Garching:Mit Neutronen in die Champions League

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Eigentlich war der umstrittene Forschungsreaktor in Garching seit 2001 betriebsbereit, doch erst im April diesen Jahres kam die endgültig Genehmigung vom Bundesumweltministerium. Die so genannte Neutronenquelle soll neue Möglichkeiten für die Wissenschaft und die Behandlung von Krebspatienten eröffnen.

Nach einem Kompromiss des Bundesumweltministeriums mit dem Forschungsministerium und dem Freistaat Bayern darf sie wie andere Forschungsreaktoren mit atomwaffenfähigem Uran betrieben werden, bis eine Alternative entwickelt ist.

Blick in das Absetzreaktorbecken im Forschungsreaktor FRM-II in Garching. (Foto: dpa)

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte, der Reaktor der Technischen Universität (TU) München sei "eine Jobmaschine für die Zukunftsarbeitsplätze des 21. Jahrhunderts und Voraussetzung für neue und bessere Produkte made in Germany".

Als Standortmagnet werde er für neue Firmenansiedlungen sorgen. "Mit dem FRM II spielen wir in der Champions League und werden damit maßgeblich an der internationalen Spitzenforschung teilhaben." Der Reaktor trage dazu bei, Deutschland international in Wirtschaft und Wissenschaft wettbewerbsfähig zu halten, sagte Stoiber. Dies sei ein Meilenstein.

TU-Präsident Wolfgang Herrmann sagte, Wissenschaftler aus aller Welt stünden bereits Schlange, um hier zu arbeiten. Der Reaktor liefere Neutronen von bisher nicht gekannter Menge und Qualität, erklärte Herrmann. Damit könnten zum Beispiel Motoren im Betrieb durchleuchtet und technisch verbessert werden.

ICE-Radreifen, Turbinenschaufeln oder Träger ließen sich auf Risse und Spannungen testen. Physiker erwarten sich neue Erkenntnisse über den Transport von Strom ohne Widerstandsverluste, die so genannte Supraleitung.

Mediziner wollen Radiopharmaka für die Diagnose vieler Krankheiten herstellen und in einem Bestrahlungsraum jährlich viele hundert Krebspatienten behandeln.

HEU und LEU als Zankapfel

Die 435 Millionen Euro teure Neutronenquelle ist schon seit August 2001 fertig, der Start wurde jedoch wegen des Streits um hoch oder niedrig angereichertes Uran (HEU oder LEU) als Brennstoff verzögert.

Der bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair warf den Grünen deshalb "ideologischen Schwachsinn" vor. Sie hatten ebenso wie die US-Regierung aus friedenspolitischen Gründen die Verwendung von LEU gefordert, weil Terroristen mit HEU Atombomben bauen könnten.

Dagegen hatte das Forschungsministerium darauf verwiesen, dass eine Neutronenquelle mit LEU zweitklassig sei, einen kompletten Neubau erfordere und erst in einigen Jahren in Betrieb gehen könnte.

Nach dem Kompromiss wird der Reaktor in Garching - ebenso wie der Forschungsreaktor in Grenoble - bis zum Jahr 2010 auf ein mittel angereichertes Uran (MEU) umgerüstet, wenn mit diesem MEU bis dahin eine ähnliche Leistung zu erzielen ist.

Routinebetrieb ab 2004

Der Routinebetrieb soll im kommenden Jahr aufgenommen werden, wenn der erste Brennelementezyklus absolviert ist. Dabei werden Sicherheitsstandards wie auch wissenschaftliche Werte überprüft.

Erst im April hatte das Bundesumweltministerium die letzte Teilgenehmigung erteilt. Noch bleibt allerdings abzuwarten, ob die Streitigkeiten nicht in eine nächste Runde vor Gericht gehen. Bis zum 24. Juni läuft die Klagefrist, in welcher der Bescheid zu dieser Teilgenehmigung angefochten werden kann. Es wird erwartet, dass Umweltinitiativen klagen.

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