Gancia-Award: Schweiger 2:Der Freigeist

Andreas Schweiger wirkt lässig, verlangt aber Höchstleistung in der Küche - das "Schweiger 2" zelebriert die Überraschung.

Anne Goebel

Die Frage ist, wie viel Zeit ihm eigentlich noch zum Motorradfahren bleibt. Andreas Schweiger gehört zu den erfolgreichsten Köchen Münchens, sein Restaurant "Schweiger2" wurde keine drei Jahre nach der Eröffnung 2006 mit einem Stern bekrönt, davor schätzten Kenner bereits seine Kreationen als Küchenchef in Häusern wie "Cocoon" und "G-Munich". Bei allem Kochtalent, solche Meriten wollen hart erarbeitet sein, zusätzlich bietet er Kurse an für Laien am Herd, und seit zwei Jahren tut der 35-Jährige auch noch Dienst für RTL2 in der Gastrosoap "Die Kochprofis". Viele unverplante Stunden können da nicht übrigbleiben, trotzdem sieht die Internetseite andi-schweiger.de aus wie eine Huldigung an das freie wilde Leben: Der junge Koch, damals noch mit langer Wallemähne, als Biker auf einer alten BMW, als cooler Snowboarder, schneeumstäubt - die Fotos suggerieren genau die Botschaft, mit der die Revoluzzer der Zunft einst als Club der "jungen Wilden" antraten: Köche sind hip, zumindest bestimmte Köche.

Inzwischen hat Andi Schweiger die Haare geschnitten, nur die schmale Kinnbartlinie sieht noch nach Rebellentum aus. Wenn man ihm gegenüber sitzt in seinem kleinen, lichten Gastraum an der Lilienstraße, merkt man ziemlich schnell, dass es dem gebürtigen Karlsruher nur um eines geht. Kochen. Es ist sicher wahr, dass Schweiger Motorräder liebt, und wenn der Eindruck nicht täuscht, ist das Bekenntnis zur Lässigkeit in seinem Fall auch kein bloßer Marketingtrick. Der Andi ist nett, sympathisch, unkompliziert. Und ein bisschen besessen. "Schön kochen" nennt er seine Leidenschaft, und wenn es stimmt, dass nur Getriebene zu Höchstleistungen fähig sind, dann kann auch Schweiger mit dem berühmten Fünkchen Irrsinn aufwarten, sogar schriftlich niedergelegt.

"Ich wollte schon mit acht Koch werden", sagt Schweiger. "Und kein Mensch weiß, warum. Auch ich nicht." So schrieb er es als Berufswunsch ins Poesiealbum der Schwester, obwohl in Familie und Verwandtschaft weit und breit kein Vorbild für das Metier vorhanden war. Vielleicht sind doch die köstlichen Kuchen und Gebäcke der Mutter der Auslöser gewesen. Für den 17-Jährigen ist es jedenfalls vorbei mit seiner Lieblingsbeschäftigung "Mobbed fahren", wie er auf Badisch sagt, als er Lehrling wird im Sternelokal "Fallert" im heimatlichen Sasbachwalden. Kein Moped mehr. Nur noch kochen. "Und seitdem hat es mich gepackt."

Den Neuentdeckern und Stammgästen in dem über Wochen ausgebuchten Restaurant "Schweiger2", die an langen Abenden seine Jakobsmuscheln mit Nachtschattengewächs-Chutney zu schätzen wissen oder die Millefeuille aus Ziegenkäse, Rote Beten und Kalbskopf mit Pistou, der Fangemeinde also wird es einen gehörigen Schrecken einjagen, dass Andi Schweiger sogar mal ans Aufhören dachte. Aber natürlich nur dachte. Die ersten Wochen als Lehrling seien hart gewesen, Tempo und Anforderungen einer Sterneküche, die langen Arbeitszeiten, das langsame Verlieren der alten Freunde. Aber ihn packte doch der Ehrgeiz, nach Stationen in Stuttgart und London entwickelte sich der Karlsruher in München als eines der Talente um den aufgehenden Stern Holger Stromberg, der heute die Fußballnationalmannschaft bekocht. Und dann erfüllte sich der Dreißigjährige 2006 den Traum so ziemlich jeden Kochs, zumindest derjenigen, die etwas auf sich halten: das eigene Restaurant.

Das "Schweiger2" in der Au, schlicht in Beige gehalten, mit weiß verputzten Wänden, bietet 25 Gästen Platz. Der etwas verwirrende Namens-Zusatz "im Showroom" bezieht sich auf die Bar, die in den Räumen früher einmal untergebracht war. Aus den Lautsprechern perlt heute dezente Loungemusik. In der Küche hört der Chef gern Rock, wenn er mit seinen vier Köchen geschmorte Rinderbacke, Karottenreduktion und in Sojasauce eingelegte Wassermelone zum kleinen Kunstwerk arrangiert, das gediegene Leipziger Allerlei zu den erstaunlichsten Kombinationen abwandelt. Wie es hier an den Töpfen und Sauteusen abging, als im Jahr 2009 der Michelin seinen Stern hernieder sinken ließ auf das kleine Lokal, kann man sich vorstellen. Für die Patisserie ist Schweigers Geschäftspartnerin und Ehefrau Franziska zuständig; Gemüse, Obst, essbare Blüten kommen aus dem schwiegerelterlichen Garten. Man braucht Schweiger nur einmal über Mangold, Sellerie oder Zwetschgen reden hören, um zu wissen, dass dem Sternekoch nicht bloß teure Edelviktualien am Herz liegen. Beim Neun-Gänge-Menü - auch weniger Gänge sind möglich - vertrauen die Gäste allabendlich auf das Können des Patrons. Eine Speisekarte gibt es nicht im "Schweiger2". Soviel Freiheit muss sein.

Schweiger 2, Lilienstraße 6, Telefon 44429082, Mo. bis Fr., 18 bis 1 Uhr.

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