingen gut 100 Harlachinger auf die Straße und demonstrierten gegen die immer stärkere Bebauung und die Veränderung ihres Viertels.

(Foto: Claus Schunk)

Und doch ist er an manchen Ecken selbst erstaunt, was da so alles entsteht, wie schlecht die Architektur oft ist, wie wild das Durcheinander an Baustilen. Aber das sei in den Villenvierteln seit jeher so gewesen, es gebe hier kein typisches München, sagt Mager. Und dann zeigt er all die grünen Straßenzüge, fordert einen gleich mehrfach auf, die Augen zu schließen und dem Straßenlärm zu lauschen, der praktisch nicht vorhanden ist. "Das ist ein Idyll hier", sagt Mager. Doch allen müsse klar sein, dass München das nicht unverändert behalten könne.

Womit er sicher nicht einer zügellosen Bebauung das Wort geredet haben will, im Gegenteil. Nur: Magers Möglichkeiten, die Entwicklung zu steuern, sind begrenzt. Es gab in München mal eine Gartenstadtsatzung mit detaillierten Bauvorgaben - die kippte 2003 der Verwaltungsgerichtshof. Seitdem gilt, vereinfacht gesprochen, für jeden Bauantrag: Solange die Architektur nicht verunstaltend ist und solange sich Größe und Lage des Neubaus in die Umgebung einfügen, muss er genehmigt werden.

"An diesem Idyll hier wollen viele teilhaben"

Das lässt viel Spielraum bei der Beurteilung. Dabei sei die Stadt zu lax, argumentieren die Gartenstädter. Dabei seien seinen Mitarbeitern die Hände gebunden, argumentiert Mager. Ist die Stadt zu streng, klagen die Bauherren vor Gericht und gewinnen - wie zuletzt des Öfteren geschehen. Der Baudruck ist wegen der Wohnungsnot enorm, die Entwicklung in Vierteln wie Harlaching, Solln oder Trudering rasant. "An diesem Idyll hier wollen viele teilhaben", sagt Mager. Und wenn es nur die Erben sind, die ein 1000-Quadratmeter-Grundstück versilbern wollen.

Nun setzt die Stadt auf zwei neue Instrumente: Sie will jeden neuen Bauantrag künftig nicht mehr nur isoliert betrachten, sondern gleich die möglichen Auswirkungen auf die Nachbargrundstücke beleuchten, will dann also für ein Straßengeviert Richtlinien aufstellen, wo Bäume erhalten, wo rückwärtige Bebauung vermieden werden soll. "Blockweise Betrachtung" nennen das die Fachleute. Daneben will das Planungsreferat, vorerst für zwei Testgebiete, sogenannte Rahmenpläne aufstellen - also für ein ganzes Stadtviertel definieren, wo es welchen städtebaulichen Charakter haben soll, wo verdichtet werden kann und wo nicht.

Zum zweiten Mal von der Tagesordnung genommen

Diese Pläne sind zwar nicht rechtsverbindlich, gleichwohl hält Mager sie für ein gutes Instrument: um Nachbarn, Bauherren oder der Öffentlichkeit früh sagen zu können, was die Stadt will. "Wir müssen für uns selber die Regeln nicht nur kennen, sondern auch transportieren können", sagt er - er sieht das auch als einen Schritt auf die Gartenstadtinitiativen zu. Und die Verwaltungsgerichte, interessieren die im Zweifel solche unverbindlichen Leitlinien auch? "Das Gericht würdigt gute Argumente, und die liefert so ein Plan", gibt sich Mager optimistisch.

In den vergangenen drei Jahren haben sich vielerorts in München Gartenstadtinitiativen gebildet. Im Wahlkampf hat sich die CSU zu ihrer Fürsprecherin gemacht, auch sie hat die Idee der Rahmenpläne angeregt. Sie findet sich in einer umfangreichen Vorlage des Planungsreferats an den Stadtrat, die eigentlich an diesem Mittwoch diskutiert werden sollte.

Doch wie politisch heikel das Thema ist, zeigt die Tatsache, dass sie am Dienstag kurzfristig von der Tagesordnung genommen wurde, zum zweiten Mal bereits. Das Thema spaltet das rot-schwarze Rathausbündnis: Anders als die SPD gäbe die CSU den Gartenstädten am liebsten eine Art Bestandsschutz.

In der Meichelbeckstraße kommt Mager noch an einem neuen und in der Nachbarschaft umstrittenen Apartmentblock vorbei. Und was ihm da einer der Bewohner erzählt, hat dann doch eine besondere, ironische Note: Das Grundstück, vorher mit einer Villa bebaut, gehörte, bis er es an einen Bauträger verkaufte, dem früheren CSU-Kultusminister Hans Maier.

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